Studie soll klären, ob Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann
Eigentlich sind zwei Grad Erwärmung schon deutlich zu viel. Daher wurde im Paris Abkommen das Ziel verankert, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Ob dies noch möglich ist soll nun eine neue IPCC Studie klären. Erforderlich sind dafür negative Emissionen im grossen Stil.
Das Erstaunen war gross, als Gastgeber Frankreich in den letzten Stunden der Pariser Klimakonferenz sein Kompromisspapier präsentierte: Dort stand, die Klimaerwärmung solle auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt werden und die Länder würden „Anstrengungen unternehmen“, um die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Kaum einer hatte mit dieser Zahl im Abkommen gerechnet, obwohl sich am Schluss 114 Länder für die 1,5 Grad eingesetzt hatten – eine deutliche Mehrheit. Ursprünglich wurden die 1,5 Grad nur von den Inselstaaten propagiert. Doch dann stiessen auch die ärmsten Länder der Welt dazu, weil sie befürchten sich die Anpassung an eine stärkere Erwärmung nicht leisten zu können. Und schliesslich sahen auch immer mehr Industriestaaten ein, dass die Zwei-Grad-Marke die „obere Grenze“ darstellt – eine „Verteidigunglinie“, die unbedingt gehalten werden muss. [1 s. Kasten auf S. 18] Denn dies war das Ergebnis einer Metastudie zum Wissensstand der Klimaforschung, dem ‚Structured Expert Dialogue‘ oder kurz SED.
In diesem wundervollen Video erklärt der britische Journalist und Umweltaktivist George Monbiot, wie die Rückkehr der Wölfe den US-Nationalpark Yellowstone verändert hat. Sogar die Flüsse haben ihren Lauf angepasst. (Video: Sustainable Human)
Die SED-Studie zeigt frappante Unterschiede zwischen einer Zwei-Grad- und einer 1,5-Grad-Welt: „Die meisten Tier- und Pflanzenarten könnten sich an die Geschwindigkeit der Klimaerwärmung anpassen. Bis zur Hälfte der Korallenriffe könnte gerettet werden. Der Anstieg des Meeresspiegels könnte unter einem Meter bleiben. Ein Teil des Eises am Nordpol könnte erhalten bleiben“ und die Folgen der Versauerung der Meere bliebe auf einem „moderaten Niveau“. [1 s. Para 110 auf S. 31] Ausserdem kommt die SED-Studie zum Schluss, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die Treibhausgasemissionen sehr viel schneller sinken als bei einem Zwei-Grad-Ziel. [1 s. Para 114 auf S. 32] Dies wäre teurer. Doch hier gibt eine andere Studie Entwarnung: Die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels kostet die Welt rund 0,06 Prozentpunkte Wachstum pro Jahr. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels hingegen ist doppelt so teuer und kostet folglich 0,12 Prozentpunkte pro Jahr. [2] Statt um 3,1 Prozent wäre die Weltwirtschaft letztes Jahr folglich nur um drei Prozent gewachsen, wenn sie im Jahr 2015 auf einem Entwicklungspfad gewesen wäre, der mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatiblen ist. Dieser Unterschied ist so klein, dass er vor dem Hintergrundrauschen von Börsenkursen, Rohstoffpreisen, Wechseelkursen, Kriegen und sonstigen Krisen kaum noch erfassbar ist.
In Folge der Pariser Entscheidung wurde der Internationale Klimarat (IPCC) damit beauftragt die Erkenntnisse der SED Stufe zu vertiefen und bis 2018 einen Bericht zur Machbarkeit des 1,5-Grad-Ziels zu erarbeiten. Dazu hat der IPCC diese Woche eine erste wissenschaftliche Konferenz in der thailändischen Hauptstadt Bangkok veranstaltet. Im Anschluss zeigte sich, dass nicht nur viele Klimapolitiker von der Nennung des 1,5-Grad-Ziels überrascht wurden, sondern auch die Klimawissenschaftler. Thelma Krug, die für den IPCC die Erarbeitung der 1,5-Grad-Studie leitet, verwies immer wieder darauf, dass derzeit „nicht genügend wissenschaftliche Studien“ vorliegen, um jede Frage zum 1,5-Grad-Ziel zu beantworten.
Mögliche Technologien für negative Emissionen
Methode / Name | Wie funktionierts? | Typ |
---|---|---|
Wiederherstellung von Lebensräumen für Blue Carbon | Mangrovenwälder, Salzwiesen, Algenwälder [3] und Seegraswiesen binden grosse Mengen CO2. Doch an vielen Orten wurden die Lebensräume dieser Pflanzen zerstört. Eine Wiederherstellung würde daher dem Klimaschutz dienen. | Natur- und Artenschutz |
Verbesserung der CO2 Speicherung in Wäldern und Aufforstung | Wenn Raubtiere wie Wölfe die Zahl der Pflanzenfresser etwa Rehe in Schach halten binden Wälder mehr CO2. [3] Ausserdem kann man natürlich die Waldfläche vergrössern, indem man neue Wälder pflanzt oder geschädigte Wälder wieder herstellt. | Natur- und Artenschutz respektive Forstwirtschaft |
Erhöhung des CO2 Gehalts von Böden | Im Boden sind riesige Mengen CO2 gespeichert. Mit manchen landwirtschaftlichen Methoden lässt sich diese Menge erhöhen, mit anderen wird sie reduziert. Im Fall von trocken gelegten Sumpfgebieten lassen sich grosse Gewinne erzielen, indem man diese wieder flutet. | Landwirtschaft respektive Natur- und Artenschutz |
Biochar (Biokohle) | Hier wird erst Holz verkohlt und anschliessend untergepflügt. [4] Dadurch lässt sich CO2 im Boden speichern und die Qualität des Bodens verbessern. | Landwirtschaft |
Holz oder Bambus als Baumaterial nutzen | Derzeit werden an verschiedenen Orten der Welt die ersten Holzhochhäuser gebaut. [5] Diese nutzen dem Klima doppelt: Zum einen wird weniger Beton verbraucht und zum anderen ist im Holz CO2 gebunden. | Baustoffe |
BECCS | Erst werden pflanzliche Rohstoffe wie Holz (Bioenergie BE) verbrannt. Dann wird das resultierende CO2 abgeschieden und verpresst (CCS). | Energieerzeu-gung plus CCS |
Direct Air Capture (DAC) | Dies ist ebenfalls eine CCS Variante, nur dass hier das CO2 mit Filtern aus der Luft CO2 herausgefiltert wird. | |
Beschleunigtes Verwittern von Gestein | Wenn Gestein verwittert bindet es CO2. Dieser Prozess lässt sich beschleunigen indem man Gestein zu Pulver zermahlt und dann Regen aussetzt. Anschliessend kann man das Gesteinsmehl auf Äckern als Mineraldünger ausbringen oder ins Meer schütten, wo es auch bei natürlicher Verwitterung gelandet wäre. Dort wirkt der Gesteinsstaub der Versauerung der Ozeane entgegen. | Geo-Engineering |
Düngung des Meeres | Man könnte das Meer düngen etwa mit Eisenspäne. Dadurch würde das Pflanzenwachstum angeregt. Sterben die Pflanzen fallen sie zum Grund und das CO2 ist für Jahrtausende gespeichert. | Geo-Engineering |
Ausbringen von Alkali über Wolken oder Kalk im Meer | Wenn man Alkali über Wolken ausbringt, entsteht Alkaliregen, der der Luft CO2 entzieht. Düngt man das Meer mit Kalk bindet dieses CO2. Das würde der Versauerung der Ozeane entgegen wirken. | Geo-Engineering |
Weitgehend klar ist allerdings, dass selbst eine schnelle Reduktion aller Emissionen auf Null, wohl nicht mehr ausreicht, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Denn selbst für das Zwei-Grad-Ziel müssen die Emissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf unter-Null sinken. [4] Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss folglich der Atmosphäre noch sehr viel mehr CO2 entzogen werden. Doch bislang gibt es nur wenige Ideen, wie das im erforderlichen Umfang gelingen kann. Das grösste Potential hat derzeit das Verbrennen von ‚Bioenergie‘ (BE) wie etwa Holz in Kombination mit der ‚Abscheidung und Verpressung‘ (CCS) des CO2s in geeigneten Gesteinsformationen. Der Ansatz heisst kurz BECCS und ist umstritten: „Das Problem ist, dass man so viel Land mit Pflanzen zum Verbrennen bedecken müsste, dass nicht genug Platz bleibt für Nahrungsmittel und als Lebensraum für Wildtiere.“, sagt Peter Waldhams von der Universität Cambridge. [6] Doch es gibt weitere Technologien (siehe Tabelle oben) von Alkaliregen, über das Herausfiltern von CO2 aus der Luft bis hin zur beschleunigten Verwitterung von Gestein. Kurzfristig am sinnvollsten sind dabei die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern und die Wiederbewässerung trocken gelegter Sümpfe. Ob das reichen wird, sollten wir schon bald wissen: wenn der IPCC im Jahr 2018 seine Studie vorlegt. mic
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[1] UNFCCC, 04.05.2015: Report on the structured expert dialogue on the 2013–2015 review (PDF)
[3] Siehe weltinnenpolitik, 01.02.2016: Der Seeotter und das Klima
[4] Siehe weltinnenpolitik, 20.11.2015: Das Zwei-Grad-Ziel erfordert negative CO2 Emissionen
[5] Siehe weltinnenpolitik, 11.05.2016: In Wien soll das höchste Holzhochhaus der Welt gebaut werden
[6] Guardian, 06.08.2016: Scientists warn world will miss key climate target