Peking reklamiert das ganze südchinesische Meer für sich
Bislang erhielt Peking viel Lob für sein behutsames Auftreten auf der Weltbühne. Am besten beschreibt wohl der Titel eines Buches aus dem Jahre 2007 den damaligen chinesischen Ansatz: „Die Charme Offensive – Wie Chinas Soft Power die Welt verändert“. Das Resultat: „Die meisten Länder der Region sehen China als guten Nachbarn, guten Zuhörer und als eine nicht-bedrohliche Regionalmacht.“ Doch damit dürfte es vorbei sein. China macht seinen Nachbarn Angst.
Anlass sind die vielen ungelösten Territorialkonflikte im südchinesischen Meer (siehe Karte). Auf die unbewohnten Spratly und die Paracelsus Inseln sowie die angrenzenden Seegebiete erheben China, Taiwan, Vietnam, die Philippinen, Malaysia Indonesien und Brunei territoriale Ansprüche. Das ist schon lange so, und die Länder hatten sich im Jahre 2002 darauf geeinigt die Konflikte friedlich beizulegen. Doch im März diesen Jahres änderte China plötzlich seine Politik: Es erklärte das südchinesische Meer und die dortigen Inseln zu einem „zentralen nationalen Interesse“ vergleichbar mit Taiwan oder Tibet. In der feinziselierten Sprache der Diplomatie bedeutet das Gefahr. Denn zur Verteidigung eines zentralen nationalen Interesses ist ein Staat auch bereit Gewalt einzusetzen.
Die Karte zeigt, dass der chinesische Gebietsanspruch im südchinesischen Meer keine Rücksicht auf konkurrierende Gebietsansprüche oder die 200 Meilenzone der anderen Anrainerstaaten nimmt. Quelle: BBC
Die Antwort Amerikas kam postwendend: Die friedliche Beilegung der Territorialkonflikte im südchinesischen Meer sei ein nationales Interesse Amerikas, erklärte die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton anlässlich eines Treffens der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi im Juli diesen Jahres. Darüberhinaus bot Clinton den beteiligten Ländern amerikanische Vermittlung zur Beilegung der Streitigkeiten an. Der chinesische Aussenminister qualifizierte dieses Angebot als „Angriff“ auf China und lehnt jede Internationalisierung der Gebietsstreitigkeiten strikt ab. Und um den Worten Nachdruck zu verleihen, führt China ein ausserplanmässiges Marinemanöver im südchinesischen Meer durch. Doch Amerika gibt sich unbeeindruckt: Im August besucht der Flugzeugträger USS George Washington Vietnam. Es ist der erste Besuch eines US Flugzeugträgers in dem kommunistischen Land seit dem Ende des Vietnamkriegs.
Doch das ist nicht alles: Wenige Wochen zuvor hatte die USS George Washington an einem Manöver mit der südkoreanischen Marine teilgenommen. Und bei einem Besuch in Indonesien hat der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates angekündigt, die US Armee wolle in Zukunft wieder mit der indonesischen Spezialeinheit Kompassus zusammenarbeiten. Zudem besuchen amerikanische Diplomaten die verschiedenen Asean Länder. Zusammengenommen handle es sich um den „umfangreichsten Ausbruch diplomatischer und militärischer Aktivitäten einer US Regierung in Asien und insbesondere in Südostasien für Jahrzehnte“ sagt Douglas Paal vom Carnegie Endowment, einem US Think Tank. China hat erreicht, was Amerika schwer gefallen wäre: Die Länder Südostasiens suchen Schutz in Washington. Oder um es mit Lee Kuan Yew, dem Gründervater von Singapur, zu sagen: „China ist so gross, dass es dem Rest von Asien in 20 bis 30 Jahren unmöglich sein wird, Chinas Gewicht und Möglichkeiten zu begegnen. Daher brauchen wir Amerika, um das Gleichgewicht zu halten.“ Und an die Adresse der Amerikaner gerichtet: „Das 21. Jahrhundert wird ein Wettbewerb um die Vorherrschaft im Pazifik sein, denn dort ist das Wachstum. Wenn ihr eure Position im Pazifik nicht haltet, dann könnt ihr nicht der Führer der Welt sein.“
Doch Amerika ist bereit seine Position zu verteidigen. Denn auch Amerika hat seine Politik geändert. Zu Beginn seiner Präsidentschaft hat Barack Obama versucht, eine besonders enge Beziehung mit China zu entwickeln. Er hatte gehofft, China so überzeugen zu können, verantwortlicher auf der Weltbühne aufzutreten. Doch China hat die ausgestreckte Hand ignoriert. Bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen im Dezember letzten Jahres hat es ein Abkommen beinahe scheitern lassen. Dann hat China mit Pakistan die Lieferung von zwei Atomkraftwerken vereinbart. Im UN Sicherheitsrat hat Peking versucht die neue Runde an Iran Sanktionen zu verwässern. Und schliesslich konnte sich China nicht dazu durchringen, Nordkorea für die Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffs zu tadeln. Kurz, China hat klargemacht, dass es sich weniger als Partner denn als Konkurrent sieht. Und so hat Amerika seine Politik angepasst. Statt China Brücken zu bauen, zeigt es Peking jetzt seine Grenzen auf. Dass viele in Asien darin eine neue Eindämmungsstrategie erkennen, verwundert derweil nicht, schreibt der Economist. Denn in Washinton sähen dies viele ähnlich.
Die neue chinesische Aussenpolitik stösst also ganz offensichtlich auf Gegenwehr. Doch was hat Peking veranlasst seine vielgelobte Charme Offensive abzubrechen und sehr viel dominanter aufzutreten? Ein US Regierungsmitarbeiter, der von Foreign Policy Magazin zitiert wird, vermutet einen Machtkampf: „Es gibt viele innerhalb des chinesischen Systems, die eine zunehmend harte Haltung einnehmen und sagen: ‚Jetzt sind wir dran.’ Derweil sagt eine andere Fraktion über die USA: ‚Unterschätzt sie nicht. Wir brauchen sie noch eine Weile.’ Ein anderer US Vertreter glaubt derweil, China sei einfach überfordert: „Deren System hat Schwierigkeiten mit den vielen verschiedenen Aspekten der amerikanisch-chinesischen Beziehung. Ein Gefühl von Überlastung verkompliziert den ganzen Prozess.“ Und die ehemalige japanische Verteidigungsministerin Yuriko Koike schreibt bei Project Syndicate: „Im Jahr 2005 haben Chinas Führer angekündigt eine ‚harmonische Welt’ anzustreben und sich freundschaftliche Beziehungen mit allen Ländern zum Ziel gesetzt. Doch im Jahr 2008 hat das Zentralkomitee der kommunistischen Partei erklärt, dass ‚die Aussenpolitik die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern habe.’“ Und so vermutet Koike, dass es Peking im südchinesischen Meer schlicht, um die dort vermuteten Öl- und Gasvorkommen geht. Denn die umstrittenen Inselchen haben nicht nur einen strategischen Wert, sondern vor allem auch einen wirtschaftlichen. Dennoch bleibt der Eindruck, dass sich Peking verrechnet hat. Nicht überall sind amerikanische Flugzeugträger derart willkommen wie bei Chinas Nachbarn rund um das südchinesische Meer. mic
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