Noch lässt sich eine Klimakatastrophe abwenden

Neuer Bericht des Weltklimarats zeigt, dass sich die Emissionen schnell genug senken ließen

Die Emissionen müssen bis 2030 halbiert werden und im Jahr 2050 netto-null erreichen. Das geht auch bei einer weiter wachsenden Weltwirtschaft und würde sich wahrscheinlich sogar rechnen, da dann Klimaschäden vermieden werden.

So lange haben die Verhandlungen über die „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ eines Berichts des Weltklimarats IPCC noch nie gedauert. Erst Sonntagnacht waren sich die Vertreter der 195 IPCC-Mitgliedsstaaten schließlich einig. Welche Länder und Themen für die über zweitägige Verspätung verantwortlich waren, ist allerdings noch nicht bekannt. Das zweistufige Vorgehen des IPCC, bei dem erst Wissenschaftler einen mehr als tausendseitigen Bericht verfassen und dann Diplomaten die gut 60-seitige Zusammenfassung aushandeln, habe zwei Vorteile sagte der Co-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Ottmar Edenhofer: Alle Länder müssten so den zugrundliegenden Bericht im Detail durchgehen und erkennen dessen Inhalt durch die Verabschiedung schließlich offiziell an.

Der gestern (Montag) erschienene Bericht beschreibt, was die Menschheit tun muss, um den Klimawandel zu stoppen. Kurz, es geht um die Minderung der Emissionen, was wohl für die kontroversen Verhandlungen mitverantwortlich ist. Der Bericht ist der dritte Teil des sechsten Sachstandberichts des IPCC und stellt die wissenschaftlichen Erkenntnisse seit Erscheinen des fünften Berichts im Jahr 2014 dar. Der neue Bericht wartet denn auch mit einigen Neuerungen auf: Er geht stärker auf die Rolle von nicht-staatlichen Akteuren wie Unternehmen und Finanzinstitute ein. Er enthält zum ersten Mal ein Kapitel zur Nachfrage nach Energie und energieintensiven Gütern und er beleuchtet die sozialen Aspekte des Umbaus unserer Gesellschaften viel detaillierter als bislang. „Die Wissenschaft zeichnet die Landkarte mit allen Gefahrenstellen und Wegen, damit die Politik faktenbasiert entscheiden kann“, sagte Edenhofer.

Raubtierinstinkt. Wenn eine Klimakatastrophe noch verhindert werden soll, müssen auch Finanzmärkte mitspielen. (Foto: Alankitassigments / Wikimedia)
Raubtierinstinkt. Wenn eine Klimakatastrophe noch verhindert werden soll, müssen auch Finanzmärkte mitspielen. (Foto: Alankitassigments / Wikimedia)

Der Ausgangspunkt dabei ist die Entwicklung der Emissionen, die noch immer steigen, und die bestehenden Klimaschutzmaßnahmen. Diese reichen nicht, um die Erwärmung bei zwei geschweige denn bei 1,5 Grad zu stoppen. Dazu müssen die globalen Emissionen in den nächsten drei Jahren ihren Höhepunkt erreichen, bis zum Jahr 2030 rund halbiert werden und im Jahr 2050 auf netto-null sinken. Der Bericht macht deutlich, dass das noch möglich ist – bei tragbaren Kosten: Alle durchgerechneten Szenarien gehen davon aus, dass die Wirtschaft weiter wächst. „Wenn wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Erwärmung auf zwei Grad oder weniger zu begrenzen, würde das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2050 nur um wenige Prozentpunkte niedriger ausfallen“, sagte Priyadarshi Shukla, einer der Co-Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat, und das “ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus geringeren Anpassungskosten oder vermiedenen Klimaauswirkungen ergeben“.

Einzelne, isolierte Maßnahmen reichen allerdings nicht, um die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, der auch die institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen mitberücksichtigt, kann der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft gelingen. Zentral sind hier auch die Finanzmärkte, denn noch sind die Finanzflüsse um einen Faktor drei bis sechs niedriger als es bis 2030 nötig wäre. „Es geht darum die riesigen Finanzflüsse dieser Welt zu nutzen, dass sie helfen, unsere Zukunft zu sichern statt sie zu gefährden“, sagte Kerstin Lopatta von der Universität Hamburg. Dazu müssten Unternehmen standardisiert über ihre Emissionen berichten sowie über die Klimarisiken, denen sie ausgesetzt sind. Derzeit arbeiten diverse Gremien an Standards für diese Berichte.

Aber selbst mit einer viel effektiveren Klimapolitik wird die Menschheit in Zukunft der Atmosphäre CO2 entziehen müssen. Dies liegt einerseits in der Natur der „Netto-Null-Ziele“, bei denen es noch Restemissionen gibt, die aber anderweitig ausgeglichen werden. Außerdem könnte die Erwärmung die 1,5-Grad-Grenze zeitweise überschreiten. Zur CO2-Entnahme stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die allerdings alle eine begrenzte Kapazität haben. Am wenigsten kontrovers sind die Aufforstung geeigneter Flächen und die Wiedervernäßung von Mooren. Richtig gemacht, lassen sich damit auch Vorteile für die Artenvielfalt erzielen. Schwieriger ist schon BECCS. Hier wird Bioenergie (BE), also Holz oder andere Biomasse, zur Energieerzeugung verbrannt und anschließend wird das CO2 abgeschieden und unterirdisch verpresst (CCS). Falls BECCS im großen Stil zum Einsatz kommen soll, wären allerdings riesige Biomasseplantagen erforderlich. Möglich ist auch CO2 aus der Luft zu filtern, mittels „Direct Air Capture“ (DAC) und anschließend wieder per CCS zu entsorgen. Der Platzbedarf hierfür ist relativ gering, dafür sind riesige Mengen an Ökostrom erforderlich.

Wie dringend die Halbierung der Emissionen bis zum Jahr 2030 und die Absenkung auf netto-null bis 2050 sind, hat der zweite Teil des IPCC-Sachstandberichts gezeigt, der im Februar veröffentlicht wurde: Die aktuelle Erwärmung von 1,1 Grad hat schwerwiegendere Folgen als zuvor erwartet und „die mittel- und langfristigen Auswirkungen sind bis zu einem Vielfachen höher als die derzeit beobachteten“. Es bleibt daher zu hoffen, dass die „Entscheidungsträger“ dieser Welt den dritten Teil des IPCC-Berichts tatsächlich als „Landkarte“ benutzen und die Menschheit aus der Klimakrise führen.

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