Entwicklungsländer brauchen 1000 Milliarden Dollar an internationaler Klimafinanzierung pro Jahr
Die Folgen der Klimakrise werden immer dramatischer. Doch die Erwärmung lässt sich stoppen, wenn – wenn – überall auf der Welt massiv investiert wird. Viele Entwicklungsländer brauchen dabei aber finanzielle Unterstützung.
Noch nie hat eine UN-Klimakonferenz in einem so ungünstigen Umfeld begonnen wie dieses Jahr. Wenn am Montag in Aserbaidschans Hauptstadt Baku die 29. Konferenz (COP29) beginnt, ist klar, dass die USA wieder aus dem Paris Abkommen austreten werden. Gleichzeitig ist die neue EU-Kommission noch nicht im Amt und im größten EU-Mitgliedsland die Regierungskoalition kollabiert. Und dann sind da natürlich noch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Allein das reicht, um von einem „Test für den Multilateralismus“ zu sprechen. Doch selbst ohne die geopolitischen Turbulenzen wäre COP29 ein solcher Test gewesen, denn dort geht es – um Geld.
Vor 15 Jahren haben die Industriestaaten versprochen, in den Jahren 2020 bis 2024 jeweils 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen für die Entwicklungsländer zu „mobilisieren“. Dieses Versprechen wurde dann auch mit zwei Jahren Verspätung eingehalten. In Baku geht es nun darum, ein neues Finanzziel für die kommenden Jahre zu vereinbaren, das sich an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientiert. Und diese sind enorm wie eine Studie im Auftrag der letzten beiden COPs zeigt: Ab dem Jahr 2030 brauchen die Entwicklungsländer (ohne China) 2400 Milliarden pro Jahr, um ihre Emissionen zu senken, sich an die Klimaerwärmung anzupassen und um Schäden und Verluste in Folge der Klimakrise zu bewältigen. [1]
1400 Milliarden werden die Regierungen und die Kapitalmärkte der Entwicklungsländer selbst aufbringen können. Damit verbleiben 1000 Milliarden an „internationaler Finanzierung“. Ein Teil davon werden Kredite von Entwicklungsbanken, private Investitionen etwa in Solarparks und Mittel aus „innovativen Quellen“, etwa einer Abgabe auf Schiffsdiesel sein. Doch auch dann bleibt noch ein Finanzbedarf von mehreren hundert Milliarden Dollar pro Jahr, der letztlich von den Industriestaaten aufgebracht werden muss. Doch was ist ein Industriestaat? Im Rahmen der UN-Klimakonvention regelt „Anhang 2“, welche Länder das sind: die USA, Kanada, Westeuropa, Japan und Australien. Total 23 Länder plus die EU.
Diese Länder wollen aber nicht länger als einzige zahlen, denn die Klimakonvention sei 32 Jahre alt und die Welt habe sich seither verändert. Im Verhandlungsmandat der EU-Delegation steht daher: Die EU „unterstreicht die Notwendigkeit einer Erweiterung des Kreises der Beitragszahler als Voraussetzung für ein ehrgeiziges Finanzziel“. [2] Außenministerin Annalena Baerbock hat auch eine Idee, wer neu zu den Geberländern gehören sollte: „Starke Volkswirtschaften haben starke Verantwortungen“ sagte sie im April. [3] Und auch die „größten Emittenten von heute“ sollten sich finanziell beteiligen. Damit rücken Länder wie China oder Saudi-Arabien in den Blick. Doch diese lehnen das ab. Chao Feng, Chinas Verhandlungsführer für Finanzen, sagte als Antwort auf Baerbock: „Wir werden eine Neuverhandlung der Beitragszahler und der Empfänger nicht in Betracht ziehen.“
Hinzu kommt das US-Wahlresultat: Als größte Volkswirtschaft der Welt und als historisch größter CO2-Emittent müssten die USA rund 40 Prozent zum neuen Finanzziel beitragen. [4] Doch wenn diese nächstes Jahr aus dem Paris Abkommen austreten, fällt der größte Beitragszahler weg. Zudem kann die neue US-Regierung verhindern, dass im Rahmen anderer Organisationen „innovative Quellen“ für die Klimafinanzierung erschlossen werden. Weder eine Abgabe auf Schiffsdiesel, noch auf Flugbenzin lässt sich ohne die USA durchsetzen. Das gleiche gilt für eine Mindestbesteuerung von Milliardären. Selbst eine Kapitalerhöhung für die Weltbank ist ohne Zustimmung der USA nicht möglich, da diese als größter Aktionär dort de facto ein Vetorecht haben. All das kann auch ein erweiterter Geberkreis nicht kompensieren.
Wann über die kniffligen Finanzthemen gesprochen werden kann, ist aber noch unklar, denn es zeichnet sich ein Streit um die Agenda der Konferenz ab: China, Indien, Brasilien und Südafrika wollen einen Agendapunkt zu handelspolitischen Klimamaßnahmen wie dem CO2-Grenzausgleich der EU. Dabei handelt es sich um eine Art Zoll auf besonders CO2-intensive Produkte wie Stahl und Aluminium. Damit soll ausgeglichen werden, dass EU-Produzenten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems einen CO2-Preis bezahlen. Aus Sicht der vier Länder sind solche Maßnahmen aber Protektionismus „unter dem Deckmantel von Klimazielen“. [5] [9] Für Aaron Cosbey vom kanadischen Thinktank IISD ist die Forderung nach diesem Agendapunkt allerdings „explosiv“ und es könnte zu einem tagelangen Streit um die Agenda kommen: „Das Potenzial, dass diese Fragen den Fortschritt auf der COP zum Entgleisen bringen, ist sehr real“.
Es gibt allerdings auch weniger kontroverse Themen: Das Gastgeberland Aserbaidschan will, dass die Länder sich dazu verpflichten, die Kapazität der Energiespeicher bis 2030 auf 1500 Gigawatt zu versechsfachen und ihre Stromnetze auszubauen. [6] Dieses Ziel würde ein Ziel aus dem letzten Jahr ergänzen: Damals haben die Länder zugesagt, die Kapazität der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen. Beide Ziele beruhen auf Forderungen der Internationalen Energieagentur (IEA). 90 Prozent der zusätzlichen Speicher werden Batterien sein. Deren Preis ist in den letzten 15 Jahren um 90 Prozent gefallen. Zudem sind sie schnell verfügbar: „Batteriespeicher können in wenigen Monaten und an den meisten Standorten gebaut werden“, schreibt die IEA. [7] In Deutschland passiert das bereits: „Wir werden gerade überrollt von einem Tsunami an Anschlussbegehren” für Großbatterien, sagte Thomas Dederichs vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion im Oktober. [8]
Initiativen des Gastgeberlandes wie die zu Erneuerbaren oder Speichern sind allerdings nicht Teil der eigentlichen Verhandlungen. Wenn die Länder den Multilateralismustest bestehen wollen, kommt es auf die formellen Beschlüsse an und dieses Jahr auf den Beschluss zur Finanzierung, also um Geld.
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[3] ClimateHome, 25.04.2024: Tensions rise over who will contribute to new climate finance goal
[4] CDG, 01.11.2023: Who Should Pay? Climate Finance Fair Shares (PDF)
[5] ClimateHome, 06.11.2024: Emerging economies set up COP29 agenda fight over trade measures
[7] IEA, April 2024: Batteries and Secure Energy Transitions (PDF)
[8] Montel, 29.10.2024: ÜNB verzeichnen 161 GW an Batterie-Anschlussanfragen
[9] BASIC, 05.11.2024: Submission by CHINA on behalf of the BASIC Group (PDF)