Klimakonferenz in größter Krise seit Jahren
In den ersten zehn Tagen der Klimakonferenz in Dubai sind die Erwartungen immer weiter gestiegen, dass ein „Ausstieg aus den fossilen Energien“ beschlossen würde. Im Textentwurf vom Montag kam diese Formulierung dann aber nicht mehr vor. Daran könnte die Konferenz scheitern.
Am späten Montagnachmittag (Ortszeit) veröffentlichte der Präsident der 28. UN-Klimakonferenz (COP28), Sultan Al Jaber, einen Entwurf für den Abschlusstext. Im Gegensatz zur vorherigen Version kam der Ausstieg aus den fossilen Energien darin nicht mehr vor. Der entscheidende Paragraph ruft die Länder nur dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, die „unter anderem beinhalten könnten“ („could include inter alia“) und bietet dann ein ganzes Menü an Möglichkeiten. Dazu gehören die Verdreifachung der Erneuerbarenkapazität bis 2030, ein schrittweiser Ausstieg aus der Kohle, der Einsatz von Energieträgern „mit geringen Emissionen“, ein Codewort für fossiles Gas, der Ausbau der Atomkraft und natürlich die Abscheidung und Einlagerung von CO2 (CCS). Aus diesen und anderen Optionen können sich die Länder dann ihr Klimaschutzmenü zusammenstellen. Dass dieses dem Stand der Wissenschaft oder einem 1,5-Grad-Pfad genügen muss, steht allerdings nirgends. Kurz jeder kann machen, was er will.
Al Gore, der frühere US-Vizepräsident und Klimaaktivist, zerriss Al Jabers Entwurf: „COP28 steht kurz vor dem völligen Scheitern. Die Welt muss so schnell wie möglich aus den fossilen Brennstoffen aussteigen, aber dieser unterwürfige Entwurf liest sich, als hätte die Opec ihn Wort für Wort diktiert.“ Ob das Ölkartell Opec wirklich Einfluss auf den Entwurf hatte ist unbekannt. Opec-Chef Haitham al-Ghais hatte allerdings die Mitgliedsländer des Kartells in einem Brief dazu aufgerufen, „proaktiv jede Formulierung abzulehnen, die sich auf fossile Energien bezieht“. Und das ist ihm weitgehend gelungen. Gore schreibt daher: Der Entwurf sei “Von den Petrostaten, durch die Petrostaten und für die Petrostaten”. Ähnlich vernichtende Bewertungen des Textentwurfs kamen von Umweltorganisationen und vielen Ländern. John Silk, der Wirtschaftsminister der Marshallinseln, sagte etwa: Wir „sind nicht hierhergekommen, um unser Todesurteil zu unterschreiben“ und Außenministerin Baerbock nannte den Text „inakzeptabel“.
Ein weiteres Problem ist Geld. Diesmal geht es allerdings weniger um Steuermittel aus den Industriestaaten sondern um private Mittel. Das Ziel die Erneuerbarenkapazität bis 2030 zu verdreifachen erfordert große Investitionen. Die Industriestaaten und China mit ihren geringen Kapitalkosten sind bereits heute auf einem Pfad der zur Verdreifachung führt. Ärmere Länder mit hohen Kapitalkosten haben hingegen Angst, sich zu etwas zu verpflichten, das sie mit ihren aktuellen Kapitalkosten nicht erreichen können. Auf den Punkt brachte das die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad: „Wer wird die erneuerbaren Energien verdreifachen? Diejenigen, die Zugang zu Kapital zu fünf Prozent oder zu 30 Prozent haben? Wo bleibt die Fairness, wenn wir bei so hohen Zinssätzen auf Kapital zugreifen müssen?“ [1] Das Problem an der COP ist allerdings, dass diese das Kapitalkostenproblem gar nicht lösen kann. Das müssen die Entwicklungsbanken und der Internationale Währungsfonds tun, in denen Finanzminister das Sagen haben und typischerweise nicht die Minister, die hier an der COP verhandeln.
Klimaschutz, also die Senkung der Emissionen, sind zudem nicht der einzige Punkt, der massiv kritisiert wird. Insbesondere die afrikanischen Länder sind extrem enttäuscht über das Kapitel zur Anpassung an die Klimaerwärmung. In Dubai sollten hierzu wichtige Beschlüsse gefasst werden, doch die Verhandlungen kamen kaum voran. Die arabischen Länder sowie China und Indien wollten hier einmal mehr die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern betonen, was die Industriestaaten strikt ablehnen. Es wurde daher gemutmaßt, dass die Petrostaaten die Anpassung als „Geisel“ genommen haben, um einen Druckmittel in den Verhandlungen zu den fossilen Energien zu haben. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Theorie steht allerdings fest: Mit dem aktuellen Text kommt die Anpassung mal wieder zu kurz und die afrikanischen Länder wollen das nicht hinnehmen. Und da viele die Konferenz wegen des Klimaschutz-Kapitels kurz vor dem Scheitern wähnen, eskalieren die afrikanischen Länder nun auch das Thema Anpassung auf diese Ebene: „Wir werden uns hier auf nichts einigen, wenn nicht die obersten Prioritäten Afrikas erfüllt werden, was für uns ein Rahmenwerk für Anpassung ist.“ Sicher lässt sich da nur sagen: Es wird eine lange Nacht.
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