Das am Samstagabend in New York verabschiedete Hochseeabkommen ermöglicht zum ersten Mal die Ausweisung von Schutzgebieten in der Hochsee, also in Gebieten außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer). Zuvor waren Schutzgebiete dort nicht möglich, da keine Rechtsgrundlage bestand. Es ist das zweite für den Artenschutz wichtige Abkommen in drei Monaten. Im Dezember waren die neuen, globalen Artenschutzziele für das Jahr 2030 angenommen worden. Eines dieser Ziele, die Ausweisung von Schutzgebieten auf 30 Prozent der Meeresfläche, wird nun durch das neue Abkommen ermöglicht. Denn ohne Schutzgebiete in der Hochsee ließe sich dieses Ziel nicht erreichen. Angesichts der geopolitischen Lage ist dieser „Doppelwumms“ für den Artenschutz eine bemerkenswerte Leistung.
Das neue Abkommen beinhaltet zudem eine beinahe einzigartige Regelung: Es reicht, wenn drei Viertel der Mitgliedsländer des Abkommens für die Schaffung eines Schutzgebietes stimmen. Konsens ist nicht erforderlich. Das einzige andere Umweltabkommen mit dieser Regelung ist Cites, die Organisation, die den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten regelt. Cites gilt wegen der Möglichkeit abzustimmen, als eines der effektivsten Umweltabkommen der Welt. Die Überwindung des Konsensprinzips ist daher eine Leistung, die hoffentlich auch in anderen multilateralen Abkommen zum Einsatz kommen wird, da dadurch das multilaterale System als Ganzes gestärkt wird.
Das neue Abkommen schafft schließlich die Rechtsgrundlage für Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten wie Unterwasserbergbau, die potentiell eine Gefahr für die Artenvielfalt im Meer darstellen. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) erarbeitet seit heute (Dienstag) Regelungen für den Tiefseebergbau und wird dabei die Umweltverträglichkeitsprüfungen aus dem neuen Abkommen mitberücksichtigen müssen. Die ISA ist knapp 30 Jahre alt und misst der Erschließung von Bodenschätzen im Meer eine größere Bedeutung zu als der damit eihergehenden Beeinträchtigung des Ökosystems Tiefsee. Das neue Abkommen schließt daher auch hier eine Lücke in der Gouvernanz der Meere.
Der Artenschutz hat in der Vergangenheit immer deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen als der Klimaschutz. Wenn die Menschheit das Erdsystem stabilisieren will, muss sie aber alle relevanten Subsysteme, wie das Klima und die Artenvielfalt, gleichzeitig im Auge behalten. Mit dem „Doppelwumms“ für den Artenschutz in den letzten drei Monaten besteht nun die Chance, dass das tatsächlich passiert. Und dann sollten sich schnell messbare Fortschritte beobachten lassen: Die Meere und ihre Bewohner erholen sich schnell, wenn man ihnen geschützte Refugien schafft. Und genau das passiert jetzt.
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