Europa sollte seine Klimapolitik von den Verhandlungen abkoppeln
Die Verlängerung des Kyoto Protokolls spart keine einzige Tonne CO2, denn die EU wird dort einfach ihr internes Reduktionsziel von minus 20 Prozent bis 2020 festhalten (im Vergleich zu 1990). Und auch wenn bis 2015 ein neuer Weltklimavertrag ausgehandelt wird, bedeutet dies nicht, dass sich die Länder ehrgeizigere Emissionsziele setzen als heute. Insbesondere die Entwicklungsländer werden auf leicht erreichbaren Zielen bestehen, wenn sie sich zum ersten Mal international zu CO2 Reduktionen verpflichten müssen. Ihre hohen Wachstumsraten kombiniert mit Schwierigkeiten bei der Erfassung der Emissionen lassen kaum etwas anderes zu. Selbst wenn es also gelingt den Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bei den Klimaverhandlungen zu überwinden, werden die vereinbarten Reduktionsziele auf absehbare Zeit weder der Dringlichkeit noch der Bedeutung des Klimawandels gerecht werden. Kurz, die Verwaltung des Klimawandels wird vielleicht immer besser, aber damit wird der Klimawandel noch nicht gestoppt.
Trotzdem macht die EU ihre Klimapolitik nachwievor vom Verlauf der Klimaverhandlungen abhängig: Sie will ihr Reduktionsziel von minus 20 Prozent nur dann auf minus 30 Prozent verbessern, wenn sich die anderen Länder zu vergleichbaren Reduktionen verpflichten. Damit verkennt sie die Funktion der Klimaverhandlungen: Diese dienen der Koordination der Anstrengungen in den verschiedenen Ländern. Sie eignen sich aber (noch) nicht dazu, das Tempo der Reduktionen vorzugeben. Und eine Verbesserung des EU Klimaziels auf 30 Prozent eignet sich auch nicht als Verhandlungschip wie die Drohung das Kyoto Protokoll platzen zu lassen. Kein Land wird wegen Europa einem Klimaziel zustimmen, mit dem es sich überfordert fühlt. Aus diesem Grund sollte Europa seine interne Klimapolitik vom Fortgang der Verhandlungen entkoppeln und auf die drei europäische Interessen ausrichten: 1. Begrenzung der Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad. 2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und 3. Verbesserung der Energiesicherheit inbesondere im Hinblick auf eine abnehmende Ölproduktion und folglich steigende Preise (Peak Oil).
Basierend auf diesem Dreigestirn des europäischen Eigeninteresses lassen sich dann die Reduktionsziele für die Jahre 2020 und 2050 festlegen. Für das Jahr 2020 sollte die EU dabei ihr Ziel auf minus 30 Prozent verbessern. Dies würde insbesondere dem europäischen Emissionshandel die Chance geben sein volles Potential zu entfalten. Und für das Jahr 2050 sollte die EU ihren bisherigen Zielkorridor von minus 80 bis minus 95 Prozent aufgeben und minus 95 Prozent anstreben. Dies hätte mehrere Vorteile: Ein Reduktionziel von 95 Prozent entspricht dem aktuellen Stand der Klimawissenschaften. Ausserdem kommuniziert diese Zahl die Grösse der Herausforderung. Denn noch ist nur wenigen bewusst, dass die Menschheit ihre CO2 Emissionen auf quasi Null oder sogar unter Null reduzieren muss, wenn sie eine nachhaltige Störung des Klimasystems vermeiden will. Und schliesslich erhält die Wirtschaft mit der Zielmarke minus 95 Prozent die stets angemahnte Planungssicherheit: Während bei einem 80 Prozent Ziel sich noch jede Branche Hoffnungen machen kann unter die verbleibenden 20 Prozent zu fallen, ist das bei einem 95 Prozent Ziel nahezu ausgeschlossen.
Eine derartige, am EU Eigeninteresse ausgerichtete Klimapolitik, bedeutet aber nicht, dass die EU diese in Isolation verfolgen muss. Im Gegenteil. Das 95 Prozent Ziel sollte als Grundlage dienen um eine „Koalition der Willigen“ zu schmieden, idealerweise unter Einbezug Chinas. Denn auch den meisten anderen Ländern dürfte mittlerweile klar sein, dass sich die Klimaverhandlungen nicht als Taktgeber für die Emissionsreduktionen eignen und es einer Alternative bedarf, wie einem Ziel: Minus 95 Prozent bis 2050 oder neudeutsch und kurz: „95 by 2050“. mic
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