Die Schweiz hilft Zentralasien beim Wasser Sparen

Die Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft ist schwieriger als gedacht

Der Fall der Mauer, Demokratie und Menschenrechte von Polen bis Bulgarien, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten: Aus westlicher Sicht war der Zusammenbruch der Sowjetunion Befreiung, eine Aufbruch in eine neue, bessere Zeit. Aus Sicht der zentralasiatischen Republiken des Grossreichs stellt sich die Situation anders dar: Plötzlich gab es Grenzen, wo zuvor ein integrierter Wirtschaftsraum bestand.

Ein Opfer der „grössten Tragödie der Menschheitsgeschichte“ (Wladmir Putin über das Ende der Sowjetunion) war die regionale Zusammenarbeit zwischen den zentralasiatischen Republiken. Dies trifft insbesondere auf die wichtigste Ressource – Wasser – zu. Die Sowjets hatten im flussaufwärts gelegenen Kirgistan und Tadschikistan riesige Reservoirs gebaut um im Winter Wasser zu sammeln. Dieses wurde dann im Sommer zur Bewässerung der Baumwollfelder im flussabwärts gelegenen Usbekistan benutzt. Im Gegenzug versorgte dieses Kirgistan und Tadschikistan mit Energie im Winter. Heute lassen die beiden „Wasserschlösser“ das Wasser im Winter durch die Turbinen rauschen, weil sie von den Usbeken keine Energie fürs Heizen mehr bekommen. Und im Sommer ist dann kein Wasser für die Baumwollfelder mehr da. Hinzu kommt, dass die gesamte zur Verfügung stehende Menge an Wasser wegen des Klimawandels in den letzten zehn Jahren um ein Viertel abgenommen hat und die Bevölkerung rasant wächst.

Doch das Wassermanagement in Zentralasien ist nicht nur ein politisches sondern auch ein praktisches Problem. Und genau hier setzt die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit an: Die Weltbank schätzt, dass 50 Prozent des Wassers ungenutzt verloren geht, je zur Hälfte aufgrund schlechten Managements und aufgrund des schlechten Unterhalts der Kanalinfrastruktur. Während sich nun die Weltbank um die Rehabilitierung der Infrastruktur, der Hardware, kümmert, konzentriert sich die Schweiz auf die Software, das Wassermanagement.

„Früher wurde das Wasser Top-Down vom Staat den Baumwollplantagen zugeteilt. Nach Auflösung der Kolchosen und der Verteilung des Lands an die Bauern hat sich die Landwirtschaft aber differenziert. Getreide oder Gemüse brauchen nicht gleich viel Wasser wie Baumwolle. Wir müssen also zu einem bedarfsabhängigen System der Wasserzuteilung kommen.“ erklärt Omina Islamowa, die Leiterin des Schweizer Wasserprojekts in Zentralasien. Die Bauern entlang der Bewässerungskanäle schliessen sich zu diesem Zweck zu Gruppen zusammen und alle Gruppen entlang eines Hauptkanals zu Vereinen. Der Wasserbedarf kann so Bottom-Up ermittelt werden. Die Fehlzuteilung konnte so von zwölf auf vier Prozent gesenkt werden, sagt Islamowa.

Ein weiterer Ansatzpunkt um den Wasserverbrauch zu reduzieren ist die Einführung einer verbrauchsabhängigen Wassergebühr, erklärt Islamowa weiter. Zu Sowjetzeiten war Wasser kostenlos. Doch dann hat die Regierung Kirgistans die Kanäle den Bauern geschenkt, also privatisiert, da sie den Unterhalt des Kanalsystems nicht länger tragen konnte. „Zur Zeit bezahlen die Bauern jährlich 20 Dollar pro Hektar bewässerten Ackerlands für den Unterhalt der Kanäle. In Zukunft sollen sie aber für das tatsächlich bezogene Wasser bezahlen.“, sagt Islamowa. Die stark zentralisiert Kommandowirtschaft der Sowjetunion wird so durch einen demokratischeren und marktwirtschaftlicheren Ansatz ersetzt.

„Der Westen hat die Probleme bei der Umstellung der Planwirtschaft auf die Marktwirtschaft massiv unterschätzt“, sagt Hans Peter Maag, der Leiter der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Kirgistan. „Man hat geglaubt, dass nur weil alle Menschen in der Sowjetunion lesen und schreiben konnten, sei der Übergang einfach. Dabei ist in Kirgistan nach der Unabhängigkeit die Wirtschaft kollabiert. Die Arbeitsteilung in der sowjetischen Planwirtschaft, wo Einzelteile etwa Schrauben zentral für die ganze Union hergestellt wurden, funktionierte nicht zwischen unabhängigen Staaten. Besonders hart traf dies aber diejenigen Republiken, die massiv von Moskau subventioniert worden waren, wie Kirgistan oder Tadschikistan.“ Trotzdem zeigt sich Maag optimistisch, dass sich die Umstellung auf Demokratie und Marktwirtschaft bewerkstelligen lässt: „Wenn ich nicht optimistisch wäre, wäre ich hier am falschen Ort. Es ist halt alles eine Frage der Zeit.“ mic

Am 7. November findet in Solothurn die Jahreskonferenz der Schweizer Ostzusammenarbeit zum Thema „Schlüsselressource Wasser“ statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmelden kann man sich auf den folgenden Webseiten: www.deza.admin.ch und www.seco-cooperation.ch

Schweiz hilft weniger als andere

Die Schweiz hat letztes Jahr 1,5 Milliarden Franken für Entwicklungshilfe ausgegeben. Der mit Abstand grösste Teil der Schweizer Entwicklungshilfe, über 70 Prozent, geht in die Länder des Südens, insbesondere nach Afrika. Der grösste Empfänger ist allerdings Vietnam mit einem Budget von 36 Millionen. Weitere 20 Prozent gibt die Schweiz für humanitäre Hilfe in Kriegs- und Katastrophengebieten aus. Und die verbleibenden 10 Prozent investiert die Schweiz in den Ländern Osteuropas, im Südkaukasus und in Zentralasien. Das Budget für Kirgistan lag letztes Jahr bei 12,5 Millionen.

Die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz macht 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) aus. Damit liegt die Schweiz unter dem Durchschnitt der reichen Industrieländer, der bei 0,45 Prozent liegt. Die Zielvorgabe der UNO liegt aber noch höher, nämlich bei 0,7 Prozent. Dieser Wert wird derzeit aber nur von fünf europäischen Ländern erreicht. Derzeit diskutieren National- und Ständerat eine Erhöhung der Schweizer Hilfe: Die kleine Kammer fordert eine Erhöhung auf 0,5 Prozent bis im Jahr 2015.

Organisatorisch ist die Schweizer Entwicklungshilfe auf zwei Departemente aufgeteilt. Das Departement für Entwicklungszusammenarbeit (Deza) im Aussenministerium und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) im Wirtschaftsdepartement. Das Deza verfügt allerdings über den Löwenanteil des gesamten Budgets: 87 Prozent. mic