Der „UAE Konsens“ läutet für viele das Ende der fossilen Ära ein
Die Klimakonferenz wäre beinahe an der Formulierung zur Zukunft der fossilen Energien gescheitert. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fand sich dann aber ein Kompromiss, mit dem alle Länder ähnlich unzufrieden sind. Das reichte für die Verabschiedung des „UAE-Konsenses“.
Mit weniger als 24 Stunden Verspätung ging am Mittwoch die 28. UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) mit der Annahme des „UAE-Konsenses“ zu Ende. „UAE“ bezieht sich auf die englische Bezeichnung für die Vereinigten Arabischen Emirate (United Arab Emirates) das Gastgeberland der Konferenz. COP28-Präsident Sultan Al Jaber betonte dabei, dass der Abschlusstext „zum ersten Mal“ die Worte „fossile Energien“ enthält. In der langen Geschichte der Klimakonferenzen war es bislang nicht möglich, den Hauptgrund für CO2-Emissionen und die daraus resultierende Klimaerwärmung zu nennen. Nur „Kohle“ schaffte es vorletztes Jahr in den Abschlusstext, aber Öl und Gas blieben unerwähnt. Diese Lücke wurde nun mit der Nennung von „fossilen Energien“ geschlossen.
Der UAE-Konsens verpflichtet die Länder allerdings nicht dazu, aus der Verbrennung von Fossilen „auszusteigen“. Das Dokument „ruft die Länder auf, zur globalen Anstrengung beizutragen“, um die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Der Text sagt auch, was das bedeutet: Die Emissionen müssen vor 2025 ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 fallen. Der Text listet dann eine Reihe von Maßnahmen auf, zu denen die Länder beitragen sollen. Und eine davon ist „der Übergang weg von fossilen Energien in den Energiesystemen“. Diese etwas umständliche Formulierung war nötig, um einen Konsens zu erzielen, der sowohl progressive Länder wie die EU oder die Schweiz als auch öl- und gasexportierende Länder umfasst.
Die acht Maßnahmen beinhalten eine Verdreifachung der Erneuerbarenkapazität, eine Verdoppelung der Verbesserungsrate bei der Energieeffizienz und eine „substantielle“ Reduktion der Methanemissionen bis 2030. Bei einigen Maßnahmen werden allerdings auch kontroverse Optionen zu deren Umsetzung genannt. Dazu gehören etwa fossiles Gas als Übergangslösung, Atomkraft und die Abscheidung und Einlagerung von CO2 (CCS). Die meisten Umweltorganisationen lobten den UAE-Konsens als „Anfang vom Ende der fossilen Ära“ und bedauerten die Erwähnung von Gas und vor allem CCS. Linda Kalcher, die Chefin des paneuropäischen Thinktanks Strategic Perspectives, sagte zu CCS und Gas allerdings auch: „Die wirtschaftlichen Realitäten werden einige der falschen Lösungen, die in diesem Text noch immer enthalten sind, wie CCS und ‚Übergangsenergien‘, zunichtemachen.“
Die schärfste Kritik am UAE-Konsens kam von Anne Rasmussen, der Umweltministerin von Samoa und Sprecherin der kleinen Inselstaaten: „Die erforderliche Kurskorrektur wurde nicht erreicht. Wir haben einen inkrementellen Fortschritt erzielt, obwohl wir eine exponentiell schnellere Gangart brauchen.“ Außenministerin Annalena Baerbock griff das in ihrem Statement auf und sagte an die Inselstaaten gewandt: „Wie sehen euch und fühlen mit euren Kindern, für die der Text nicht genug sein könnte.“ Und dann betonte sie, dass der UEA-Konsens nur „ein Startpunkt“ sei. Letzteres ist einerseits eine Binse, denn es kommt ja nicht auf die Verabschiedung eines – letztlich unverbindlichen – Textes an, sondern auf dessen Umsetzung. Andererseits ist es aber auch ein Verweis auf das weitere Vorgehen gemäß Paris Abkommen: Die Länder müssen bis Anfang 2025 neue Klimaziele für das Jahr 2035 einreichen, die nicht zuletzt auf dem UAE-Konsens beruhen.
Diese Pläne sollen künftig auch Ziele für die Anpassung an die Erwärmung enthalten. Die Reaktionen auf das Kapitel zur Anpassung im UAE-Konsens waren allerdings gemischt. Für Ana Mulio Alvarez vom britischen Umweltthinktank E3G ist das Glas halb voll: „Ursprünglich war die Anpassung an den Klimawandel ein Randthema, doch schließlich spielte sie eine Schlüsselrolle in den Ergebnissen der COP28.“ Es gebe nun einen „Weg zur Verbesserung der Anpassungsmaßnahmen, der den Beginn einer koordinierten globalen Anstrengung für Anpassung und Widerstandsfähigkeit markiert“. Rixa Schwarz von der deutschen Umweltorganisation Germanwatch kritisierte hingegen, dass für diese Anstrengung nicht genug Geld zur Verfügung steht: Die vereinbarten Maßnahmen seien hinsichtlich der „finanziellen Unterstützung zur Klimaanpassung in Entwicklungsländern zu schwach“.
Kritik gab es auch an den Passagen zur Klimafinanzierung allgemein. Hier waren größere Fortschritte aber aus zwei Gründen unwahrscheinlich. Zum einen soll nächstes Jahr entschieden werden, wie es mit den 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen von den Industriestaaten ab 2025 weitergeht. Daher wurden die meisten Diskussionen über Finanzierung schlicht ins kommende Jahr vertagt. Und zum anderen ist die Klimakonferenz für viele Finanzströme nicht verantwortlich. Entscheidend sind hier die Entwicklungsbanken. Dem UEA-Konsens blieb daher nur „die Bedeutung der Reform der multilateralen Finanzarchitektur, unter anderem der multilateralen Entwicklungsbanken“ zu unterstreichen. Ein Dämpfer bei den Finanzfragen war zudem die Zurückhaltung von wohlhabenden Entwicklungsländern mit hohen Pro-Kopf-Emissionen wie etwa Saudi-Arabien. Nachdem die Emirate 100 Millionen Dollar für den neuen Fonds für Verluste und Schäden zugesagt hatten, bestand die Hoffnung, dass andere nachziehen würden. Doch das ist nicht passiert.
Lob gab es schließlich für einen erneut gescheiterten Verhandlungsstrang. Die Länder konnten sich wieder nicht über die Regeln für den Handel mit Zertifikaten einigen, die die Übertragung von Emissionsreduktionen von einem Land auf ein anderes Land ermöglichen sollen. „Das Fehlen einer Einigung verhindert, dass die Fehler des freiwilligen Kohlenstoffmarktes wiederholt werden“, sagte Gilles Dufrasne von Carbon Market Watch. „Wie die zahlreichen Skandale im Zusammenhang mit dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt in den letzten zwölf Monaten gezeigt haben, erfordert der Handel mit Zertifikaten strenge Umwelt- und Menschenrechtsvorschriften.“ Ein Land das hiervon betroffen ist, ist die Schweiz. Doch deren Delegationsleiter, Felix Wertli, gab sich angesichts des Fehlschlags gelassen: Die Verhandlungen zu diesem Thema seien „sehr technisch“ und bräuchten „mehr Zeit“. Dass man auch in Dubai zu keinem Ergebnis gekommen sei, käme daher „nicht unerwartet“.
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