Vom Klimawandel besonders betroffene Staaten erhöhen Druck auf alle anderen Länder
Die Klimakonferenz in Marrakesch endete mit einem deutlichen Signal: 47 besonders durch die Klimaerwärmung bedrohte Länder kündigten an, ihre Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare umstellen zu wollen.
Die internationale Klimapolitik ist in einer neuen Epoche angekommen. Die alte Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer ist weitgehend Geschichte. Bei der am Freitag in Marrakesch zu Ende gegangene Klimakonferenz beharrten nur noch wenige Entwicklungsländer auf dieser Unterscheidung. Das ist die Folge des Paris-Abkommens, dass alle Länder der Welt zur Begrenzung ihrer Emissionen verpflichtet. Einen Durchbruch erlebte auch das 1,5-Grad-Ziel. Den meisten Teilnehmern der Klimakonferenz ist mittlerweile klar, dass eine Klimaerwärmung um zwei Grade ein unkalkulierbares Risiko darstellt.
Besondere Beachtung erhielten die 2050 Klimapläne einiger Industriestaaten: Als erstes Land legte Deutschland einen derartigen Plan vor. Dann folgten die USA, Mexiko und Kanada. Ziel dieser Pläne ist es, Investitionssicherheit zu schaffen. Sie zeigen, dass die Treibhausgasemissionen langfristig auf Null sinken werden. Doch am letzten Tag der Konferenz demonstrierte eine Allianz (CVF) aus 47 besonders Klima-gefährdeten Staaten, wie ehrgeiziger Klimaschutz geht. Diese Länder wollen ihre nationalen Klimapläne überarbeiten und auf 100 Prozent erneuerbare Energien ausrichten. Viele dieser Länder sind klein und haben keine Kohlekraftwerke. Doch für einige Mitglieder der Allianz bedeutet die Ankündigung eine fundamentale Änderung ihrer Energiepolitik. Dies gilt etwa für Äthiopien, Bangladesch, Kenia, Marokko, Tansania und Vietnam. Dort schliesst die Ankündigung den Neubau von Kohlekraftwerken de facto aus. EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete kommentierte die Ankündigung: “Die heutigen Selbstverpflichtungen des CVF sind beeindruckend und inspirierend. Diese Länder haben erneut ihre moralische Führungsrolle in diesem Prozess demonstriert.”
Auch beim Thema Geld erfolgten die Diskussionen in Marrakesch aus einer neuen Perspektive. Noch in Paris ging es hier primär um die ‘100-Milliarden-Dollar-Frage’ – das Versprechen der Industriestaaten ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu “mobilisieren”, um den Entwicklungsländern beim Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Nun haben die Industriestaaten einen ‘Fahrplan’ vorgelegt, der zeigt, wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Damit haben sie die Diskussion dieser Frage weitgehend beendet und die wirklich entscheidende Frage rückt in den Vordergrund: Wie lassen sich jährlich 6000 Milliarden Dollar für klimafreundliche Infrastruktur mobilisieren? Hier geht es nicht mehr darum, ob Staaten dieses Geld aufbringen. Das ist unmöglich. Einzig die Finanz- und Kapitalmärkte verfügen über derartige Summen. In Marrakesch drehten sich die Finanzdiskussionen folglich um die Frage: Wie lassen sich die globalen Finanzströme so umlenken, dass die Märkte ihren Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten?
Eine neue Sicht auf die Klimapolitik machte schliesslich auch der Wahlsieg von Donald Trump in den USA erforderlich. In den letzten Jahren hatte sich die Welt daran gewöhnt, dass die USA zusammen mit China den Kampf gegen den Klimawandel voranbringen. Doch nun drohen die USA auszufallen und es ist unklar, wer an ihre Stelle tritt. Spontan denken hier viele an die EU. Doch der chinesische Vize-Aussenminister Liu Zhenmin erinnert an deren Schwäche: “Die EU muss sich erst mal untereinander einig werden.” Und auch der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flassbarth erwartet nicht, dass die EU die USA in einer G2 Konstellation mit China ersetzt: “Es wird mehrere Pole geben.” Unbeeindruckt von Trumps Wahlsieg bekräftigten die Länder in der (unverbindlichen) ‘Marrakesch Proklamation’, dass sie am eingeschlagenen Weg festhalten werden: Unser “Momentum ist unumkehrbar.”
Neu war in Marrakesch schliesslich die Aufmersamkeit, die nicht-staatliche Akteure wie Bundesstaaten, Städte und Firmen genossen. Diese veranstalteten ein wahres Feuerwerk an Ankündigungen, wie sie den Klimaschutz voranbringen wollen – doch erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob diese auch wirklich umgesetzt werden. Für eine Premiere in der Geschichte der UN-Klimakonvention sorgte schliesslich die Wahl der nächsten Konferenzpräsidentschaft: Fidschi. Der kleine Inselstaat wird die nächste Konferenz zwar präsidieren aber nicht ausrichten. Zum Zug kommt hier Bonn, der Sitz des UN-Klimasekretariats. mic
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