Neu beteiligen sich auch Entwicklungsländer zumindest indirekt an Klimafinanzierung
Die UN-Klimakonferenz in Baku galt als die schwierigste seit Jahren, denn es ging um Geld. Doch trotz des widrigen geopolitischen Umfelds haben sich die Länder geeinigt: Mit einem Grundstock von 300 Milliarden Dollar pro Jahr sollen Investitionen von jährlich 1300 Milliarden ermöglicht werden.
Die Klimakonferenz in Baku endete mit diplomatischem Feuerwerk. Am Sonntagmorgen um halb drei begann mit 38 Stunden Verspätung das Abschlussplenum. Dort rief Mukhtar Babayev, der Präsident der 29. UN-Klimakonferenz (COP29), den Agendapunkt zum neuen Ziel für die Klimafinanzierung auf. Ohne Aufzuschauen erklärte er das vorliegende Dokument für angenommen. So „übersah“ er, dass sich Indien eigentlich zu Wort gemeldet hatte. Nach Annahme des Finanzbeschlusses beschwerte sich denn auch die indische Diplomatin: „Es tut mir Leid, aber wir können das nicht akzeptieren“, sagte sie, zu Applaus aus dem Saal. „Dieses Dokument ist nichts anderes als eine optische Illusion.“ Trotz ihres Protests und der einiger anderer Länder wurde so ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung verabschiedet.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra lobte den Beschluss, damit breche eine „neue Ära der Klimafinanzierung“ an. Das neue Ziel von 300 Milliarden Dollar sei deutlich höher als das alte von 100 Milliarden und erlaube, noch viel grössere Summen an privatem Kapital zu hebeln. „Es liegt viel mehr privates Geld auf dem Tisch. Das ist das, was wir brauchen.“ Mit letzterem hat Hoekstra zweifellos recht: Wenn die Klimaerwärmung bei deutlich unter zwei Grad gestoppt werden soll, müssen riesige Beträge in den Entwicklungsländern investiert werden. Der Beschluss von Baku zielt daher darauf ab bis 2035 diese Investitionen auf 1300 Milliarden pro Jahr zu steigern. In dieser Summe sind allerdings öffentliche und private Investitionen der Entwicklungsländer selbst, private Investitionen aus dem Ausland, Kredite etwa von Entwicklungsbanken und schließlich die eigentliche Klimafinanzierung der Industriestaaten enthalten.
Die 300 Milliarden sind davon also nur ein relativ kleiner Teil, der Kern des größeren Globalziels. Im Gegensatz zum alten 100-Milliarden-Ziel müssen die 300 Milliarden zudem nicht allein von den Industriestaaten „mobilisiert“ werden. Zum einen werden Klimahilfen von einem ans andere Entwicklungsland auf das 300-Milliarden-Ziel angerechnet. Und zum anderen wird die gesamte Klimafinanzierung der Entwicklungsbanken als Beitrag zum 300-Milliarden-Ziel gewertet. Da alle Länder dieser Welt Aktien von Entwicklungsbanken wie der Weltbank besitzen, tragen so auch alle Entwicklungsländer zur Klimafinanzierung bei. Linda Kalcher vom Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives lobte dieses Konstrukt. Dieses sei eine „Trendwende“, denn „die öffentliche Finanzierung durch eine wachsende Zahl von Geldgebern und neue Finanzierungsformen werden dazu beitragen, 1300 Milliarden Dollar bis 2035 freizusetzen“.
Beim Agendapunkt zu den Emissionsreduktionen ging das Feuerwerk dann gleich weiter. Felix Wertli, der Schweizer Delegationsleiter, sagte für eine Gruppe von sechs Länder: „Wir bedauern, dass der Entwurf deutlich verwässert wurde. Wir sind besorgt über die Versuche, von den im letzten Jahr eingegangenen Verpflichtungen abzurücken.“ Konkret geht es hier um die „Abkehr von fossilen Energien“ auf die sich die Länder letztes Jahr geeinigt hatten. Drei weitere Ländergruppen meldeten sich dann ebenfalls zu Wort und unterstützten die Schweizer Position. Babajev schlug daraufhin vor, den Beschluss „angesichts der Bedenken“ vieler Länder auf das kommende Jahr zu vertagen. Dann findet die Klimakonferenz in Brasilien statt und dort dürfte die Abkehr von den Fossilen wieder bessere Chancen haben. In Baku hatte sich Saudi-Arabien massiv dafür eingesetzt, diese Formulierung aus allen Texten zu entfernen – mit Unterstützung Aserbaidschans. In Baku tauchte ein Dokument der COP-Präsidentschaft auf, das von einem saudi-arabischen Diplomaten bearbeitet worden war.
Auf Brasilien kommt nun die Aufgabe zu, einen großen Schritt beim Ausstieg aus den Fossilen zu bewerkstelligen. Nächstes Jahr müssen alle Länder neue Klimapläne einreichen, die aufzeigen, wie stark die Emissionen bis 2035 sinken werden. „Der Lackmustest für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wird sein, ob die vorzulegenden nationalen Klimapläne klare Wege zur Reduzierung des Kohle-, Öl- und Gasverbrauchs aufzeigen.“ Und dann kommt es auf den Spielraum für Investitionen an, der Entwicklungsländern zur Verfügung steht. Die Verabschiedung des neuen Finanzziels war daher eine entscheidende Voraussetzung für einen Erfolg in Brasilien. Doch nun muss das neue Konstrukt auch beweisen, dass tatsächlich eine neue „Ära“ in der Klimafinanzierung angebrochen ist.
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