Die UN-Klimaverhandlungen gehen in die entscheidende Phase: Jetzt müssen die Minister ran
Die Minister müssen die verschiedenen Kapitel des Regelbuchs, Entscheidungen zu Klimahilfen und zum Ambitionsniveau zu einem stimmigen und ausbalancierten Ganzen verweben. Dabei zeigen sich auch erste Spannungen.
In Katowice ist es über Nacht deutlich kälter geworden und es schneit. Auf der Klimakonferenz ist die Stimmung auch zunehmend frostig. Am Dienstag haben die afrikanischen Länder beschlossen, manche Gespräche auf Diplomatenebene zu boykottieren. Dabei sollten bis heute (Mittwoch) Morgen die Textentwürfe noch von Experten weiter bereinigt werden, damit die Minister nur die wirklich politischen Fragen entscheiden müssen. Aus Sicht von Franz Perrez, dem Leiter der Schweizer Delegation, sollte der Boykott allerdings nicht überbewertet werden: „In einzelnen Bereichen lassen sich auf Expertenebene noch Fortschritte erzielen, aber viele Fragen können nur im Rahmen der Gesamtbalance gelöst werden.“
Dazu gehören etwa die Fragen zum Berichtswesen und zu den Klimahilfen. Hier gäbe es „ein Geben und Nehmen“ so Perrez. „Ein robusterer Transparenzrahmen für Massnahmen zum Klimaschutz einerseits und für die Unterstützung durch die Industriestaaten andererseits.“ Zudem wollten die Länder in dieser Phase der Konferenz „ihre Verhandlungs-Chips“ noch behalten. Reine Finanzzusagen gehören da nicht dazu und einige Industriestaaten sind hier schon in Vorlage gegangen: Deutschland hat am ersten Konferenztag eine Verdoppelung des deutschen Beitrags zum Green Climate Fund auf 1,5 Milliarden Dollar versprochen. Gestern (Dienstag) kündigte Bundesumweltministerin Svenja Schulze zudem 70 Millionen Dollar für den sehr viel kleineren Anpassungsfonds an. Weitere Finanzzusagen kamen von der Schweiz,Norwegen, Schweden, Neuseeland und der Weltbank.
Während die USA keine Klimahilfen mehr bereit stellen, sind sie bei den Verhandlungen über das Regelbuch noch voll engagiert, obwohl sie voraussichtlich im November 2020 aus dem Paris Abkommen aussteigen werden. Die noch aus der Obama-Ära stammenden Diplomaten wollen ein Regelwerk aushandeln, das es dem Nachfolger von US-Präsident Donald Trump ermöglicht, dem Abkommen sofort wieder beizutreten. Dafür müssen sie sicherstellen, dass für die USA und China möglichst die gleichen Regeln gelten und auch für andere Entwicklungsländer nur wenige Ausnahmen gemacht werden. Solche lässt das Paris Abkommen zu, weil die Länder nur „im Licht ihrer Kapazität“ etwa über ihre Emissionen berichten müssen. Der 12-Tausend-Einwohner-Staat Tuvalu kann daher weniger detailliert berichten als Deutschland oder die Schweiz. Es könne allerdings nicht sein, dass die Länder alleine über ihre Kapazität entscheiden, so Perrez, denn: „Die Kapazität eines Landes hängt auch immer von dessen Prioritätensetzung ab.“
Unklar ist auch noch, welche Priorität der Klimaschutz generell spielen soll. Eine Frage ist etwa: Soll der Bericht des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel nur „zur Kenntnis genommen werden“ wie es die USA, Russland, Saudi Arabien und Kuwait fordern oder „Willkommen geheissen werden“ wie es der Rest der Welt will. Was wie eine Spitzfindigkeit klingt, sei „strategisch wichtig“ sagt Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. Denn einfache Kenntnisnahme verhindere, dass sich Länder in Zukunft auf den Inhalt des Berichts berufen könnten. Der Bericht war denn auch Thema beim ersten Treffen der High Ambition Coalition (HAC) in Katowice am Montag. Die HAC ist ein informeller Zusammenschluss fortschrittlicher Industriestaaten wie der EU oder der Schweiz und einigen Schwellenländern wie Mexiko mit den ärmsten Ländern der Welt und den Inselstaaten. Diese Koalition hat massgeblich dazu beigetragen, dass das 1,5-Grad-Ziel überhaupt im Paris Abkommen steht und der Weltklimarat den dazugehörigen Bericht geschrieben hat. Unabhängig von der Wortwahl bei der Referenzierung des Berichts im Abschlussdokument von Katowice, hat die HAC damit bereits ein wesentliches Ziel erreicht: In den zwei Monaten seit seines Erscheinens ist der Bericht bereits zum eigentlichen Referenzrahmen der internationalen Klimapolitik geworden, wie der Chef des Schweizer Bundesamtes für Umwelt, Marc Chardonnes, bei einem Ministertreffen beobachtet hat: „Der IPCC-Bericht wirkte als stille Macht hinter den Statements der Minister.“ mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite