Jemenkrieg und Klimawandel haben Ausbreitung nach Ostafrika begünstigt
Ostafrika wird derzeit gleich von zwei biblischen Plagen heimgesucht: der Corona Pandemie und Heuschrecken. Diese haben etwas gemeinsam: Sie wachsen exponentiell. Zusätzlich erschwert die Coronakrise den Kampf gegen die Heuschrecken.
Wegen der Coronakrise sind die meisten Menschen mittlerweile mit exponentiellem Wachstum vertraut. Dennoch erstaunen die Zahlen von der Heuschreckenplage in Ostafrika. Nach der ersten Welle im Februar kommt nun die zweite und diese ist 20-mal grösser. [1] Für Juni wird dann die dritte Welle erwartet und diese könnte 400-mal grösser sein als im Februar. [2 s. S. 2] Das entspricht einer Verdoppelung alle zwei Wochen. Die Zahl der Tiere wächst allerdings nicht von Tag zu Tag, sondern steigt alle zwei Monate um den Faktor 20 an, wenn die nächste Generation schlüpft. Wüstenheuschrecken haben aber nicht nur eine beachtliche Reproduktionsrate, sondern auch mächtig Hunger. Ein Schwarm mit einem Quadratkilometer Größe braucht jeden Tag so viele Nahrungsmittel wie 35.000 Menschen. [2 s. S. 3] In Kenia gibt es derzeit einen Schwarm, der 2400 Quadratkilometer groß ist. [2 s. S. 3] Dieser hat den Nahrungsbedarf von 84 Millionen Menschen. Dabei war schon die erste Welle im Februar, die schwerste Heuschreckenplage in 70 Jahren. [1]
Die aktuelle Plage erstreckt sich von Ostafrika über die arabische Halbinsel bis Iran und Pakistan. Besonders betroffen sind Kenia, Äthiopien und Somalia (siehe Karte) wie die UN Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO mitteilt. Wie die Situation im Jemen aussieht ist mangels Daten unklar, aber „wahrscheinlich verschlechtert sie sich“. [3] Gemäß FAO sind über 20 Millionen Menschen von Hunger bedroht und auf einer Fläche von 10.000 Quadratkilometer sind dringend Maßnahmen zur Bekämpfung der Heuschrecken erforderlich. [2 s. S. 2] Dafür werden große Mengen an Pestiziden und Sprühflugzeuge gebraucht. Doch die Anstrengungen der FAO werden durch die Coronakrise erschwert, sagt der FAO-Verantwortliche Cyril Ferrand: „Die größte Herausforderung im Moment ist die Bereitstellung von Pestiziden und wir sehen Verzögerungen, weil die globale Luftfracht signifikant reduziert ist. Unsere absolute Priorität ist, einen Kollaps der Pestizidlager in den Ländern zu verhindern. Das hätte dramatische Folgen für die Menschen deren Nahrungsmittelsicherheit vom Erfolg unserer Kampagne abhängt.“ [4]
Die aktuelle Krise ist eine Folge des Jemenkriegs und mehrerer schwerer Stürme. Im Mai 2018 brachte der Zyklon „Mekunu“ Regen in die Rub al-Chali Wüste (arabisch für „Leeres Viertel“) an der Grenze zwischen Saudi Arabien, Oman und Jemen. Im feuchten Sand hatten die dort lebenden Heuschrecken dann optimale Brutbedingungen. Das wäre nicht weiter problematisch gewesen, wenn nicht im Oktober 2018 der Zyklon „Luban“ wieder Regen gebracht hätte. „Das erlaubte, dass die Bedingungen weiterhin günstig blieben für eine weitere Brutgeneration. Statt einem 400-fachen Anstieg, stieg die Zahl der Tiere um das 8000-fache“, sagt Keith Cressmann von der FAO. [5] Zudem wurde die Bekämpfung der Heuschrecken durch den Jemenkrieg erschwert. Der Chef des jemenitischen Heuschreckenprogramms, Adel al-Shaibani, sitzt in der von Huthi-Rebellen kontrollierten Hauptstadt Sana’a. Gegenüber der britischen Zeitung The Guardian sagte Shaibani: „Vor dem Krieg konnten wir ganz Jemen gut erreichen.“ Doch das hat sich geändert: „Trotz unserer Anstrengungen sind einige Gebiete aus Sicherheitsgründen außerhalb unserer Kontrolle – Gebiete entlang der Grenze zu Saudi Arabien. Dort trat der Heuschrecken-Ausbruch auf, Schwärme formten sich und bewegten sich dann in andere Gebiete.“ [5] Ende letzten Jahres hatten die Heuschrecken, die bis zu 150 Kilometer pro Tag zurücklegen können, dann das Horn von Afrika erreicht. Pünktlich im Dezember 2019 sorgte dann Zyklon „Pawan“ in Somalia wiederum für optimale Brutbedingungen.
Die ungewöhnlich vielen Zyklone und Großen Regenmengen in der Region sind Folge eines Phänomens, das dem El Niño im Pazifik gleicht: dem „Indischer-Ozean-Dipol“ (IOD). Derzeit ist das Wasser an Afrikas Ostküste besonders warm und in Australien besonders kalt. Das sorgt für Regen in Ostafrika und Dürre und Waldbrände in Australien. Das Auftreten des IOD-Phänomens ist auch eine Folge der Klimaerwärmung sagt Caroline Lukas vom US-Forschungsinstitut Woods Hole Oceanographic Institution: „Klimamodelle deuten eine Tendenz an, dass solche Ereignisse häufiger und stärker werden.“ [6] Das wiederum erschwert die Arbeit von Cressmann, der für die FAO die Entwicklung von Heuschrecken Populationen prognostiziert. „Die Vorhersage-Methodik hat ziemlich gut funktioniert bis vor fünf Jahren und jetzt funktioniert sie gar nicht mehr gut, wegen des Regens, des Timings und der Verteilung. Es ist jetzt ganz anders.“ [5] mic
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[1] The Guardian, 13.04.2020: Second wave of locusts in east Africa said to be 20 times worse
[3] FAO, Stand 17.04.2020: Desert Locust situation update 14 April 2020
[5] The Guardian, 20.03.2020: Locust crisis poses a danger to millions, forecasters warn
[6] The Guardian, 19.11.2019: Global heating supercharging Indian Ocean climate system