Europa kann auch nicht führen

Umweltminister können sich nicht auf Emissionsreduktion um 30 Prozent einigen

“Die Chinesen wollen nicht führen und die Amerikaner können es nicht.” hat der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen nach den Klimaverhandlungen in Kopenhagen gesagt. Letzten Samstag hatten die europäischen Umweltminister bei einem Treffen in Sevilla die Gelegenheit die Führung in der internationalen Klimapolitik zu übernehmen. Doch sie können es auch nicht. Sie sind sich nicht einig.

Gemäss dem „Abkommen“ von Kopenhagen müssen die Länder bis Ende Januar ihre Klimaschutzmassnahmen an das UN Klimasekretariat in Bonn melden. Für die Europäer stellt sich hier die Frage, ob sie sich zu einer Reduktion ihrer CO2 Emissionen um 20 oder um 30 Prozent verpflichten sollen. Bislang hat Europa 20 Prozent geboten und 30 Prozent nur, wenn andere Länder sich zu ähnlich ehrgeizigen Zielen verpflichten. Dies haben die USA, China etc. nicht getan. Trotzdem wollen viele Länder, dass sich die EU zu 30 Prozent verpflichtet. Dafür gibt es gute Gründe:

  • Das 20 Prozent Ziel sei nicht mehr wirklich ambitioniert, sagt Röttgen. „Dank“ der Wirtschaftskrise sind die Emissionen in Europa stärker gefallen als erwartet. Gemäss den Klimaaktivisten der britischen Organisation Sandbag lagen die EU Emissionen im Jahr 2008 bereits 10,7 Prozent unter dem Niveau von 1990 und 2009 ist mit einem weiteren Rückgang zu rechnen.
  • Die Studie “The Economics of Decarbonization“ hat gezeigt, dass es sich für Europa lohnt, ambitionierte Klimaschutzmassnahmen zu ergreifen, selbst wenn die anderen Länder gar nichts machen. Der Vorteil liegt darin, dass die Forschung stimuliert wird, und klimaschädliche Investitionen vermieden werden.
  • Europa muss seine Emissionen bis ins Jahr 2050 um 95 Prozent senken, wenn sich das Klima, um nicht mehr als zwei Grad erwärmen soll. Die Studie „Vom Ziel her denken“ zeigt, dass dies nicht nur möglich sondern auch bezahlbar ist. Damit eine derart drastische Reduktion innert vierzig Jahren gelingen kann, muss man aber mit einem ehrgeizigen Ziel für das Jahr 2020 anfangen. Ansonsten müssten anschliessend unrealistisch hohe Emissionssenkungen erreicht werden.
  • Das europäische Emissionshandelssystem braucht klare und anspruchsvolle Vorgaben. Der EU Umweltkommissar Stavros Dimas meinte denn auch, stärkere Emissionsreduktionen würden zu einem Anstieg des CO2 Preises führen, der gegenwärtig zu tief sei, um den nötigen Anreiz zum Einsatz klimafreundlicher Technologien zu setzen.
  • Und schliesslich geht es natürlich auch um Industriepolitik: Der belgische Klimaminister Paul Magnette sagte, das 30 Prozent Ziel verschaffe europäischen Firmen einen „first mover advantage“ bei der Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft. „Wenn wir beim 20 Prozent Ziel bleiben, riskieren wir, die Chance für tiefgreifenden industriellen Wandel zu verpassen.“

Doch diese Gründe reichen den Polen, Italienern und Ungarn nicht. Sie lehnen eine Erhöhung des europäischen Reduktionsziels auf 30 Prozent ab, da sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchten. Ihnen gegenüber stehen Deutschland, England, Frankreich und die Niederlande, die sich für das 30 Prozent Ziel stark machen. Die Europäer bleiben somit bei ihrer Position, dass sie ihre Emissionen nur dann um 30 Prozent senken, wenn andere Länder vergleichbare Anstrengungen unternehmen. Ob die Europäer so Washington und Peking zu weitergehenden Zugeständnissen bringen können, ist dabei mehr als fraglich. Schon in Kopenhagen haben sich die G2 nicht für die Anliegen der Europäer interessiert. Im Gegenteil: Bei der Alles entscheidenen Sitzung waren die Europäer noch nicht einmal dabei. Doch auf einen Strategiewechsel können sich die Europäer (noch?) nicht einigen. Damit schaden sie nicht nur dem Klima, sondern begnügen sich auch weiter mit einer Zuschauerrolle in der internationalen Klimapolitik.

Eine spannende Entwicklung gab es derweil auf einem ganz anderen Gebiet, dem des internationalen Umweltrechts: Mikronesien versucht den Bau eines Kohlekraftwerks in Tschechien zu verhindern. Der Inselstaat verlangt ein Grenzübergreifendes Impact Assessment für die Anlage und argumentiert, dass durch die CO2 Emissionen des Kohlemeilers der Klimawandel angeheizt wird, was zur Überflutung von ganz Mikronesien führen kann. Das Rechtsmittel der „Transboundary Environmental Impact Assessments“ wurde in der Vergangenheit nur zwischen benachbarten Staaten angewandt und nicht zwischen Ländern, die 12 000 Kilometer voneinander entfernt sind. Der Vorstoss Mikronesiens eröffnet denn auch „eine neue Phase im Umweltrecht“ sagt Tim Malloch, Anwalt der Londoner Kanzlei ClientEarth. Ob der innovative Ansatz der Insulaner von Erfolg gekrönt ist, könnte sich schon bald zeigen: Das tschechische Umweltministerium soll diese Woche seine Entscheidung bekannt geben. mic

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