Einnahmen sollen in Forschung für CO2-freie Treibstoffe investiert werden
Es passiert selten, dass eine Industrie nach einer neuen Abgabe ruft. Doch genau das tut die Schifffahrt. Ob es dabei wirklich um die Forschungsförderung geht, ist allerdings nicht sicher. Vielleicht ist es auch ein Ablenkungsmanöver.
Neun Verbände der Schifffahrtsindustrie fordern eine Abgabe von zwei Dollar pro Tonne auf Schiffsdiesel. [1] Diese Abgabe soll von der Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO bei der nächsten Konferenz im Juni diskutiert und schon im November beschlossen werden. Die Einnahmen aus der Abgabe, rund fünf Milliarden Dollar in zehn Jahren, sollen in die Erforschung von CO2-freien Alternativen zu Schiffsdiesel investiert werden. Neun Länder unterstützen die „Moonshot“ Initiative der Industrieverbände: Georgien, Griechenland, Japan, Malta, Nigeria, Liberia, Palau, Singapur und die Schweiz. Die anderen Staaten werden aufgefordert „auf der richtigen Seite der Geschichte“ zu stehen und die Initiative ebenfalls zu unterstützen. [1] Ohne das sei „es nahezu unmöglich, dass ab 2030 emissionsfreie Hochseeschiffe in der erforderlichen Größenordnung eingesetzt werden“.
Faig Abbasov von der Umweltorganisation Transport & Environment (T & E) sieht im Vorstoß der Schifffahrtsindustrie allerdings ein Ablenkungsmanöver, denn aktuell wird in der EU der Einbezug der Schifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) diskutiert. „Jedes Mal wenn wir Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen in der IMO oder der EU diskutieren, sagt die Industrie, dass wir auf die Ergebnisse der Forschung warten sollen.“ Dabei habe schon viel Forschung und Entwicklung stattgefunden. „Der wichtigste Schritt ist jetzt der Einsatz“ grüner Technologien in der Schifffahrt. Und genau dabei könnte ein Einbezug der Schifffahrt ins EU ETS hilfreich sein. Die Abgabe von zwei Dollar pro Tonne Schiffsdiesel entspricht einem CO2-Preis von 60 Cents pro Tonne CO2. Im EU ETS hingegen kostet eine Tonne CO2 derzeit über 40 Euro, knapp 70-mal mehr. Ein Einbezug der Schifffahrt wäre folglich ein starker Anreiz für die Industrie neue Technologien einzusetzen.
Die internationale Schifffahrt verursacht rund drei Prozent der globalen CO2 Emissionen. Im Rahmen der IMO haben sich die Länder dazu verpflichtet die Emissionen bis 2050 zu halbieren. Der Industrie ist allerdings klar, dass dieses Ziel zu schwach ist und geht davon aus, dass auch in ihrem Sektor die Emissionen bis 2050 auf Null sinken müssen. Dazu gibt es zwei Ansätze: den Einsatz von Biosprit etwa aus Rapsöl oder synthetischen Kraftstoffen oder der Einsatz von Wasserstoff in Form von Ammoniak (NH3). Maersk, die weltgrößte Containerschiff-Reederei setzt aktuell auf ersteres: Sie will im Jahr 2023 das erste Schiff mit Methanol als Kraftstoff betreiben – sieben Jahr früher als ursprünglich geplant. Maersk-Chef Søren Skou sagte, dies erfolge nicht zuletzt auf Druck von Kunden: „Unsere Kunden erwarten, dass wir ihnen dabei helfen ihre Lieferketten zu dekarbonisieren.“ [2]
Aus Sicht von T & E sollte die Schifffahrt allerdings auf Wasserstoff setzen. „Im Gegensatz zu modernem Biosprit kann die Produktion von grünem Wasserstoff und Ammoniak skaliert werden, um den Bedarf der globalen Industrie zu decken“, sagt Abbasov. [3] Das Global Maritime Forum, ein Zusammenschluss von Schifffahrts- und Umweltverbänden, hat auch schon durchgerechnet, welche Investitionen dafür erforderlich sind: Damit die Schifffahrt bis 2050 CO2-frei ist, müssen pro Jahr zwischen 70 und 95 Milliarden Dollar investiert werden. [4] Doch damit diese Investitionen tatsächlich getätigt werden, braucht es Nachfrage für Wasserstoff. „Damit wären wir wieder bei Regulierungen, die die Nachfrage erzeugen“, sagt Abbasov, und genau das vermöge die Forschungsabgabe nicht zu leisten. mic
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[3] T & E, 03.03.2021: Future of shipping fuel is green hydrogen and ammonia, industry groups tell EU