Saudi Arabien erwartet Budgetdefizit von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Die niedrigen Ölpreise sind ein Segen für Ölimportländer. Doch die Exporteure des ‚schwarzen Golds‘ sehen sich mit riesigen Haushaltsdefiziten und einer schrumpfenden Wirtschaft konfrontiert.
Kaum hatte sich der Ölpreis etwas stabilisiert, lässt Peking den Yuan fallen und der Ölpreis fällt mit. Eine US-Energiebehörde (EIA) erwartet auch keine schnelle Besserung. Am Dienstag hat sie den Preis-Ausblick für dieses und nächstes Jahr um rund 10 Prozent gesenkt und erwartet nun einen Ölpreis zwischen 50 und 60 Dollar bis Ende 2016. [1] Aus Sicht von Importländern ist das ein Stimuluspaket: Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg schätzt, dass die Importländer knapp 900 Milliarden Dollar sparen im Vergleich zu einem Ölpreis von über 100 Dollar. [2] Dieses Geld fehlt in anderen Ländern. Kuweit, die arabischen Emirate oder Norwegen haben gigantische Finanzreserven angehäuft und können auch eine längere Phase niedriger Ölpreise ohne Probleme verkraften. Andere hingegen sind in einer weniger komfortablen Situation.
In Russland haben der Ölpreisverfall und die westlichen Sanktionen in Folge der Krim-Annexion eine tiefe Rezession verursacht. Das russiche Bruttoinlandprodukt BIP war im zweiten Quartal dieses Jahres um 4,6 Prozent kleiner als ein Jahr zuvor. Da der Rubel in den letzten zwölf Monaten 40 Prozent seines Werts eingebüsst hat, liegt die Inflationsrate bei über zehn Prozent. Das russische Finanzministeriumk erwartet für dieses Jahr ein Budgetdefizit von 3,7 BIP Prozenten. [4] In Anbetracht der sehr niedrigen Staatsschulden wäre das kein Problem, doch wegen der Sanktionen hat Russland derzeit kaum Zugang zu den internationalen Finanzmärkten. Folglich wird es seine beiden Reservefonds angreifen müssen. Diese umfassen Mittel im Gegenwert von rund sechs Prozent des BIP und reichen damit für weniger als zwei Jahre. [5] Der russische Ökonom Sergei Guriev warnt zudem davor, dass die Militärausgaben aus dem Ruder laufen: im ersten Quartal dieses Jahres betrugen diese neun Prozent des BIP, doppelt soviel wie eigentlich budgetiert. [6] Irene Shvakman von McKinsey in Moskau sagt: „Dies ist bei weitem die schwerste Krise in Russland, sogar wenn man sie mit den Krisen der Jahre 1998 und 2008 vergleicht. Dabei haben wir das Schlimmste noch gar nicht gesehen.“ Und sie warnt: „Der Bankensektor könnte sich als das schwache Kettenglied erweisen.“ [7] Sberbak, die grösste russische Bank, hat dieses Jahr bereits 3600 Mitarbeiter entlassen. [8]
Hohe Militärausgaben sind auch ein Faktor beim Budgetdefizit in Saudi Arabien. Der Internationale Währungsfonds IWF erwartet dort zwar ein gesundes Wachstum von 3,5 Prozent. Doch dieses ist teuer erkauft: Das Budgetdefizit wird dieses Jahr 20 Prozent des BIPs betragen. [9] Dies hinterlässt Spuren in den Reserven des Wüstenkönigreichs: Diese sind in den letzten zwölf Monaten um acht Prozent auf noch 670 Milliarden Dollar gefallen und nehmen Monat für Monat um weitere zwölf Milliarden ab. [10] Neben dem Budgetdezizit ist dafür auch Kapitalflucht verantwortlich. Seit dem arabischen Frühling fliesst jährlich Geld im Gegenwert von acht Prozent des BIPs aus Saudi Arabien ab. [10] Um die Reserven zu schonen hat Saudi Arabien nun beschlossen Schulden aufzunehmen. [11] Damit wird nicht zuletzt die Armee finanziert. Die Militärausgaben machen über zehn Prozent des BIPs aus und werden wegen des Kriegs gegen die Huthi Rebellen im Jemen auch nicht kurzfristig sinken.
Kurz vor dem Staatsbankrott steht derweil Venezuela. Die Märkte haben eine Wahrscheinlichkeit von über 60 Prozent eingepreist, dass das Land innert zwölf Monaten pleite geht. [12] Das Land der ‚bolivarischen Revolution‘ muss dieses Jahr fünf und nächstes Jahr zehn Milliarden Dollar an Krediten zurückzahlen. Diese Summe entspricht fast genau den verbliebenen Reserven von 15 Milliarden Dollar. Wie gut oder schlecht es der Wirtschaft geht, ist in Venezuela Staatsgeheimnis. Die letzten Inflationszahlen sind fünf Monate alt. Damals lag die Rate der Geldentwertung bei 68 Prozent. Doch Analysten schätzen, dass die Inflationsrate mittlerweile über 120 Prozent liegt. [13] Seit 2013 publiziert Venezuela auch keine BIP Zahlen mehr. [14] Der IWF schätzt, dass die Wirtschaft dieses Jahr um sieben Prozent schrumpfen wird. [15] Um seine Devisenreserven zu schonen kürzt Venzuela Importe. Da das Land ausser Öl aber kaum etwas produiert fehlt es nun an fast allem von Klopapier bis zu Medikamenten. Für den Harvard Professor und ehemaligen Planungsminister Venezuelas Ricardo Hausmann ist ein Bankrott kaum mehr abzuwenden: „Es ist nicht so, dass die Regierung einen Staatsbankrott plant. Ich denke, sie werden einfach hineinstolpern.“ [12] Schwierig ist die wirtschaftliche Situation auch im Irak und in Nigeria.
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[1] EIA, 11.08.2015: Short-term energy outlook
[2] Bloomberg, 15.04.2015: Cheap Oil’s Winners and Losers in One Giant Map
[4] The Telegraph, 10.08.2015: Russia crisis deepens as economy suffers worst recession in six years
[6] Project Syndicate, 14.05.2015: Russia’s Indefensible Military Budget
[7] Financial Times, 10.08.2015: Fears of financial crisis rise as Russia’s economy shrinks
[8] Reuters, 11.08.2015: Russian firms, banks shrink as they face fresh peak debt payment
[9] IMF, 01.06.2015: IMF Staff Completes 2015 Article IV Mission to Saudi Arabia
[10] The Telegraph, 05.08.2015: Saudi Arabia may go broke before the US oil industry buckles
[11] CNN, 06.08.2015: OPEC leader Saudi Arabia is having to borrow money
[12] Bloomberg, 28.07.2015: Harvard Professor Now Says Venezuela Won’t Escape Default in ’16
[13] The Economist, 25.07.2015: Crackers in Caracas
[14] The Telegraph, Seven charts showing why Venezuela’s economy is a basket case
[15] Forbes, 28.04.2015: How Bad Is Venezuela’s Economic Crisis?