Kohle ist dreckig aber billig und fast unbegrenzt verfügbar
China ist Windkraftweltmeister. Das Land produziert mittlerweile mehr Windturbinen und Solarkraftanlagen als jedes andere. Letztes Jahr hat China doppelt soviel Geld in erneuerbare Energien investiert wie die USA. Chinesische Unternehmen drängen mit Macht in den Markt für grüne Technologien. Dabei geht es der chinesischen Regierung aber weniger um Klimaschutz oder Industriepolitik, sondern in erster Linie um eine Verbesserung der Versorgungssicherheit. Das schnelle Wirtschaftswachstum geht einher mit einem immer grösseren Energiehunger, der aber zu einem immer kleineren Teil aus einheimischen Quellen gesättigt werden kann. Während China noch in den 90er Jahren Öl exportiert hat, ist es mittlerweile der grösste Kunde Saudi Arabiens. Doch Importe aus dem Persischen Golf sind problematisch. Der Iran droht immer wieder mit einer Schliessung der Strasse von Hormuz, vor der afrikanischen Küste lauern somalische Piraten und die Malakkastrasse wird von den USA kontrolliert. Daher sollte „die Energieversorgung dort sein, wo man seinen Fuss draufsetzen kann“ zitiert die New York Times den chinesischen Energiespezialisten Li Junfeng. Ein möglichst grosser Teil des Energieverbrauchs soll also im Inland produziert werden.
Doch davon profitieren nicht nur die erneuerbaren Energien sondern auch Kernkraft und Kohle. China will in den nächsten zehn Jahren mehr Atomkraftwerke bauen als jedes andere Land. Und jede Woche gehen zwei neue Kohlemeiler ans Netz. Denn Kohle hat das Reich der Mitte im Überfluss. Nach den USA und Russland sitzt es auf den drittgrössten Reserven. Zwei Drittel des Stroms wird mit Kohle erzeugt, weswegen China mittlerweile mehr CO2 produziert als die USA. Aber nicht nur in China wächst der Kohleverbrauch unablässig. Kohle ist weltweit der am schnellsten wachsende fossile Energieträger. Der Kohleverbrauch steigt doppelt so schnell wie der Verbrauch von Erdgas und viermal schneller als der Ölverbrauch. Peabody Energy, der grösste Kohleproduzent der Welt, sieht die Industrie denn auch vor einem „langfristigen Superzyklus“. „Es ist erstaunlich, dass ein altbekannter Rohstoff wie Kohle in zehn Jahren um fast 50 Prozent wachsen kann. Dies spricht für die grosse Verfügbarkeit und niedrigen Kosten.“ sagt Gregory Boyce, der Chef von Peabody Energy. Und die Zahlen untermauern seine Sicht der Welt: Seit 1970 hatte Kohle nie einen höheren Anteil am Welt-Energiemix als heute, schreibt BP in seinem Energiestatistikjahrbuch. Und dieses Jahr gehen neue Kohlemeiler mit einer Kapazität von 94 Gigawatt ans Netz. Diese verfeuern 375 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr. Bis ins Jahr 2030 wird der Kohleverbrauch so um 48 Prozent auf knapp zehn Milliarden Tonnen zunehmen, schätzt die Internationale Energie Agentur IEA.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit klein, dass in naher Zukunft ein Grossteil der von Kohlemeilern produzierten CO2 Emissionen abgesondert und unterirdisch verpresst wird. Die auf englisch als Carbon Capture and Storage kurz CCS bekannte Technologie befindet sich noch im Stadium der Versuchsanlagen. Um die CCS Entwicklung voranzutreiben, wurde auf dem G8 Gipfel 2005 in Gleneagles beschlossen, diese Technologie weltweit zu fördern und Regierungen haben 26 Milliarden Dollar an Fördermitteln versprochen. Dennoch dürften selbst im Jahr 2030 nur drei bis fünf Prozent der Kohlekraftwerke mit CCS ausgestattet sein, schreiben David Victor und Richard Morse im Boston Review. Das Hauptproblem ist der Preis. CCS verteuert die Stromproduktion um rund ein Viertel. Ausserdem verbraucht der CO2 Abscheidungsprozess selber Energie, wodurch der Kohlehunger weiter steigt. Und so steht nicht nur die Kohleindustrie vor einem neuen „Superzyklus“ sondern wohl auch das Weltklima.
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