McKinsey trifft Mahatma Gandhi

Die Umweltbelastung durch europäische Konsumenten muss um 80 Prozent sinken. Unklar ist aber, wie dies erreicht werden kann

Konsumverzicht oder technischer Fortschritt gepaart mit Unternehmertum? Die Lösungsvorschläge für das Problem der Übernutzung natürlicher Reousourcen sind auf den ersten Blick gegensätzlich.

Mahatma Gandhi lehnte Materialismus ab und inspirierte Indiens erste Umweltökonomen. (Foto: Wikipedia)
Mahatma Gandhi lehnte Materialismus ab und inspirierte Indiens erste Umweltökonomen. (Foto: Wikipedia)

Der Resourcenverbrauch europäischer Konsumenten muss um 80 Prozent sinken, wenn die Umwelt nicht zerstört werden soll. Was dies bedeutet zeigt eine Studie [1], die den Verbrauch an nachwachsenden Rohstoffen (Nahrungsmittel, Holz, Baumwolle etc.) und Bodenschätzen (Öl, Metalle, Baustoffe etc.) in Finnland untersucht. Derzeit konsumieren die Finnen im Schnitt 40 Tonnen Material pro Jahr und die Studie zeigt, wie sich dieser Wert auf acht Tonnen senken liesse. Ausschlaggebend sind hierzu Verbesserungen in den Bereichen Verkehr, Wohnen und Ernährung. Denn diese machen 85 Prozent des gesamten Materialverbrauchs aus (siehe Tabelle). Im Bereich Verkehr schlagen die Autoren eine Beinahe-Halbierung der zurückgelegten Kilometer auf noch 10 000 Kilometer pro Person und Jahr vor. Ausserdem muss die private Autonutzung quasi eingestellt werden, um das Einsparziel zu erreichen. Im Bereich Wohnen wollen die Autoren den Wohnraum pro Person auf 20 Quadratmtere halbieren. Zudem müssen die Häuser so gut isoliert sein, dass sie selbst im finnischen Winter nicht geheizt werden müssen. Und im Bereich Ernährung empfehlen die Autoren eine weitgehend fleischlose Kost sowie die Reduktion von Lebensmittelabfällen. Wie die Finnen für einem Verzicht auf regelmässige Reisen, auf die Hälfte ihres Wohnraums und auf das meiste Fleisch gewonnen werden können, erklärt die Studie allerdings nicht.

Finnen verbrauchen rund 40 Tonnen Resourcen pro Jahr. Umweltverträglich wären aber nur acht Tonnen.
Finnen verbrauchen rund 40 Tonnen Resourcen pro Jahr. Umweltverträglich wären aber nur acht Tonnen.

Einen weniger verzichtsorientierten Ansatz zur Verbesserung der Umwelteffizienz moderner Volkswirtschaften empfiehlt derweil McKinsey [2]. Die Unternehmensberater haben ebenfalls erkannt, dass der Umweltverbrauch moderner Volkswirtschaften die Tragfähigkeit des Ökosystems Erde bei weitem übersteigt. Aus Sicht McKinseys ist dies aber nicht ein Problem, sondern eine „noch nie dagewesene Chance“. „Wird der Mangel an Energie, Rohstoffen, Nahrungsmitteln und Wasser das globale Wirtschaftswachstum bremsen?“ fragen die Autoren eines McKinsey Buches und antworten: „Im Gegenteil.“ Denn die zunehmende Knappheit dieser Umweltgüter erhöht deren Preis. Dadurch wird ein Innovationsschub ausgelöst, die Grundlage für die „dritte industrielle Revolution“. Adam Smith, der Vater der Volkswirtschaftslehre, hat in seinem Buch ‚Wohlstand der Nationen‘ aus dem Jahr 1776 drei volkswirtschaftliche Inputfaktoren beschrieben: Arbeit, Kapital und Land. In den ersten beiden industriellen Revolutionen wurde die Produktivität von Arbeit und Kapital um ein Vielfaches gesteigert, doch die Produktivität natürlicher Resourcen wuchs nur marginal. Aus diesem Grund fordert McKinsey nun eine ‚Resourcenrevolution‘. Als Beispiele nennen die Berater die Kosten von Solarzellen und Batterien. Innert fünf Jahren sind die Kosten für Solarzellen von acht Dollar pro Watt auf 2,50 Dollar gefallen. „Diese Art von Wandel hat alle überrascht.“ Und bei Batterien fallen die Kosten bei einer Verdoppelung der Produktion nicht länger nur um vier sondern um acht Prozent. „Damit kommt man auf eine ganz andere Bahn.“ Folglich steht die Welt denn auch nicht vor einer Umweltkrise, sondern „die Weltwirtschaft wird durch ein Bündel an unternehmerischeren Möglichkeiten revitalisiert, die Billionen Dollar an Gewinnen generieren“.

Die 24-jährige Verkehrsingenieurin Sonja Heikkilä hat einen Verkehrsplan für Helsinki entworfen, der privaten Autobesitz überflüssig machen soll. (Foto: Sonja Heikkilä)
Die 24-jährige Verkehrsingenieurin Sonja Heikkilä hat einen Verkehrsplan für Helsinki entworfen, der privaten Autobesitz überflüssig machen soll. (Foto: Sonja Heikkilä)

Konsumverzicht oder Kapitalismus à la McKinsey. Auf den ersten Blick wirken die beiden oben beschriebenen Lösungsansätze für das Problem der Übernutzung natürlicher Resourcen gegensätzlich. Doch die Lösung liegt womöglich in einer Kombination der beiden Vorschläge wie ein Beispiel aus Finnland zeigt. Dieses kombiniert Verzicht mit technischem Fortschritt und Unternehmertum. Finnlands Hauptstadt Helsinki will innert zehn Jahren den privaten Autobesitz überflüssig machen. Denn Autobesitz und –verkehr sind extrem ineffizient. Autos stehen 96 Prozent der Zeit in der Garage und selbst wenn sie fahren geht 86 Prozent der Energie verloren, bevor sich ein Rad dreht. In Helsinki soll daher eine Kombination aus Mietfahrrädern, Minibussen mit flexibler Route und fahrerlosen Elektroautos sowie normalen Bussen, Strassenbahnen und Fähren die Mobilitätsbedürfnisse der Finnen befriedigen. Die verschiedenen Verkehrsmittel werden dazu mit Hilfe einer Smart Phone App vernetzt: Der Nutzer gibt Standort und Zielort in sein Telefon ein und ein Mobilitätsdienstleister schlägt ihm dann die schnellste oder billigste Kombination der verschiedenen Verkehrsmittel vor. Bezahlt wird die ganze Reise dann auch gleich per Telefon. Der Plan beruht auf der Uni-Abschlussarbeit von Sonja Heikkilä, einer 24 jährigen Verkehrsingenieurin. [3] Sie schlägt darin einen virtuellen Marktplatz für Mobilitätsdienstleister vor, die untereinander konkurrieren. Damit hofft Helsinki die Nutzung von Privatautos nicht nur hinsichtlich Preis sondern auch Bequemlichkeit schlagen zu können, denn die Kombination der Verkehrsmittel ermöglicht Punkt zu Punkt Fahrten wie ein Auto. Wenn dies gelingt fällt der Verzicht auf ein eigenes Auto leicht und ein marktbasierter Ansatz ermöglicht tatsächlich eine Verbesserung der Resourcenproduktivität um ein Vielfaches. McKinsey trifft Mahatma Gandhi. mic

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[1] Michael Lettenmeier et al., 2014: Eight Tons of Material footprint – Suggestion for a Resource Cap for Household Consumption in Finland

[2] Stefan Heck et al. (McKinsey), 2014: Resource Revolution: How to Capture the Biggest Business Opportunity in a Century

[3] Business Insider, 04.08.2014: A 24-Year-Old Transport Engineer Is About To Free Her City From Car Ownership