Thomas Kolly leitet die Schweizer Delegation bei den Klimaverhandlungen
Eigentlich wollte er eine Mechanikerlehre machen. Doch dann hat ihm der Berufsberater gesagt, er solle es doch mal mit Diplomat versuchen. Heute leitet Thomas Kolly die Schweizer Delegation bei den UN Klimaverhandlungen. „In einer solchen Position hat man die Möglichkeit einen extrem politischen und extrem wichtigen Prozess zu verfolgen und mitzugestalten.“ sagt Kolly. Überhaupt der Prozess. Angefangen hat alles 1992 beim Erdgipfel in Rio de Janeiro. Der kalte Krieg war zu Ende. Es herrschte Euphorie und die Führer der Welt beschlossen nun das Klima zu retten. Kolly ist seit 2005, der Konferenz in Montreal dabei. „Da hat man schon gewusst in Kopenhagen, Ende 2009, da wird’s passieren.“ Und so wurde Kolly damals für fünf Jahre vom EDA ans Bundesamt für Umwelt Bafu ausgeliehen, um die Verhandlungen zu führen.
In Montreal wurde der erste der beiden Teilprozesse gestartet, die in Kopenhagen ihren Abschluss finden sollen: Das Aushandeln von Reduktionszielen für diejenigen Industrieländer, die das Kyoto Protokoll (KP) ratifiziert haben, unter anderem die Schweiz. Der zweite Teilprozess wurde dann zwei Jahre später bei der Klimakonferenz in Bali in Bewegung gesetzt: Hier versucht man die Länder, denen das KP keine Emissionsreduktionen vorschreibt, darauf zu verpflichten ihren Austoss an Treibhausgasen zu reduzieren. Dies sind vor allem die USA, die das KP nie ratifiziert haben und die grossen Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien. Für diesen zweiten Teilprozess hat man sich dann den schönen Namen „Long-term Cooperative Action under the Convention“ kurz LCA ausgedacht. Aus Sicht des Klimas ist die Welt also zweigeteilt: In KP Länder und LCA Länder.
„Der KP Prozess betrifft die Schweiz unmittelbarer, weil dort unsere zahlenmässige Verpflichtung (zur CO2 Reduktion) festgelegt wird.“ sagt Kolly. Das heisst aber nicht, dass sich die Schweiz auf die Verhandlungen auf der KP Schiene beschränkt. Im Gegenteil. Die Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern ist Teil der LCA Schiene und hier hat die Schweiz mit ihrem Vorschlag einer globalen CO2 Abgabe „schon früh einen wichtigen Pfeiler eingeschlagen“. Ausserdem leitet Kolly zusammen mit einem Klimadiplomaten aus Ghana die Arbeitsgruppe über Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Hier wird wird über Massnahmen verhandelt, die insbesondere den Entwicklungsländern dazu dienen sollen, sich auf die Klimaerwärmung vorzubereiten, etwa indem sie Deiche bauen, um dem steigenden Meeresspiegel zu begegnen. Dank dieser Aufgabe ist Kolly bei den allmorgendlichen Besprechungen des LCA Lenkungsausschusses dabei. Hier wird das weitere Vorgehen auf der LCA Schiene besprochen. „So kann die Schweiz auch Einfluss nehmen auf den grösseren Prozess der abläuft.“ sagt Kolly.
Bei den wesentlichen Prozessen dabei sein – dabei sein, wenn Tagesordnungen verabschiedet, Traktandenlisten erstellt und Non-Papers verfasst werden. „Der ganze Prozess ist mit einem grossen Schiff zu vergleichen. Einige Passagiere kommen an Bord oder verlassen das Schiff, aber es steuert konsequent seinem Ziel zu.“ sagt Kolly über die Klimaverhandlungen. Mit an Bord dieses Dampfers, der nun schon seit bald 20 Jahren unterwegs ist, sind tausende von Diplomaten, Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und Journalisten. „Es ist eine sehr komplexe Materie. Es geht um das ganze Spektrum politischer Prozesse: Energie-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, um Landwirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und natürlich Aussenpolitik. Das macht es einerseits natürlich schwierig zu einem Resultat zu kommen. Andererseits ist es aber faszinierend, dass alle Themen auf dem Tisch sind, wettbewerbsrelevante Themen.“
Um sicher immer dabeizusein wenn diese wettbewerbsrelevanten Themen diskutiert werden, hat die Schweiz aber noch ein anderes Vehikel: Die Environmental Integrity Group, kurz EIG. Um in den Verhandlungen nicht unterzugehen, schliessen sich Länder zu Verhandlungsgruppen zusammen. Am bekanntesten sind die G77, die Gruppe der Entwicklungsländer und AOSIS, die Gruppe der kleinen Inselstaaten, die bei steigendem Meeresspiegel zu verschwinden drohen. Die von der Schweiz geführte Gruppe ist keine derartige Schicksalsgemeinschaft. Die anderen Mitglieder sind Mexiko, Südkorea, Liechtenstein und Monaco. Und dennoch hat die Gruppe für die Schweiz viele Vorteile: „Wenn man alleine ist, ist es schwierig. Mit einer Gruppe hat man einen besseren Zugang zum Kernprozess. Es gibt Phasen in diesem Verhandlungsprozess, wo abgesehen von den ganz grossen Ländern nur noch Ländergruppen Zugang haben. Die EIG ist das Vehikel, das uns erlaubt bei den abschliessenden Prozessen dabei zu sein.“
„Bei den wesentlichen Prozessen dabei sein“ – es klingt wie ein Mantra, das Mantra der Klimaverhandlungen: Dabei sein wenn die Welt gerettet wird. „Beim Klima geht es um Alles. Das merkt man, wenn man am ersten Tag ins Konferenzzentrum läuft. Es herrscht eine positive Spannung. Die Leute sind rund um die Uhr sehr engagiert.“ sagt Kolly über die Schweizer und all die anderen Delegationen. „Man hat natürlich unterschiedliche Positionen, aber es gibt ein gemeinsames Verständnis in welche Richtung man gehen will. Man will etwas sinvolles machen, ein nachhaltiges Resultat liefern. Das ist der gemeinsame Boden. Natürlich ist für einen G77 Vertreter, etwa den Kollegen aus Indien, die erste Priorität Entwicklung, dass man das Armutsproblem in den Griff bekommt. Das verstehe ich. Das sind dann so Zahlen wie, dass 500 Millionen Menschen in Indien keinen Strom haben. Da hat man nicht das Privileg, dass man sich völlig auf das Klimathema konzentrieren kann. Aber eben, man ist auf dem gleichen Schiff, man hat ein gemeinsames Ziel.
Dazu kommt, dass sich die Unterhändler oft schon seit Jahren kennen, gemeinsam von Konferenz zu Konferenz ziehen. „Aber auch wenn wir zu Hause sind haben wir ständig Kontakt mit unseren Kollegen.“ Und dann kennt man sich natürlich auch aus den langen Nächten, wie denen in Bali vor zwei Jahren: „Unter normalen Umständen würde man das physisch gar nicht schaffen. Man bekommt in diesem Prozess aber eine Energie, die man normalerweise nicht hat. Die ganze Stimmung (in Bali) war so aufgeheizt, der ganze Prozess so dicht, dass man es ertrug jeden Tag eine Stunde weniger zu schlafen, weil die Verhandlungen halt immer länger dauerten.“ erzählt Kolly.
Und dabei wäre er fast Mechaniker geworden. „Alle meine Geschwister und Schulkameraden haben eine Lehre gemacht. Mein Vater war Zimmermann, meine Mutter Hausfrau und Haushälterin beim Pfarrer. Wenn ich überlege, was mich am meisten geprägt ist es meine Kinder- und Jugendzeit als Handwerkerssohn. Das ist das, was mich am meisten definiert.“ sagt Kolly. „Meine Jugend hat mich mehr geprägt als 20 Jahre diplomatischer Dienst. Man bekommt sein Grundwertesystem in den ersten Jahren mit.“ Und dieses Grundwertesystems eines Handwerkersohns aus Pfeffikon, Luzern, muss sich nun bei der Lösung des Klimaproblems bewähren: Es war wohl noch nie so wichtig, dass man seine Arbeit „recht macht“. mic
Thomas Kolly, 51, ist studierter Jurist und Anwalt. Er ist Leiter der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt, BAFU. Thomas Kolly ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist in Pfeffikon/LU aufgewachsen, war als Diplomat im Einsatz in Paris, Washington und Den Haag. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bern.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email