Ein englischer Think Tank zeigt, wie die Welt auf den Klimawandel reagieren könnte
Es ist die wohl bestprognostizierte Katastrophe der Geschichte: Der Klimawandel. Das Intergovernmental Panel on Climate Change der UNO schätzt in seiner letzjährigen Studie, dass sich das Klima bis 2030 um 0,4 Grad erwärmen wird. Neuere Daten deuten aber daraufhin, dass die Temperaturen noch stärker steigen.
Im Gegensatz zu den immer besseren Klimamodellen, wissen wir aber noch nicht wie die Menschen, die Unternehmen und verschiedene Länder auf diese Herausforderung reagieren werden. Um die Bandbreite möglicher Entwicklungen aufzuzeigen, hat deshalb der englische Think Tank Forum for the Future fünf Szenarien für die Welt im Jahr 2030 entwickelt. Eines ist dabei jetzt schon klar: Die Welt in 22 Jahren wird radikal anders sein als die heutige, mindestens so wie die Welt vor 22 Jahren, also 1986, von der jetzigen verschieden war. Die von den Engländern befragten Experten gehen davon aus, dass ähnlich wie damals der Kalte Krieg, im Jahr 2030 der Klimawandel und die Anstrengungen den Ausstoss von Klimagasen zu reduzieren, das Leben der Menschen, die Entscheidungen von Unternehmern und Politikern durchdringen wird. Diese machen sich also besser schon heute mit den möglichen Entwicklungen vertraut:
Effizienzrevolution
Dieses Szenario kommt einer „Business as Usual“ Variante am nächsten. Die Staaten einigen sich auf ein Kyoto-Nachfolgeabkommen inklusive CO2 Handel. Der hohe Preis von Treibhausgasemissionen löst eine Energie-Effizienz-Revolution in der Wirtschaft aus. Dank neuer Produkte können die acht Milliarden Erdenbürger mehr konsumieren, und immer länger leben. Der Lebensstil ist individualistisch und materialistisch. Die Wirtschaft wächst und globalisiert sich weiter. Technologie ist in dieser immer komplexeren Welt zentral.
Dienstleistungsnirvana
Eine neue Welt des Konsums entsteht: Besitz gilt als belastend, Dienstleistungen werden wichtiger. So hat kaum noch ein Haushalt eine eigene Waschmaschine. Stattdessen gibt es zentrale Reinigungsdienste. Auch Autos werden geteilt und der öffentliche Verkehr ist hervorragend ausgebaut. Ausgegangspunkt war eine EU Initiative mit dem Ziel von Energieimporten unabhängig zu werden, nachdem Russland im Winter 2012 den Gashahn abgedreht hatte. Die anderen Länder kopierten bald darauf das erfolgreiche europäische Modell. Die Wirtschaft wächst.
Post-Materialismus
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist nicht mehr das Mass aller Dinge. Die Länder konkurrieren um die vorderen Plätze auf dem internationalen Gücksindex der Weltbank. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 25 Stunden. Die Menschen haben mehr Zeit für ihre Familien, Hobbys und ehrenamtliche Tätigkeiten. Marken, die glaubhaft für ein entschleunigtes, nachhaltiges Wachstum stehen, dominieren die Märkte für Konsumgüter. Das Wirtschaftswachstum ist marginal.
Kriegswirtschaft
Die Staaten haben zu spät auf den Klimawandel reagiert. Erst 2017 konnte eine weltweite Vereinbarung getroffen werden. Mit drakonischen Massnahmen, wie Fahrverboten, der Schliessung ganzer Industrien und massiven Eingriffen in die persönliche Freiheit der Menschen soll nun die verlorene Zeit aufgeholt werden. Die Wirtschaft ist weitgehend staatlich gelenkt. In einem gigantischen Kraftakt wird die Erzeugung und der Verbrauch von Energie durch die Regierungen revolutioniert. In vielen Ländern ist das Leugnen der menschlichen Ursachen des Klimawandels, die „Klimalüge“, ein Verbrechen. Die Wirtschaft wächst, doch die Staatsquote nimmt beständig zu. Die Welt hat dem Klimawandel den Krieg erklärt.
Protektionismus
Die Staaten haben sich auf ein weltweites Klimaabkommen geeinigt. Doch bald darauf beschuldigen sie sich gegenseitig des Betrugs. Satelittenbilder zeigen illegale Kohlekraftwerke. Im Nahen Osten und in Afrika führt verfehltes Management der Trinkwasserressourcen zu Spannungen. Indien wehrt den Zustrom von Klimaflüchtlingen aus Bangladesch mit militärischen Mitteln ab. Die Angst vor Seuchen und Terroristen haben das Reisen quasi verunmöglicht. Amerika, Indien, China versuchen mit allen Mitteln die verbleibenden Rohstoffe unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Wirtschaftswachstum kommt zum Erliegen und die internationale Arbeitsteilung nimmt ab. Trotzdem nimmt der Ausstoss von Klimagasen weiter zu, da die Länder vermehrt auf Kohle zurückgreifen.
Die Autoren der Studie erwarten nicht, dass sich eines der Szenarien eins zu eins bewahrheiten wird. Diese sollen vielmehr als Denkwerkzeuge dienen, damit Manager und Politiker Strategien für die Jahre des Klimawandels entwickeln können. Denn das Umfeld, in dem sie operieren, wird sich massiv verändern.
Unternehmen haben dabei ein Interesse sich proaktiv zu engagieren und sich auf massiv steigende Preise für Rohstoffe und CO2 Emissionen vorzubereiten. Ausserdem haben sie Einfluss auf Zulieferer aus aller Welt. So verlangt die englische Supermarktkette Tesco, dass Lieferanten angeben, wieviel CO2 in ihren Waren steckt. Und der amerikanische Discounter Wal-Mart ist über Nacht zum grössten Käufer von Solarzellen aufgestiegen, nachdem das Unternehemen beschlossen hat nur noch Energie aus regenerativen Quellen zu nutzen. „Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Studie muss denn auch sein, dass Nichtstun keine realistische Option darstellt.“ schreibt das Forum for the Future. mic
Die Studie Climate Futures findet sich auf der Seite www.forumforthefuture.org