Mit regionalen Abkommen wird der Welthandel von unten her liberalisiert
Während die Doha Runde der Versuch war, den Welthandel von oben her zu liberalisieren, stehen die grossen regionalen Abkommen für einen Bottom-Up Ansatz. Im besten Fall ist das Resutat das Gleiche allerdings mit einem feinen Unterschied. Beim Bottom-Up Ansatz macht weiter der Westen die Regeln.
Der Doha Runde nachzutrauern bringt Nichts. Ökonomen sind sich zwar weitgehend einig, dass eine multilaterale Liberalisierung des Handels für alle Länder enorme Vorteile bringen würde. Doch Handelsverträge werden nicht von Wirtschaftsprofessoren sondern von Politikern ausgehandelt. Und letztere können sich derzeit nicht einigen, sondern halten sich an ein Diktum des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck: „Politik ist die Kunst des Möglichen.“ Und möglich erscheint derzeit unter anderem ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und den USA – ein Abkommen dem noch vor wenigen Jahren kaum Chancen eingeräumt wurden. Ähnlich verhält es sich mit dem transpazifischen Pendant. Noch vor wenigen Monaten galt es als wenig wahrscheinlich, dass sich Japan daran beteiligen könnte. Doch mit der Wahl von Shinzo Abe zum Premierminister und dem vorläufigen Erfolg seiner als ‚Abenomics‘ bezeichneten Wirtschaftspolitik erscheinen die strukturellen Veränderungen durchsetzbar, die durch einen Beitritt zur Transpazifischen Partnerschaft TPP erforderlich werden. Und so dürfte die internationale Handelspolitik der nächsten zwei, drei Jahre durch die Verhandlungen dieser beiden ‚mega-regionalen‘ Abkommen dominiert werden. Hinzu kommen sektorspezifische Abkommen, etwa über Dienstleistungen, die von einer kleinen Gruppe von Ländern vereinbart werden (siehe Artikel oben).
Diese Entwicklung birgt zwei Gefahren: Zum einen könnte die Autorität der WTO darunter so sehr leiden, dass immer mehr Länder auch die WTO Schiedsgerichtsbarkeit in Handelsstreitigkeiten in Frage stellen. Dort kann auch ein Kleinstaat gegen eine Supermacht sein Recht durchsetzen. Gäbe es dieses Schiedsgericht nicht, herrschte im internationalen Handel schlicht das Recht des Stärkeren. Und zum anderen besteht die Gefahr, dass sich ein System des ‚managed trade‘, also des staatlich organisierten Handels, zwischen grossen Wirtschaftsblöcken herausbildet. So könnten die Mitglieder der transatlantischen und transpazifischen Freihandelszonen versucht sein, China auszugrenzen. Doch diese beiden Gefahren lassen sich vermeiden, solange die Länder am Ideal des freien Welthandels festhalten, auch wenn derzeit auf multilateraler Ebene keine weitere Liberalisierung möglich ist. Dazu ist es wichtig, dass die‘ mega-regionalen‘ Deals neuen Mitgliedern offen stehen. So könnte die Transatlatische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP etwa in einem zweiten Schritt auf die ganze Nordamerikanische Freihandelszone Nafta ausgedehnt werden und auch Kanada und Mexiko umfassen. Diesseits des Atlantiks könnte die TTIP auf die Türkei, die mit der EU in einer Zollunion verbunden ist, sowie auf die Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums EWR, die am EU Binnenmarkt teilnehmen, ausgeweitet werden. Anschliessend wäre auch ein Abkommen zwischen den TTIP und den TTP Mitgliedern möglich. So könnte nach und nach ein eine immer grössere Freihandelszone entstehen, die dann für die grossen Schwellenländer derart attraktiv ist, dass sie nicht länger abseits stehen wollen oder können.
Mit der Aushandlung dieser ‚mega-regionalen‘ Abkommen ist also eine Umkehrung des Ansatzes in der internationalen Handelspolitik erfolgt. Während die Doha Runde einen Top-Down Ansatz verfolgt, wo zentral Regeln für alle Länder gemacht werden, beruht die Handelspolitik in der Post-Doha-Welt auf einem Bottom-Up Ansatz. Durch sektorspezifische oder ‚mega-regionale‘ Abkommen werden Standards geschaffen, denen sich nach und nach die meisten WTO Mitglieder anschliessen. Im besten Fall ist das Ergebnis nach einigen Jahren sowohl beim Top-Down als auch beim Bottom-Up Ansatz das Gleiche: Freier aber regelbasierter Handel zwischen (fast) allen Ländern der Welt.
Trotzdem gibt es aber einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Ansätzen: Wer die Regeln macht. Beim Bottom-Up Ansatz werden die Regeln vom Westen gemacht und den grossen Schwellenländern wird über kurz oder lang kaum etwas anderes übrig bleiben als diese Regeln zu übernehmen. Im Rahmen der TTP und der TTIP können etwa Vorschriften für Staatsbetriebe festgeschrieben werden, die China oder etwa Russland bei multilateralen Verhandlungen mit einem Veto belegen würde. Das Gleiche gilt für Umwelt- und Sozialstandards über die zu verhandeln, sich die Schwellenländer schlicht weigern. Kurz, die beiden ‚mega-regionalen‘ Abkommen können auf moderne und demokratische Volkswirtschaften zugeschnitten werden, mit einer grossen Dienstleistungskomponente und einem starken Schutz von geistigem Eigentum. Das ist nicht sonderlich selbstlos, aber für die Entwicklung des Welthandels wohl der richtige Weg. Denn langfristig wollen ja auch die grossen Schwellenländer den westlichen Entwicklungsstand erreichen und spätestens dann brauchen sie diese Regeln dann eh. mic
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