Es ist immer noch möglich, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen
Die UN-Klimakonferenz in Glasgow hat ihre Ziele knapp erreicht. Für Drama sorgte die Erwähnung von Kohle im Abschlusstext und die vielen sektorspezifischen Initiativen könnten richtungsweisend für künftige Konferenzen sein.
Am Samstagabend ist die UN-Klimakonferenz mit einem Tag Verspätung zu Ende gegangen. Diese Konferenz war besonders wichtig, weil die Länder gemäß dem Pariser Klimaabkommen zum ersten Mal ihre Klimaziele nachschärfen mussten. Daher ließ sich in Glasgow überprüfen, ob das Abkommen wie geplant funktioniert. Das erklärte Ziel war, die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad zumindest nicht zu verunmöglichen und somit dieses Ziel „am Leben zu erhalten“. Das ist noch nicht ganz gelungen: Wie das Abschlussdokument der Konferenz, der „Glasgow Climate Pact“, selbst feststellt, müssten die globalen Emissionen in den nächsten zehn Jahren um 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 sinken. Gemäß den Klimazielen der Länder werden sie aber bis 2030 um 13,7 Prozent steigen. Aus diesem Grund wurde in Glasgow beschlossen, dass die Länder schon nächstes Jahr ihre Ziele nachbessern müssen und nicht erst in fünf Jahren. Damit hätten die Länder „das 1,5-Grad-Limit wiederbelebt“, sagt der Klimawissenschaftlers Niklas Höhne vom New Climate Institute und warnt: Das Ziel „befindet sich jedoch immer noch auf der Intensivstation“.
Die zweite Aufgabe der Konferenz war die Vervollständigung der Betriebsanleitung für das Paris Abkommen. Hier waren noch zwei Kapitel ausstehend: die Regeln für den Handel mit Emissionsreduktionen und Regeln für die Berichterstattung über Emissionen und Maßnahmen, diese zu senken. Beide Kapitel konnten in Glasgow verabschiedet werden, nachdem das in den Jahren zuvor nicht gelungen war. Beim Handel mit Emissionsreduktionen musste ausgeschlossen werden, dass diese Emissionen nicht zweimal angerechnet werden, einmal in dem Land, in dem ein Klimaschutzprojekt umgesetzt wird, und einmal in dem Land, das das Projekt finanziert. Das ist weitgehend gelungen. Doch das hatte einen Preis: Eine begrenzte Zahl an alten Emissionszertifikaten aus der Zeit vor dem Paris-Vertrag wird in das neue System übernommen, sodass dieses erst dann zu echten Emissionsreduktionen führen wird, wenn die alten “Zombie-Zertifikate” aufgebraucht sind.
Am härtesten umkämpft war der Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten, die sich auch durch Anpassungsmaßnahmen nicht verhindern lassen. Hierzu zählen etwa Bergstürze. Wenn das Eis schmilzt, das eine Bergwand zusammenhält, kann es zu Bergrutschen kommen, die große Schäden anrichten. Für derartige Ereignisse forderten die Entwicklungsländer einen Fonds, der finanzielle Hilfe leistet. Diesen haben sie nicht bekommen. Das „Santiago-Netzwerk“, in dem Maßnahmen im Fall von Verlusten und Schäden koordiniert werden, bekommt aber Geld um zumindest die Planung von Wiederaufbaumaßnahmen zu finanzieren. Der eigentliche Wiederaufbau muss allerdings immer noch von den betroffenen Ländern selbst gestemmt werden. Aus Sicht von Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam ist das „der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow“.
Für das für Klimakonferenzen typische Drama sorgte schließlich ein eher symbolisches Thema: die Erwähnung von Kohle im Abschlussdokument. Hier sah der erste Entwurf des Dokuments vor, dass die Länder aus der Kohleverstromung „aussteigen“. Diese Formulierung wurde dann abgeschwächt und die Länder sollten nur noch aus der Kohleverstromung „ohne CO2-Abscheidung aussteigen”. In der Abschlusssitzung kam es dann aber zu einem Eklat. Indien war mit dem Zusatz noch immer nicht zufrieden und setzte eine weitere Abschwächung durch: Statt aus der Kohleverstromung “auszusteigen”, soll diese nur noch “heruntergefahren” werden. Ob sich Indien mit diesem Manöver Freunde gemacht hat, darf allerdings bezweifelt werden. Im Anschluss kritisierten die Schweiz, Mexiko und mehrere Inselstaaten das diplomatische Foulspiel massiv, sodass Konferenzpräsident Alok Sharma den Tränen nahe war.
Die Konferenz bot schließlich Gelegenheit, diverse sektorspezifische Initiativen vorzustellen. So verpflichteten sich 107 Länder ihre Methanemissionen zu senken, mehr als hundert Länder und andere Akteure wollen auf Elektroautos umzustellen, und Länder, in denen 85 Prozent aller Wälder liegen, haben sich verpflichtet, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen. Das Klima ist auch in den Finanzmärkten angekommen: Institutionen, die insgesamt 130 Billionen (130.000.000.000.000) Dollar verwalten, wollen ihre Anlageportfolios bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen zu bringen. Im Hinblick auf diese Abkommen sagte Lukas Hermwille vom Wuppertal Institut für Klima: „Die Umsetzung von ambitioniertem Klimaschutz muss letztlich immer auf sektoraler Ebene erfolgen; es müssen Energie-, Industrie-, Verkehrs-, und Landwirtschaftssysteme grundlegend transformiert werden.“ Daher sei es von der britischen Konferenzpräsidentschaft richtig gewesen auch auf solche Initiativen zu setzen und das sollte „bei zukünftigen Klimaverhandlungen fortgeführt werden.“
Die Wertung des „Glasgow Climate Pacts“ fiel sehr heterogen aus. „Nie zuvor hat ein UN-Klimagipfel-Dokument die Dramatik der Klimakrise so eindeutig festgehalten“, sagte Rixa Schwarz von Germanwatch im Hinblick auf das Erfordernis die Emissionen bis 2030 knapp halbieren zu müssen. Aus Sicht der Klimaaktivistin Luisa Neubauer hatte das aber nicht die nötigen Konsequenzen: „Hier geht es nicht um irgendein interessantes diplomatisches Geduldspiel, es geht um die Klimakatastrophe. Diese Konferenz hat es nicht geschafft, die strukturellen Veränderungen einzuleiten, die wir so dringend brauchen.“ Aus Sicht von Elisabeth Bast von der Umweltorganisation Oil Change International ändern sich die Strukturen hingegen durchaus: „Im Vergleich zu noch vor wenigen Jahren sind die Fortschritte beeindruckend, die in den letzten zwei Wochen auf dem Weg zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen erzielt wurden.“ Übereinstimmung gab es allerdings auch: Nun geht es um die rasche Umsetzung, denn so UN-Chef Antonio Guterres: „Die Wissenschaft sagt uns, dass die absolute Priorität in einer schnellen Emissionsreduzierung in diesem Jahrzehnt liegen muss.“ mic
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