Berichten zufolge hat China 7000 bis 11 000 Soldaten in den pakistanischen Teil Kaschmirs verlegt
Kaschmir wird auch die Schweiz Südasiens genannt, dies allerdings nur wegen der Berge. Denn das ehemalige Bergfürstentum ist einer der Brennpunkte der Weltpolitik. Vier Kriege wurden bereits wegen Kaschmir geführt: drei zwischen Indien und Pakistan (1947, 1965 und 1999) und einer zwischen Indien und China (1962). Die drei Atommächte teilen sich denn auch die Kontrolle über das strategisch gelegene Gebiet an der Grenze zwischen Süd- und Zentralasien sowie China. Für Indien ist Kaschmir das Tor nach Afghanistan und weiter nach Zentralasien und für China ist Kaschmir das Tor zum Persischen Golf, denn durch den pakistanischen Teil Kaschmirs führt der Karakorum Highway KKH, die höchstgelegene internationale Strassenverbindung der Welt. Voll ausgebaut würde der KKH die Reisezeit von China zum Persischen Golf von 16 bis 25 Tagen auf 48 Stunden verkürzen. Doch der KKH ist seit Anfang dieses Jahres wegen eines Erdrutsches unterbrochen und wird derzeit mit chinesischer Hilfe repariert. Ausserdem ist eine Eisenbahnverbindung im Bau. Doch China hat nicht nur Bauarbeiter nach Kaschmir geschickt, sondern auch Soldaten, wie die New York Times NYT berichtet. 7000 bis 11 000 chinesische Truppen seien nun in Kaschmir stationiert. Pakistan und China dementieren diese Nachricht und Dehli bestätigt nur indirekt die Anwesenheit von 1000 Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Doch die NYT schreibt: „ Eine lautlose geoplitische Krise entwickelt sich im nordpakistanischen Grenzgebiet, wo Islamabad die de facto Kontrolle an China übergeben hat.“
Quelle: http://www.economist.com/node/16843717?story_id=16843717. Danke
Doch Indien beobachtet nicht nur die Situation in Kaschmir mit Sorge, denn China unterhält gute Beziehungen zu allen Nachbarstaaten Indiens:
- Burma: China ist traditionell der engste Verbündete und wichtigste Handelspartner der burmesischen Militärdiktatur. Derzeit wird eine Öl- und eine Gaspipeline von der burmesischen Küste nach China gebaut. Anlässlich eines Besuchs des burmesische Diktators Than Shwe in Peking in der letzten Woche, warnte die chinesische Regierung andere Länder vor einer Einmischung in dem südostasiatischen Land. Im November sollen dort Wahlen stattfinden, doch die Oppositionsführerin und Trägerin des Friedensnobelpreises Aung San Suu Kyi ist davon ausgeschlossen. Westliche Beobachter halten die Wahlen denn auch für eine Farce. Um die chinesisch-burmesiche Allianz zu festigen haben im August ausserdem chinesische Kriegsschiffe Burma besucht.
- Sri Lanka: Nach dem blutigen Ende des Bürgerkriegs mit den Tamilen fordern westliche Staaten eine Untersuchung, ob es zu Kriegsverbrechen gekommen ist. Die Regierung Sri Lankas lehnt dies ab. Die EU hat deswegen Sri Lanka Handelserleichterungen gestrichen. Doch den sri lankischen Präsidenten ficht das nicht an: Sein Land hat letztes Jahr 1,2 Milliarden Dollar von China erhalten, das dort unter anderem einen Tiefseehafen baut. Letzte Woche hat sich der Präsident ausserdem eine Verfassungsänderung genehmigen lassen: Er muss nach seiner zweiten Amtszeit nun nicht mehr zurücktreten, sondern kann unbegrenzt wiedergewählt werden.
- Pakistan: China ist Pakistans „All-Wetter-Freund“. China ist denn nicht nur in Nordpakistan aktiv, sondern baut dort auch mehrere Häfen. Ausserdem unterstützt China das pakistanische Atomprogramm: Pakistan hat von China hochangereichertes Uran sowie Pläne für Atomwaffen erhalten. Und vorletztes Jahr hat Peking den Bau von zwei weiteren Atomkraftwerken in Pakistan angekündigt.
Doch China pflegt nicht nur enge Beziehungen mit Indiens Nachbarn sondern hält auch die Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden asiatischen Giganten am köcheln. So erhebt China Anspruch auf einen grossen Teil des indischen Bundesstaates Arunachal Pradesh. Vor einigen Wochen hat es einem indischen Offizier, der dort stationiert ist, ein Chinavisum verweigert, mit der Bergründung, dass das Gebiet ja eigentlich zu China gehört. In einem Interview mit der Times of India sagte der indische Ministerpräsident Manmohan Singh denn auch: „Indien musste angemessene Vorkehrungen treffen, als Reaktion auf Pekings Nadelstiche in Kaschmir und in anderen Themen. Trotzdem darf Indien nicht die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der Angelegenheiten mit China aufgeben. China möchte einen Fuss in Südasien haben und wir müssen uns mit dieser Realität auseinandersetzen.“
Eine Option Indiens ist hier eine engere Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Staaten in Asien, insbesondere mit Japan, Südkorea und Taiwan. Mit Südkorea hat Indien Anfang diesen Jahres eine strategische Partnerschaft vereinbart und der indische Verteidigungsminister hat vor zehn Tagen Seoul besucht. Und mit Japan hat Indien bereits vor drei Jahren ein Seemanöver durchgeführt, an dem auch Schiffe aus den USA, Australien und Singapur teilgenommen haben. Ein indischer Experte empfiehlt derweil eine engere Kooperation mit Taiwan und Vietnam: „Das chinesische Geschenk von zwei Atomkraftwerken an Pakistan, sollte von Indien mit eine engeren Zusammenarbeit mit Taiwan und der Aktivierung des indisch-vietnamesischen Nuklearabkommens beantwortet werden.“
Wie beim Streit um das südchinesische Meer (siehe “China öffnet die Büchse der Pandora”) könnten Chinas Aktivitäten rund um Indien, so zu einer engeren Kooperation zwischen Chinas Nachbarstaaten untereinander und mit den USA führen. Wer schliesslich wen einkreist, ist also noch offen. mic
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