An der UN-Klimakonferenz wurde dafür ein Fonds für die Opfer der Erwärmung geschaffen
Die 27. UN- Klimakonferenz (COP27) hat die Entwicklungsbanken dazu aufgefordert, deutlich mehr Geld für den Klimaschutz zu mobilisieren – mangels Beschlüssen zu den Ursachen der Erwärmung vielleicht die wichtigste Entscheidung zusammen mit den Hilfen bei Klimaschäden.
„Die multilaterale Diplomatie funktioniert immer noch – trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen unserer Zeit.“ Das sagte der Präsident der 27. UN-Klimakonferenz (COP27) und ägyptische Außenminister Sameh Shoukry zum Abschluss der Konferenz im ägyptischen Badeort Sharm el- Sheikh. Zuvor hatte er am Sonntagmorgen um vier mit seinem Zeremonialhämmerchen die Abschlusserklärung verabschiedet. Und diese enthält – trotz des widrigen geopolitischen Umfelds – eine „historische“ Neuerung: Die Länder beschlossen einen Fonds zu schaffen, der arme Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden in Folge der Klimaerwärmung finanziell unterstützt – ein passendes Ergebnis für ein Jahr, in dem Dürren etwa in Ostafrika oder Überschwemmungen wie in Pakistan oder Nigeria riesige Schäden verursacht haben.
Dieser Fonds wird seit 30 Jahren von den kleinen Inselstaaten gefordert und wurde noch vor kurzem von den USA, aber auch der EU abgelehnt. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Entwicklungsministerium, bezeichnete den neuen Fonds als den „größten entwicklungspolitischen Erfolg in der Geschichte der Klimaverhandlungen“ und reklamierte diesen Erfolg für die EU: „COP27 war eine geopolitische Zäsur: Europa hat bei Klimarisiken für die Verwundbarsten und Ärmsten klar Stellung bezogen, die USA nach Zögern auch. China verweigert nach wie vor als größter Emittent von Klimagasen eine klare Haltung der Verantwortung.“
Möglich wurde diese Einigung, indem die Entscheidung, wer in den Fonds einzahlt, auf nächstes Jahr vertagt wurde. Wendel Trio von der Umweltorganisation Greenpeace sagte daher, die Schaffung des Fonds sei primär „symbolisch, aber es war das Symbol, das die Entwicklungsländer wollten.“ Im Hinblick auf die Kapitalisierung des Fonds fordern die Industriestaaten, dass auch relativ wohlhabende Entwicklungsländer mit hohen Emissionen Mittel beisteuern. Diese lehnen das aber ab, mit dem Verweis auf die 30 Jahre alte UN-Klimakonvention, die einzig die „Industriestaaten“ finanziell in die Pflicht nimmt. Bis zur nächsten COP in den Vereinigten Arabischen Emiraten soll nun ein Komitee für den Fonds „Finanzquellen identifizieren“. Damit ist garantiert, dass die Unterscheidung zwischen „Industrie- und Entwicklungsländern“ die nächste COP dominieren wird.
Das zweite wichtige Resultat ist, dass im Abschlussdokument zum ersten Mal festgehalten wurde, dass eine „Transformation des Finanzsystems“ erforderlich ist, um die nötigen Investitionen in erneuerbare Energien zu finanzieren. Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) werden dazu aufgerufen, die „volle Breite ihrer Instrumente“ zu nutzen. Das könnte die Schaffung von IWF-Sonderziehungsrechten (SDRs), einer Art Währung, beinhalten. Diese Währung kann der IWF „aus dem Nichts“ schöpfen, was er zuletzt getan hat, um die Länder bei der Bewältigung der Coronakrise zu unterstützen: Im August 2021 schöpfte der IWF SDRs im Wert von 650 Milliarden Dollar und verteilte sie an die 190 Mitgliedsländer. Dieses Mittel will die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, nun auch in der Klimakrise nutzen.
Sie fordert die Schaffung eines Fonds, der mit SDRs im Wert von 500 Milliarden kapitalisiert wird. Damit hätte der Fonds die bestmögliche Bonität, ein AAA Rating, und könnte sich günstig Geld leihen. Insgesamt sollen so 5000 Milliarden Dollar mobilisiert und in den Ausbau der erneuerbaren Energien in Entwicklungsländern investiert werden. Der große Vorteil dieser Idee ist, dass sie sich schnell umsetzen lässt. Schon nächsten April bei der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF könnten die IWF-Mitgliedsländer Mottleys Idee verabschieden. Mohamed Adow, von der Umweltorganisation Power Shift Africa bezeichnet diese Finanzbeschlüsse daher als die „große Nachricht von der COP27, die unter dem Radar fliegt“. Er hofft, dass diese Entscheidung dazu beitragen wird, „das Risiko von Investitionen zu verringern, Kapital erschwinglich zu machen und Billionen an Klimafinanzierung freizusetzen.“
Enttäuschend ist hingegen das COP27-Ergebnis bei einem System, dessen Reformbedarf noch viel offensichtlicher ist: dem Energiesystem. Es ist wieder nicht gelungen, die „fossilen Energien“ im Abschlusstext zu erwähnen, obwohl das eine breite Koalition von Indien über die USA und die EU bis hin zu den Inselstaaten gefordert hatte. Die Länder haben einzig ein „Arbeitsprogramm“ aufgesetzt, das darin besteht, nächstes Jahr zwei Workshops zu veranstalten. Das Resultat dieser Workshops dürfen ausdrücklich aber keine neuen „Ziele“ sein – wie der Erkenntnis des Weltklimarats (IPCC), dass die Emissionen ab dem Jahr 2025 sinken müssen.
Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch wirft den Ägyptern daher vor, sie hätten die „Interessen Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten sowie Chinas begünstigt“. Zum Teil ist es wohl aber auch der Verhandlungsführung geschuldet, die aus Sicht von Professor Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, zu wünschen übrig ließ: „So eine schwache Präsidentschaft habe ich den fast 20 Jahren meiner Verhandlungsbeobachtung noch nie erlebt. Die Konferenz wurde von den Ägyptern schlecht vorbereitet und die Lenkungsentscheidungen während der COP waren intransparent, ad hoc und autoritär.“
Schwarze kritisiert allerdings auch die Verhandlungsführung der Bundesregierung: „Deutschland war gleich mit vier Ministerien und dem Kanzler jeweils in Stippvisiten medial präsent gewesen. Eine gemeinsame Strategie war bei den diesen Terminen nicht erkennbar.“ Zudem habe die Pressearbeit schlecht funktioniert: „In der Kommunikation mit den Medien gab es zahlreiche Probleme. Das breite Netzwerk an deutschen Medien war offensichtlich im Auswärtigen Amt nicht bekannt, die Akteure vor Ort überfordert“ – eine Beobachtung, die der Autor bestätigen kann. Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings, dass Deutschland und Chile die Verhandlungen zum Fonds für Verluste und Schäden koordiniert und damit zu deren Erfolg beigetragen haben.
Neben dem sehr gemischten Ergebnis bei den „großen“ Themen, gab es bei einigen kleineren Themen nennenswerte Neuerungen, für die oft jahrelang gekämpft wurde: Die Abschlusserklärung erwähnt zum ersten Mal das „Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt“. Ein Novum ist auch das Unterkapitel zu Wäldern und „Nahrungsmittel“ werden an sechs verschiedenen Stellen erwähnt, was dem Thema deutlich mehr Gewicht gibt als bislang. Zudem wird anerkannt, dass nicht nur technische Lösungen erforderlich sind, sondern auch „naturbasierte“. Diese fanden letztes Jahr im “Pakt von Glasgow“ noch keine Erwähnung. Und schließlich fanden „Kipppunkte“ endlich Eingang in einen Abschlusstext – allerdings in Bezug auf Gletscher und nicht in Bezug auf einen Durchbruch beim Klimaschutz.
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Redaktioneller Hinweis: Dieser Konferenzrückblick wurde im Auftrag der Helmholtz Klimainitiative erstellt, wo er auch zuerst erschienen ist.