Beginn der Verhandlungen für neuen Weltklimavertrag durch prozedurale Fragen gelähmt
Bei den Klimaverhandlungen in Bonn haben die Länder zwei Wochen gebraucht, um sich auf die Agenda zu einigen. Manche Entwicklungsländer haben noch Schwierigkeiten mit der Idee, dass nicht nur die Industriestaaten zu einer Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet sind.
Die Mauer wird fallen, doch was auf der anderen Seite kommt ist noch unklar. Die Rede ist von der „Brandmauer“ zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern bei den Klimaverhandlungen. Bislang hat diese Mauer die Länder der Welt in zwei Gruppen geteilt: Auf der einen Seite stehen die Industriestaaten, die zur Reduktion ihrer Emissionen verpflichtet sind, und auf der anderen Seite stehen die Entwicklungsländer, die keine Reduktionsverpflichtungen haben, da sie sich ja erst noch entwickeln müssen. Doch diese Woche wurde in Bonn offiziell mit dem Abbruch dieser Mauer begonnen. Gestützt auf die Beschlüsse der Klimakonferenz Ende letzten Jahres in Durban, Südafrika, haben die Klimadiplomaten begonnen, einen neuen Weltklimavertrag auszuhandeln. Diese Verhandlungen sollen bis Ende 2015 abgeschlossen sein, damit der neue Vertrag dann im Jahr 2020 in Kraft treten kann. Und in diesem neuen Vertrag müssen sich auch die Schwellenländer zu einer Begrenzung ihrer Emissionen verpflichten. Doch die Verhandlungen für diesen neuen Vertrag sind noch nicht weit gediehen. Bis zum letzten Tag haben sich die Länder um die Agenda und den Vorsitzenden für diesen Verhandlungsstrang gestritten. Mangels Konsens hinsichtlich des Vorsitzenden wurde gar erwogen, diesen zu wählen – ein in den Annalen der Verhandlungen unerhörtes Vorkommnis.
Bei der Diskussion um die Agenda ging es vor allem um die Frage in welchem Rahmen die Reduktionsverpflichtungen der Industriestaaten für die Jahre 2013 bis 2020 verhandelt werden sollen. Bislang gab es dafür zwei Verhandlungsstränge, einen für die Kyoto Länder (EU, Schweiz, Norwegen, Australien und Neuseeland) und einen für die anderen Industriestaaten (USA, Japan und Kanada). Doch diese beiden Stränge sollen bei der grossen Klimakonferenz Ende dieses Jahres in Doha, Qatar, „in Würde sterben“, wie der Vertreter Chinas gesagt hat. Ab 2013 wird dann ausschliesslich im Rahmen des neuen, in Durban begründeten, Verhandlungsstrangs für einen neuen Weltklimavertrag weiterverhandelt. Die Entwicklungsländer befürchten daher, dass sie bereits ab 2013 und nicht erst 2020 in die Pflicht genommen werden, wenn sie weitere CO2 Reduktionen der Industriestaaten fordern. Kurz, die Entwicklungsländer wollen sicherstellen, dass die Brandmauer tatsächlich erst mit Inkrafttreten des neuen Weltklimavertrags endgültig fällt.
Beim Streit über den Vorsitz des neuen Verhandlungsstrangs zeigt sich, dass es für die Gruppe der Entwicklungsländer, G77 plus China, zunehmend schwierig ist, eine gemeinsame Position zu formulieren. „Es gibt tiefe Gräben innerhalb von G77 plus China“ sagt Wendel Trio, Direktor der Umweltorganisation CAN Europe. [1] „Die Gruppe hat keine gemeinsame Position mehr bei der Verlängerung des Kyoto Protokolls. Und bei der Frage des Vorsitzenden, wollen die ärmsten Länder der Welt und die kleinen Inselstaaten zusammen mit der EU den indischen Kandidaten verhindern.“ Denn Indien hatte wegen seiner niedrigen Pro-Kopf-Emissionen in Durban am vehementesten für die Beibehaltung der Brandmauer gekämpft. „Es gibt viel Ängstlichkeit im Raum, wenn man von einem alten Paradigma zu einem neuen wechselt.“ sagt Artur Runge–Metzger, der Chefklimaverhandler der EU Kommission. [2] „Die meisten Industrie- und Entwicklungsländer würden gerne schneller vorangehen, aber es gibt eine kleine Zahl von Ländern, zwei Handvoll, die den anderen nicht vertrauen.“ Aus Sicht des Klimas war die Brandmauer zuletzt nur noch ein Hindernis, aber manche fühlten sich durch die Mauer auch beschützt. Denn in Zukunft ist die Welt nicht einfach zweigeteilt, sondern muss differenzierter betrachtet werden. mic
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[1] Telefoninterview am 25.05.2012
[2] Pressekonferenz am 25.05.2012