Artenschutzkonferenz will Frieden mit der Natur

Zentrales Thema ist auch beim globalen Artenschutz die Finanzierung

Die Artenvielfalt und die Populationen von wildlebenden Tieren sind massiv unter Druck. Daher wurden vor zwei Jahren neue, globale Artenschutzziele vereinbart. Nun geht es um die Umsetzung und die Finanzierung.

Am Montag beginnt in der kolumbianischen Großstadt Cali die 16. UN-Biodiversitätskonferenz. Es ist die erste Konferenz nach Verabschiedung von neuen Zielen für den globalen Artenschutz im Dezember 2022 in Montreal. Damals wurde vereinbart, 30 Prozent der Land- und Wasserfläche des Planeten unter Schutz zu stellen. Die neue Chefin der UN-Biodiversitätskonvention Astrid Schomaker sagte daher in einem Interview mit der Klimapublikation Carbon Brief: „Wir haben erst vor zwei Jahren einen ehrgeizigen Rahmen geschaffen und müssen nun prüfen, ob dieser Rahmen tatsächlich so viel verändert hat, wie die Leute glauben.“ [1] Aus Sicht der deutschen Diplomatin, die ihr neues Amt erst im Juli angetreten hat, bedeutet das vor allem: „Wir müssen prüfen, ob diese Verpflichtungen tatsächlich umgesetzt werden.“

Stand heute sieht das eher mau aus: Bislang haben erst 25 Länder und die EU einen „nationalen Artenschutz-Aktionsplan“ vorgelegt und die anderen 170 Mitglieder haben die Frist bis zur Konferenz nicht eingehalten. [2] Dazu gehört auch Deutschland und das Gastgeberland der Konferenz, Kolumbien. Schomaker lässt sich davon allerdings nicht beirren: „Für uns ist es wichtig, die enorme Mobilisierung zu sehen. Wir haben die größte Biodiversitätskonferenz aller Zeiten. Wir haben mehr Medien, mehr Unternehmen, mehr Interessengruppen und mehr Delegierte als jemals zuvor.“ [1] Aus Sicht von Schomaker bedeutet das: „Die Menschen haben erkannt, dass wir eine andere Beziehung zur Natur haben müssen. Sie betrachten die Natur und den Klimawandel zusammen und erkennen, dass wir die Klimakrise nicht lösen können, ohne die Naturkrise mitzuberücksichtigen.“

Tepui. Kolumbien ist eines der artenreichsten Länder der Welt und beherbergt den weltgrössten Regenwaldnationalpark. (Foto: Julia Miranada / WWF)
Tepui. Kolumbien ist eines der artenreichsten Länder der Welt und beherbergt den weltgrössten Regenwaldnationalpark. (Foto: Julia Miranada / WWF)

Die Konferenz steht denn auch unter dem Motto „Frieden mit der Natur“. Aktuell sieht es allerdings noch nicht danach aus. Ein Bericht der Umweltorganisation WWF zeigt, dass die durchschnittliche Populationsgröße von Wildtieren in den letzten 50 Jahren um knapp drei Viertel zurückgegangen ist. [3] Rebecca Shaw vom WWF sagte daher: „Der drastische Rückgang der Wildtierpopulationen ist eine dringende Warnung. Wenn die Natur gefährdet ist, ist sie anfälliger für den Klimawandel und rückt näher an regionale Kipppunkte heran. Wenn dies an zu vielen Orten rund um den Globus geschieht, bedroht es die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, und die Lebensmittel, die wir essen.“ [3] Das wäre zudem auch schlecht für die Wirtschaft, wie das World Economic Forum (WEF) schon im Jahr 2020 festgestellt hat: Mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung ist gefährdet, „als Folge der Abhängigkeit von Firmen von der Natur.“ [4]

Geld und der mögliche Beitrag der Wirtschaft werden denn auch ein großes Thema in Kolumbien sein. Vor zwei Jahren haben sich die Länder darauf geeinigt, 200 Milliarden für den globalen Artenschutz zu „mobilisieren“. Davon sollen bis nächstes Jahr 20 Milliarden und bis Ende des Jahrzehnts 30 Milliarden aus öffentlichen Geldern stammen. Mit diesen Mitteln soll Geld aus der Wirtschaft gehebelt werden, um auf die 200 Milliarden zu kommen. Gemäß WEF sollte das machbar sein: Dessen Bericht beschreibt 15 „Geschäftsgelegenheiten“ mit einem Volumen von 10.000 Milliarden Dollar pro Jahr und knapp 400 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen. [4] Ein Ansatz, um die erforderlichen Summen und das Potential der Wirtschaft zu mobilisieren, sind „Naturgutschriften“, die Artenschutz lukrativ machen. Die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, sagte im September: „Wir können einen Markt für die Wiederherstellung unseres Planeten schaffen. Wir müssen all jenen, die Ökosystemleistungen erbringen, Geld zukommen lassen.“ [5]

In Cali wird es aber auch darum gehen, die „Verwaltung“ der globalen Artenvielfalt weiter zu verbessern. Bei der Aushandlung des Rahmenabkommens vor zwei Jahren sind noch viele Fragen offen geblieben. Dazu zählt etwa das Berichtswesen zur Überprüfung der erzielten Fortschritte in den verschiedenen Ländern. Zudem soll die Rolle der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften weiter gestärkt werden. Diese verwalten rund die Hälfte der globalen Landfläche und mehr als ein Drittel der noch intakten Wälder. Und das mit Erfolg: Die Entwaldung in diesen Gebieten ist geringer als anderswo. [6] Ein heftig umstrittenes Thema ist schließlich die Verteilung der Profite aus der Nutzung der Gene von Tier- und Pflanzenarten, etwa durch die Pharmaindustrie. Hier sollen auch die Länder, aus denen diese Tiere und Pflanzen stammen, einen Teil der Einnahmen erhalten. Und vielleicht könnte man diese Mittel dann für den Naturschutz nutzen, denn ohne Natur keine Wirtschaft.

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[1] Carbon Brief, 10.10.2024: The Carbon Brief Interview: UN biodiversity chief Astrid Schomaker

[2] Carbon Brief, Stand 17.10.2024: COP16: More than 85% of countries miss UN deadline to submit nature pledges

[3] WWF, 09.10.2024: Catastrophic 73% decline in the average size of global wildlife populations in just 50 years reveals a ‘system in peril’

[4] WEF, 2020: The Future Of Nature And Business (PDF)

[5] EU, 13.09.2024: Keynote speech by President von der Leyen at the DLD Nature Conference

[6] WRI, 30.09.2024: 5 Things Countries Can Do this Year to Stop Biodiversity Loss