Eklat zum Abschluss der Artenschutzkonferenz

Mangels Quorum konnten die wichtigsten Agendapunkte nicht verabschiedet werden

Einen Flug zu verpassen, kann teuer werden. Wenn eine Konferenz länger dauert als geplant, reisen daher viele Delegierte von ärmeren Ländern vor Ende ab. Aus diesem Grund konnte die UN-Artenschutzkonferenz schließlich einige wichtige Beschlüsse nicht verabschieden.

Nicht beschlussfähig. Die UN-Biodiversitätskonferenz in der kolumbianischen Großstadt Cali endete mit einem Eklat: Nachdem die Konferenz bereits 14 Stunden länger gedauert hatte als geplant, beantragte Peru festzustellen, ob noch genügend Länder vertreten sind. Daraufhin ließ das Sekretariat der UN-Artenschutzkonvention nachzählen: Und tatsächlich, das Quorum war nicht mehr gegeben und damit war die abschließende Plenarversammlung nicht mehr beschlussfähig. Zu viele Delegierte von meist ärmeren Ländern waren bereits abgereist, sodass weniger als die Hälfte der Länder noch vertreten war. Ärmere Länder haben bei solchen Konferenzen stets das Problem, dass sie aus Kostengründen ihre Reispläne nicht kurzfristig ändern können.

Damit konnte nicht mehr über die beiden wichtigsten Agendapunkte der Konferenz entschieden werden: die Finanzierung und die Regeln zur Überwachung der Umsetzung. Bei der Finanzierung hatte sich bereits zuvor abgezeichnet, dass noch mehr Zeit nötig sein würde. Die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad hatte einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der die Schaffung eines neuen Fonds für den Artenschutz vorsah. Doch die EU, Kanada, Japan und die Schweiz lehnten dies rundheraus ab. Diese Länder argumentierten, dass die Finanzierung über die Globale Umweltfazilität (GEF) beibehalten werden sollte und durch die Schaffung eines neuen Fonds nur Zeit verloren geht. Aus Sicht vieler Entwicklungsländer wird der GEF aber zu sehr durch die Industriestaaten dominiert, weswegen sie einen separaten Fonds gefordert haben.

Party. Die Entscheidung ein permanentes Gremium für die Indigenen zu schaffen, bekam mit Abstand am meisten Applaus. (Foto: Mike Muzurakis / IISD)
Party. Die Entscheidung ein permanentes Gremium für die Indigenen zu schaffen, bekam mit Abstand am meisten Applaus. (Foto: Mike Muzurakis / IISD)

Nicht beschlossen wurden zudem die Regeln, mit denen die Umsetzung der globalen Artenschutzziele überwacht werden soll. Diese Ziele sehen etwa vor, dass die Länder 30 Prozent ihrer Land- und Wasserfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz stellen. Darauf hatten sich die Staaten vor zwei Jahren geeinigt, was als großer Erfolg galt. Bei der Konferenz in Cali sollte es nun um die Umsetzung gehen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte daher: „Ziele, die nur auf dem Papier stehen, bewirken noch keine Veränderung. Deshalb müssen wir hier ein Regelwerk mit messbaren, wissenschaftlichen Indikatoren verabschieden, mit dem wir die Fortschritte überprüfen und vergleichen können.“ Doch auch dieses Regelwerk fiel dem mangelnden Quorum zum Opfer und kann nun frühestens bei der nächsten Artenschutzkonferenz in zwei Jahren verabschiedet werden.

Umweltorganisationen kritisierten denn auch das Resultat der Konferenz: „Die Verhandlungsführer haben einige der kritischsten Themen bis zum Schluss aufgeschoben, so dass ihnen die Zeit davonlief, aber leider wird das Anhalten der Uhr bei den Verhandlungen nicht das Gleiche für den Verlust der Natur bedeuten.“, sagte etwa Catherine Weller von der britischen Naturschutzorganisation Fauna & Flora. [1] „Es gab keine Fortschritte bei der Frage, wie wir die Wiederherstellung der Natur finanzieren werden, und auch keine Klarheit darüber, wie wir die Fortschritte auf globaler Ebene überwachen.“ Und Brian O’Donnell von der Dachorganisation Campaign for Nature mahnte an, den Artenschutz wichtiger zu nehmen: „Die Aussetzung der COP ohne eine vereinbarte Finanzstrategie ist alarmierend. In Zukunft müssen die Staats- und Regierungschefs der biologischen Vielfalt eine viel höhere politische Priorität einräumen, insbesondere in den Finanzministerien.“ [2]

Solange die Konferenz noch beschlussfähig war, konnte allerdings ein weiterer, umstrittener Punkt geklärt werden: die Bezahlung für die Nutzung genetischer Ressourcen. Viele Medikamente, Kosmetika und andere Chemikalien beruhen auf Gensequenzen von Pflanzen und Tieren. Die Länder, aus denen diese Arten stammen, sollen daher finanziell von der Nutzung dieser Gensequenzen profitieren. Dazu wird nun ein Fonds aufgesetzt, in den die Industrie einzahlt. Diese Zahlungen sind „freiwillig“, aber es wird dennoch damit gerechnet, dass rund eine Milliarde Dollar pro Jahr zusammenkommen. Die Hälfte dieses Geldes soll indigenen Völkern in den Ländern zugutekommen. Damit erzielten diese den zweiten großen Erfolg in Cali. Zuvor war entschieden worden, dass im Rahmen der UN-Artenschutzkonvention eine permanente Arbeitsgruppe zu den Belangen der Indigenen eingesetzt wird.

Die Länder einigten sich zudem auf eine bessere Verzahnung zwischen Arten- und Klimaschutz. Im Hinblick auf die 29. UN-Klimakonferenz (COP29) im November in Aserbaidschans Hauptstadt Baku sagte Muhamad: „Das ist eine wichtige Entscheidung. Wir wollen eine starke Botschaft nach Baku senden.“ [3] Um die Verabschiedung möglich zu machen, mussten allerdings gleich mehrere Absätze aus dieser Entscheidung gelöscht werden: „Geoengineering“ wie etwa die Kühlung des Klimas durch die Ausbringung von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre wird nun nicht mehr erwähnt. Außerdem bleibt unerwähnt, dass der Verlust von Tier- und Pflanzenarten wegen der Klimaerwärmung eine Form von „Verlusten und Schäden“ darstellt. Letzteres ist in den Klimaverhandlungen ein besonders umkämpftes Konzept. Aus diesem Grund war es einigen Ländern offensichtlich ein Anliegen, keine Vorfestlegungen im Rahmen der Artenschutzkonvention zu machen.

Am Rande der Konferenz haben zudem Kolumbien und Brasilien eine Initiative vorangetrieben, die bereits nächstes Jahr umgesetzt werden könnte. Brasilen wird dann die 30. UN-Klimakonferenz in Belém, der größten Stadt im Amazonas, ausrichten. Bei der Initiative geht es denn auch um den Erhalt der tropischen Regenwälder. Dazu soll ein 125-Milliarden-Dollar-Fonds aufgesetzt werden, dem reiche Länder Geld zu günstigen Konditionen für 20 Jahre leihen. Dieses Geld wird dann zu höheren Zinsen am Kapitalmarkt angelegt. Vom Ertrag bekommen dann Länder mit tropischen Regenwäldern Geld – vorausgesetzt satelittengestützte Messungen zeigen, dass die Waldfläche nicht geschrumpft ist. Länder wie Deutschland, die USA oder die Arabischen Emirate haben bereits Interesse an diesem neuen Finanzierungsmodell signalisiert. Razan Al Mubarak, die Chefin des Umweltamts der Emirate, sagte in Cali über den Fonds: „Dies ist ein Fonds, bei dem es heißt: ‘Geh aufs Ganze oder geh nach Hause’. Das ist der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind.“ [4]

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[1] Fauna & Flora, 02.11.2024: Tweet

[2] Campaign for Nature, 02.11.2024: Statement by Brian O’Donnell, Director, Campaign for Nature, on the Outcomes of COP16

[3] Daisy Dunne, 02.11.2024: Tweet

[4] Mongabay, 30.10.2024: ‘A fund unlike any other’ will pay tropical nations to save forests