Ab einem Anstieg des Meeresspiegels um 1,5 Meter sind nationale Lösungen teurer
Der steigende Meeresspiegel bedroht Millionen Menschen und riesige Vermögenswerte. Dennoch ist es schwierig sich vorzustellen, wie groß diese Gefahr tatsächlich ist. Hier hilft eine neue Studie weiter mit einem radikalen Lösungsvorschlag.
Der Meeresspiegel ist in den letzten 140 Jahren um 20 Zentimeter gestiegen und steigt immer schneller. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnte er im schlimmsten Fall um ein bis zwei Meter und in den nächsten 500 Jahren gar um zehn Meter steigen. Bei einem Anstieg um zwei Meter verlieren allein in Nordeuropa 25 Millionen Menschen ihre Heimat, falls keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. Von den Niederlanden wäre kaum noch etwas übrig. Folglich wird man Dämme bauen. Die Frage ist nur: Wo? Allein die deutsche Küste ist 3600 Kilometer lang. Es gibt allerdings einen einfachere Lösung: Die Nordsee ließe sich vom Atlantik abtrennen. Dazu sind ein Damm zwischen Frankreich und England und ein Damm zwischen Schottland und Norwegen erforderlich.
Technisch wäre das machbar, wie eine neue Studie zeigt. Der südliche Damm wäre 160 Kilometer lang und die Wassertiefe beträgt maximal 100 Meter und der nördliche Damm wäre 480 Kilometer lang und die Wassertiefe beträgt im Schnitt 130 Meter. Allerdings müsste westlich von Norwegen auch die Norwegischen Rinne überwunden werden mit einer Wassertiefe bis zu 320 Meter. Die Autoren der Studie gehen von einem 50 Meter breiten Damm aus, der 20 Meter höher ist als der aktuelle Meeresspiegel. Dafür würde man rund 51 Milliarden Tonnen Sand benötigen. Das entspricht dem globalen Sandverbrauch in einem Jahr.
Die beiden Dämme wären auch bezahlbar. Die Studie nimmt hier die Kosten anderer Dämme zum Vergleich und kommt auf Kosten von 200 bis 500 Milliarden Euro. Zusätzlich müssten auch noch Pumpen angeschafft werden. Pro Sekunde fließen 40.000 Kubikmeter Wasser in die Nord- und Ostsee, die zu einem Meeresspiegelanstieg um 90 Zentimeter pro Jahr führen würden. Mit 100 Pumpen für 20 bis 30 Milliarden Euro lässt sich aber auch dieses Problem lösen. Wenn außerdem noch Schleusen für die Schifffahrt gebaut werden, kommen nochmal eine paar Milliarden dazu. Die 15 Nord- und Ostseeanrainer, die von den beiden Dämmen profitieren werden, können sich das allerdings problemlos leisten: Bei einer Bauzeit von 20 Jahren fielen pro Jahr nur Kosten von 0,07 bis 0,16 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) an. „Diese Zahlen sind erreichbar“ meinen die Autoren.
Ab einem Anstieg des Meeresspiegels um rund 1,5 Meter, wäre die Verwandlung der Nord- und Ostsee in Binnenmeere wohl auch die kostengünstigste Variante. Die genauesten Kostenschätzungen haben hier die Niederlande. Diese gehen von Kosten zwischen 32 bis 140 Milliarden Euro bis zum Jahr 2100 aus, wenn einfach die Dämme an den Küsten um 1,5 Meter erhöht werden. Für alle Nord- und Ostseeanrainer zusammen wären die Kosten daher um ein Vielfaches höher und es wäre billiger die beiden vorgeschlagenen Dämme zu errichten. Dies gilt umso mehr, falls der Meeresspiegel um mehr als 1,5 Meter steigt. Dieser Schluss erstaunt auch die Autoren der Studie: „Dass eine derart radikale Lösung das Potential hat, gegenüber herkömmlichen Schutzmaßnahmen im Vorteil zu sein, spiegelt die Größenordnung der Gefahr durch den Anstieg des Meeresspiegel wieder.“
Das deutet auch auf den eigentlichen Zweck der Studie hin, denn die Autoren zielen nicht darauf ab, dass ihr Vorschlag tatsächlich umgesetzt wird. „Es ist vielleicht unmöglich zu verstehen, wie groß die Gefahr durch den Anstieg des Meeresspiegels ist. Wenn man aber die Dimension der erforderlichen Lösung versteht, dann hilft das auch beim Verständnis der Gefahr.“ Den Autoren ist auch bewusst, dass ihr Vorschlag in der Öffentlichkeit Kontroversen auslösen könnte. Das ist quasi Teil des Studiendesigns: „Wir hoffen, dass nur schon die Anregung dieser Lösung und die darauf folgenden Proteste einen Denkprozess auslösen.“ Dass ein solcher Prozess in Gang kommt, wäre tatsächlich wünschenswert, denn wer will schon eine Mauer um die Nordsee? mic
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