Seit 30 Jahren dokumentiert der Weltklimarat das Scheitern der Politik

Das Wissen über den Klimawandel wird immer zuverlässiger und bedrohlicher

Der Weltklimarat ist ein Mischwesen, das sowohl den wissenschaftlichen Konsens als auch den Konsens aller seiner Mitgliedsländer abbildet. Dass diese zu wenig gegen die absehbare Klimakatastrophe tun, liegt aber nicht am IPCC.

Vor 122 Jahren berechnete zum ersten Mal ein Wissenschaftler den Effekt von CO2 aufs Klima. Dabei kam Svante Arrhenius zu einem erstaunlich präzisen Resultat: Wenn sich die CO2-Konzentration in der Athmosphäre verdoppelt, dann erwärmt sich das Klima um fünf bis sechs Grad. [1] In Anbetracht der geringen CO2-Emissionen seiner Zeit erwartete er aber, dass dies erst in einige Tausend Jahren geschehen würde. Zudem hielt er eine gewisse Erwärmung für wünschenswert. [2] Arrhenius war Schwede.

Knapp hundert Jahre später, im Jahr 1988, sollte dann ein anderer Schwede seine Arbeit fortsetzen: Bert Bolin war der erste Vorsitzende des Weltklimarats IPCC. Als wünschenswert galt eine Erwärmung des Klimas jedoch nicht mehr. Zu Beginn des Jahres war eine wissenschaftliche Konferenz zu dem Ergebnis gekommen: Die Klimaveränderungen „stellen eine grosse Gefahr für die internationale Sicherheit dar und haben bereits schädliche Folgen für viele Gegenden des Planeten.“ [3] Diese Warnung alarmierte auch die Regierung von US-Präsident Ronald Reagan. Diese suchte dann einen Weg die Klimawissenschaften zu kanalisieren und gleichzeitig der Kontrolle der UNO zu entziehen. Geboren war der IPCC, bei dem das ‚I‘ nicht etwa für ‚International‘ steht sondern für ‚Intergovernmental‘ also ‚zwischenstaatlich‘. Komplett heisst der IPCC ‚Intergovernmental Panel on Climate Change‘ oder eben ‚Zwischenstaatlicher Ausschuss zu Klimaveränderungen‘. Letztlich ist der Weltklimarat damit gegenüber den Regierungen der Mitgliedsländer verantwortlich.

Cassandra. Noch hatte der IPCC nur schlechte Nachrichten zu verkünden. Ob sich die Autoren deswegen die Haare raufen ist nicht überliefert. (Bild: Emma Hart aka Lady Emma Hamilton auf einem Portrait von George Romney / Wikimedia)
Cassandra. Noch hatte der IPCC nur schlechte Nachrichten zu verkünden. Ob sich die Autoren deswegen die Haare raufen ist nicht überliefert. (Bild: Emma Hart aka Lady Emma Hamilton auf einem Portrait von George Romney / Wikimedia)

„Der IPCC war weder eine rein wissenschaftliche Organisation, noch eine rein politische, sondern ein einzigartiges Mischwesen“, erklärte Spencer Weart, der Ex-Chef des US-Zentrums für die Geschichte der Physik. [3] Dies zeigt sich in der Arbeitsweise des Rats: Für die IPCC-Berichte erarbeiten erst Wissenschaftler den globalen Kenntnisstand. Anschliessend verhandeln Vetreter der 195 Mitgliedsländer über die Formulierungen in der ‚Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger‘. Weart meint, dieses Vorgehen „hätte ein Rezept für Lähmung sein müssen (und war vielleicht darauf angelegt)“. Doch es kam anders: Der Rat „machte seine prozeduralen Hemmnisse zur Tugend. Was immer er schliesslich sagen konnte, hatte unanfechtbare Autorität.“ [3] Denn die IPCC-Berichte stellen nicht nur den wissenschaftlichen Konsens sondern auch den Konsens aller Länder der Welt dar. Das zeigte sich bereits beim ersten IPCC-Bericht im Jahr 1990. Im Anschluss sagt Bolin: „Was wir jetzt wissen, reicht aus, um jetzt zu handeln. Es gibt keine Entschuldigung für Politiker, wenn sie warten.“ [4] Das taten diese auch nicht, sondern gründeten schon zwei Jahre später die UN-Klimakonvention (UNFCCC).

Seither ist das Wissen über die Klimaerwärmung von Bericht zu Bericht gestiegen. Doch die UN-Klimakonvention, wo die Länder Gegenmassnahmen aushandeln sollten, vermochte nicht zu liefern. Das Kyoto-Protokoll erwies sich als Flop und im Jahr 2009 kollabierten die Verhandlungen in Kopenhagen beinahe. Ein erster Fortschritt konnte erst im Folgejahr im mexikanischen Badeort Cancun erreicht werden, wo sich die Länder zumindest auf das Zwei-Grad-Ziel geeinigt haben. Anschliessend brauchten sie dann aber weitere fünf Jahre, bis 2015, um einen Plan für die Erreichung dieses Ziels auszuhandeln: das Pariser Klimaabkommen. Zuvor hatte der IPCC aber seinen fünften und derzeit letzten Sachstandsbericht veröffentlicht. Dieser stellte fest: „Die Konzentrationen von CO2, Methan und Lachgas in der Athmosphäre sind auf Niveaus gestiegen, die mindestens seit 800‘000 Jahren beispiellos sind.“ Ausserdem machte der IPCC klar, dass eine Erwärmung um zwei Grad bereits katastrophale Folgen für viele Länder der Welt haben würde. Damit hatten die kleinen Inselstaaten einen genug grossen Hebel um in Paris ein „Wunder“ (Anote Tong, Präsident von Kiribati [5]) zu wirken: Die Länder einigten sich darauf, „Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen“.

Durchgestartet. Bei der Gründung des IPCC lag die CO2-Konzentration bei 352 ppm, heute bei 410 ppm. Das ist ein Anstieg um 16 Prozent. (Grafik: Nasa)
Durchgestartet. Bei der Gründung des IPCC lag die CO2-Konzentration bei 352 ppm, heute bei 410 ppm. Das ist ein Anstieg um 16 Prozent. (Grafik: Nasa)

Ob das überhaupt möglich ist, untersucht nun wieder der IPCC. Vor der diesjährigen Klimakonferenz im Dezember wird er einen Sonderbericht zum 1,5 Grad Ziel vorstellen. Ein erster Entwurf ist allerdings ernüchternd: „Mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent, liegt es ausserhalb unseres Könnens“, die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. [6] Denn selbst um die Zwei-Grad-Schwelle nicht zu reissen, muss der Athmosphäre CO2 entzogen werden. In den Klimamodellen der Wissenschaftler ist das im grossen Stil möglich. Wer dafür verantwortlich ist und wer dafür bezahlt, sind aber politische Fragen, die der IPCC nicht beantworten kann. Dieser kann nur berechnen, was passiert, wenn die Politik scheitert. Das tut er nun schon seit 30 Jahren. Happy birthday. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite

[1] Gemäss dem fünften IPCC-Sachstandsbericht (AR5) liegt die Sensitivität des Klimas zu einer Verdoppelung der CO2-Konzentration zwischen 1.5 und 4.5 Grad. Aktuell liegt die CO2-Konzentration bei 410 ppm. In den letzten 800’000 Jahren schwankte dieser Wert zwischen 180 und 300 ppm.

[2] Wikipedia, Stand 13.03.2018: History of climate change science

[3] Union of Concerned Scientists, 28.08.2013: Creating the IPCC: How to Speak Truth to Power

[4] Independent, 05.01.2008: Bert Bolin: Meteorologist and first chair of the IPCC who cajoled the world into action on climate change

[5] ABC, 15.12.2015: Unlikely Paris warming target a ‘miracle’: Anote Tong

[6] Climate Home, 13.02.2018: Leaked draft summary of UN special report on 1.5C climate goal – in full