Seit letzten September hat die Schweiz knapp 72 Tonnen Gold aus Venezuela importiert
Venezuela steht kurz vor dem Staatsbankrott. Um Schulden zu bedienen und Importe zu finanzieren, muss die Regierung in Caracas ihre Goldreserven zu Geld machen. Aber das kann sie nur im Ausland.
Die Schweizer Zollverwaltung führt Buch über Gold Im- und Exporte. Im Fall von Venezuela zeigen diese Zahlen erstaunliches: In den sechs Monaten von September 2015 bis Februar 2016 hat Venezuela knapp 72 Tonnen Gold in die Schweiz exportiert. [1] Die grösste Lieferung kam im Januar: über 35 Tonnen. Dabei ist Venezuela kein grosser Goldproduzent. Das US Geological Survey, eine Forschungsinstitut der US-Regierung, schätzt die Goldproduktion in Venezuela im Jahr 2012 auf zwölf Tonnen. [2] Voraussichtlich kommt das Gold daher von der venezoelanischen Nationalbank BCV. Darauf deutet auch ein weiterer Goldtransport in diesem Monat (März) hin. Die venezoelanische Internetseite ‚El Cooperante‘ hat den Frachtschein für diese Lieferung publiziert. [3] Absender ist die Nationalbank BCV. Empfänger ist die Zürcher Niederlassung von Brinks, ein Unternehmen, das auf den Transport von Wertsachen spezialisiert ist. Und die Fracht: 12,5 Tonnen „Goldbarren“ verteilt auf 318 „Pappkartons“.
Wegen des Ölpreisverfalls und der Wirtschaftspolitik von Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez und seinem Nachfolger Nicolas Maduro steht Venezuela kurz vor dem Staatsbankrott. Öl macht rund 95 Prozent der Exporte aus, doch der Preis für das ‚schwarze Gold‘ ist in den letzten zwei Jahren von 120 auf 40 Dollar pro Barrel (159 Liter) gefallen. Die Inflation in Venezuela wird dieses Jahr auf über 700 Prozent steigen, schätzt der Internationale Währungsfonds. [4] Und die Märkte gehen mittlerweile davon aus, dass Venezuela mit einer Wahrscheinlichkeit von 78 Prozent in den nächsten zwölf Monaten bankrott geht, wie der Preis von Kreditausfall-Swaps (CDS) zeigt. [5] Dies liegt nicht zuletzt an den schnell schwindenden Reserven. Venezuela braucht Geld um Importe zu finanzieren und Schulden zu begleichen. Gemäss Angaben der Nationalbank sind die Währungsreserven des Landes in den letzten zwölf Monaten von 21 auf noch 14 Milliarden Dollar gefallen. [6] Ein Gutteil davon ist Gold und das meiste liegt in Tresoren in der venezoelanischen Hauptstadt Caracas.
Im Jahr 2011 hat der damalige Präsident Hugo Chavez angeordnet, dass die Goldreserven nach Venezuela gebracht werden sollen. Anfang 2012 hatte das Land 316 Tonnen Gold in Caracas und weitere 50 Tonnen in London – total 366 Tonnen. [7] Das meiste des Londoner Golds hat die Bank aber mittlerweile als Pfand hinterlegt: Die venezoelanische Zeitung El Nacional berichtete im April letzten Jahres, dass 44 Tonnen Gold in London gegen einen Kredit über eine Milliarde Dollar an die US-Bank Citibank verpfändet wurden. [8] Damit blieb de facto nur noch das Gold in Caracas. Dieses lässt sich dort aber nicht ‚versilbern‘. Zum einen ist die Reinheit des Goldes nicht mehr garantiert, weil es den internationalen Goldmarkt verlassen hat. Zum anderen akzeptiert keine Bank Gold als Pfand, solange dieses physisch unter Kontrolle der Regierung Venezuelas ist. Um das Gold zu Geld machen zu können, muss die Zentralbank Venezuelas folglich Chavez‘ Goldrepatriierung rückabwickeln und das Gold wieder in Ausland bringen – etwa in die Schweiz.
Dies ermöglicht es abzuschätzen, wieviel Gold die BCV noch hat. Per Ende November 2015, der letzte Monat für den Daten vorliegen, weist die Nationalbank 296 Tonnen Gold aus. [9] Dies beinhaltet aber wohl auch das Gold, das mittlerweile von der Citibank kontrolliert wird. Als die BCV das Londoner Gold verpfändete, berichtete Reuters, dass die BCV „das Gold höchstwahrscheinlich in der Bilanz weiter als Teil der Reserven führen kann.“ [10] Dies wäre eine innovative Form der doppelten Buchhaltung: Denn so würde sowohl der Milliardenkredit als auch das Pfand in der Bilanz geführt. Wenn die BCV dies tatsächlich tut, hätte sie per Ende November in Wahrheit nur noch 252 Tonnen Gold zur freien Verfügung gehabt. Dank der Schweizer Zollverwaltung ist weiter bekannt, dass Venezuela seither 54 Tonnen in die Schweiz exportiert hat. [1] Das reduziert den Goldbestand auf noch 198 Tonnen. Rechnet man schliesslich die Märzlieferung in „Pappkartons“ mit ein, kommt man auf noch 186 Tonnen. [3] Seit Chavez ‚Gold-Heimholung‘ hätte sich somit die Hälfte des Goldes verflüchtigt.
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[4] Bloomberg, 22.01.2016: IMF Sees Venezuela Inflation Rocketing to 720 Percent in 2016
[5] Reuters, 05.02.2016: Exclusive: Venezuela central bank in talks with Deutsche Bank on gold swap
[6] Trading Economics, Stand 29.03.2016: Venezuela Foreign Exchange Reserves
[8] El Nacional, 24.04.2015: BCV empeñó oro de las reservas por $ 1 millardo
[9] Banco Central de Venezuela, 30.11.2015: Balance General (PDF)
Achtung: Die BCV weist nicht die Menge des Goldes sondern dessen Wert in ihrer Bilanz aus. Um die Goldmenge zu ermitteln habe ich mich an das Vorgehen von Ronan Manly vom Goldhändler BullionStar gehalten: Die BCV weist Gold im Wert von 69’147’656’000 Bolivares Fuertes (Man beachte die Ironie.) aus. Beim (artifiziellen) venezoelanischen Wechselkurs von 6.3 Bolivares zum Dollar entspricht dies 10’975’818’412 Dollar. Zur Bewertung ihrer Goldreserven benutzt die BCV das rollende Mittel der letzten neun Monate des Goldpreises in London. (Dieser findet sich hier und für die neun Monate bis November 2015 ist dies die Excel Tabelle.) Der mittlere Preis beträgt folglich 1152.5764 Dollar pro Feinunze Gold. Dies entspricht einem Preis pro Kilo von 37’056 Dollar. Hinter dem Wert der Goldreserven stehen also 296,2 Tonnen Gold.
[10] Reuters, 24.04.2015: Venezuela carries out $1 bln gold swap with Citibank -media