Das Klima und die Markteffizienzhypothese

Firmen mit hohen Emissionen zahlen mehr Zinsen

Sind Märkte rational und wenn ja, gilt das dann auch für die Klimakrise? Über diese Frage lässt sich trefflich streiten. Eine Studie der niederländischen Zentralbank deutet nun darauf hin, dass die europäischen Anleihenmärkte die EU-Klimapolitik zumindest mitberücksichtigen.

„Wenn ich an die Markteffizienzhypothese glaubte, würde ich heute noch Zeitungen austragen“, hat der legendäre US-Investor Warren Buffett einmal gesagt. [1] Die genannte Theorie postuliert, dass die Kurse an den Finanzmärkten stets alle verfügbaren Informationen widerspiegeln und daher „rational“ sind. Buffetts Erfolg als Anleger deutet allerdings darauf hin, dass es sehr wohl möglich ist, mehr zu wissen als der Markt – zumindest in Bezug auf einzelne Firmen. Völlig ignorant sind Märkte allerdings auch nicht – zumindest nicht immer.

Eine aktuelle Studie der niederländischen Zentralbank (DNB) zeigt, dass die europäischen Märkte für Firmenanleihen die EU-Klimapolitik einpreisen. [2] Die DNB-Autoren haben dazu untersucht, inwiefern sich die Kapitalkosten von Firmen mit hohen und niedrigen CO2-Emissionen unterscheiden, und schreiben: „Seit 2020 ist ein deutlicher Preisunterschied zwischen den Kreditkosten für Unternehmen mit relativ hohen CO2-Emissionen und solchen mit geringeren CO2-Emissionen zu beobachten.“ [2] Firmen mit hohen Emissionen bezahlen im Schnitt 0,4 Prozentpunkte mehr Zinsen als vergleichbare Firmen mit geringen Emissionen und das sei ein „wirtschaftlich signifikanter“ Aufschlag. [3]

Asymmetrie. Ob diese Marktfrauen in Haiti mehr wissen als ihre Kunden? (Foto: uusc4all / Flickr)
Asymmetrie. Ob diese Marktfrauen in Haiti mehr wissen als ihre Kunden? (Foto: uusc4all / Flickr)

Aus Sicht der DNB-Autoren spiegelt diese Zinsprämie ein Risiko wider – das Risiko, dass wegen der EU-Klimapolitik die Gewinne von emissionsintensiven Firmen geschmälert werden. Zeitlich passt das Auftreten der Zinsprämie denn auch gut zur EU-Klimapolitik: Anfang 2020 verabschiedete das EU-Parlament den „European Green Deal“, der eine Reduktion der Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2030 vorsieht und Netto-Null-Emissionen ab 2050. Das gab dem Preis für Verschmutzungsrechte im EU-Emissionshandelssystem auftrieb: Deren Kurs stieg ab März 2020 von 16 Euro innert zwölf Monaten auf knapp 60 Euro und pendelt heute um 70 Euro. [4]

Im Jahr 2021 kam dann ein weiterer Faktor dazu: die Gerichte. Im Mai 2021 urteilte ein niederländisches Gericht, dass der Öl- und Gaskonzern Shell seine Emissionen reduzieren muss, damit die Ziele des Paris Abkommens erreicht werden können. Der Fall „Milieudefensie v Royal Dutch Shell“ gilt als das erste wichtige Klimaurteil gegen ein Unternehmen. [3] Kein Faktor bei der Zinsprämie ist hingegen die Kampagne gegen Investitionen in Fossilkonzerne. Umweltorganisationen rufen immer wieder dazu auf, Geld aus Öl- und Gaskonzernen abzuziehen, um deren Kapitalkosten in die Höhe zu treiben. Die DNB-Autoren erwähnen die „Divestment Kampagne“ aber noch nicht mal.

Dafür haben sie Anzeichen gefunden, dass die Märkte davon ausgehen, dass die EU weiterhin eine ehrgeizige Klimapolitik betreiben wird. Ablesen lässt sich das an der Zinsprämie von Anleihen mit unterschiedlich langer Restlaufzeit: Je später eine Anleihe zurückgezahlt wird, desto höher ist die Zinsprämie, die emissionsintensive Firmen bezahlen müssen. Die DNB-Autoren schließen daraus: „Dieser Anstieg deutet darauf hin, dass die Anleger entweder mit immer strengeren Klimaregelungen oder mit erhöhter Unsicherheit über die künftige Klimapolitik rechnen.“ [3]

Aus Sicht der DNB-Zentralbanker ist die Zinsprämie begrüßenswert, sowohl fürs Klima als auch für die Stabilität der Finanzmärkte: Die Zinsprämie biete „einen finanziellen Anreiz für Unternehmen, nachhaltiger zu werden und ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren“. Außerdem werde die Energiewende dadurch „effizienter und gleichmäßiger“. [2] Als Anhänger der Markteffizienzhypothese fordern die DNB-Autoren zudem eine Verbesserung der „Qualität, Menge und Vergleichbarkeit von Klimainformationen auf Firmenebene“. Dadurch könnten „plötzliche Schocks“ im Finanzsystem verhindert werden. [2] Denn die Hypothese besagt ja: Je besser die Informationen, desto rationaler der Markt.

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[1] Medium, Stand 14.08.2024: 15 Great quotes about Efficient Market Hypothesis

[2] DNB, 08.08.2024: Carbon-intensive companies pay ever higher market interest rates

[3] DNB, Januar 2024: The European Carbon Bond Premium (PDF)

[4] TradingEconomics, Stand 14.08.2024: EU Carbon Permits