Reinen Wasserstoff gibt es auch in der Natur

Noch ist aber unklar, ob eine Förderung möglich ist

Wenn Industrieprozesse wie die Stahlherstellung mit Wasserstoff dekarbonisiert werden sollen, steigt der Wasserstoffbedarf. Doch die Produktion von grünem Wasserstoff ist sehr energieaufwändig. Da wäre es praktisch, wenn man den Wasserstoff einfach aus dem Boden pumpen könnte.

Wasserstoff komme „nur selten in reiner Form als unvermischtes Gas vor“, steht bei Wikipedia. Doch was heißt selten? Vielleicht müsste man nur danach suchen und es stellt sich heraus, dass Wasserstoff doch häufiger in reiner Form zu finden ist als bislang gedacht. Doch noch wird kaum danach gesucht – im Gegenteil. Wenn Gase mit Hilfe eines Gaschromatographen auf ihre Zusammensetzung untersucht werden, benutzt man meist Wasserstoff als Trägergas für die zu testende Probe. Das führt dazu, dass man jedes Gas findet außer eben Wasserstoff, da man diesen der Probe ja zugesetzt hat und daher erst gar nicht misst. Dabei ist Wasserstoff eine wichtige Energiequelle für viele Mikroben im Boden. Damit diese überleben können, muss es folglich einen permanenten Nachschub an Wasserstoff geben.

Es sind zwei Mechanismen bekannt, bei denen Wasserstoff freigesetzt wird. Wenn Wasser in der Erdkruste unter hohem Druck und bei über 200 Grad mit eisenhaltigem Gestein in Berührung kommt, wird das Eisen oxidiert. Das heißt, das Eisen schnappt sich das Sauerstoffatom des Wassers und es bleibt reiner Wasserstoff übrig. Auch radioaktive Strahlung im Erdinneren kann Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Dieser steigt dann auf und wird von Mikroben gefressen oder reagiert mit anderen Elementen wie etwa Kohlenstoff. An manchen Stellen könnte allerdings so viel Wasserstoff „produziert“ werden, dass er sich auch wirtschaftlich nutzen ließe. Darauf deutet eine Zufallsentdeckung aus dem westafrikanischen Staat Mali hin. [1] Im Jahr 1987 sollte dort bei einem Dorf namens Bourakébougou ein Brunnen gebohrt werden. Doch das Bohrloch war trocken.

Schimäre. Auf dem Chimaeraberg in der Türkei entweicht dem Boden seit der Antike Wasserstoff. (Foto: gocerahmetag / needpix)
Schimäre. Auf dem Chimaeraberg in der Türkei entweicht dem Boden seit der Antike Wasserstoff. (Foto: gocerahmetag / needpix)

Dafür entströmte dem Loch ein geruchloses Gas und als sich ein Arbeiter dem Loch mit einer Zigarette näherte, kam es zu einer Explosion und das Loch brannte tagelang, bis es gelöscht werden konnte. Im Jahr 2007 erwarb der malische Geschäftsmann und Politiker Aliou Diallo das Recht, in der Gegend des Dorfes nach Öl und Gas zu suchen. Dieser ließ das Gas aus dem Bohrloch untersuchen und es stellte sich heraus, dass es zu 98 Prozent aus Wasserstoff besteht. Seither hat Bourakébougou Elektrizität, die mit einem wasserstoffbetriebenen Generator erzeugt wird, und Diallo hofft, mit seiner Firma Hydroma in Zukunft wirtschaftlich nutzbare Mengen an Wasserstoff fördern zu können. Basierend auf diversen Probebohrungen schätzt er, dass rund um Bourakébougou fünf Millionen Tonnen Wasserstoff auf die Nutzung warten.

Mittlerweile ist Diallo auch nicht mehr der einzige, der auf die Förderung von natürlich vorkommendem Wasserstoff hofft. In den USA, Australien, Spanien und Island gibt es Start-Ups, die nach Wasserstoff suchen. Eine Übersichtsstudie aus dem vorletzten Jahr schätzt, dass weltweit jedes Jahr mindestens 23 Millionen Tonnen Wasserstoff in reiner Form freigesetzt werden, also rund ein Drittel der aktuellen Produktionsmenge. [2] [3] Im Gegensatz zu Öl und Gas sei Wasserstoff daher eine „erneuerbare Energiequelle“, denn „die natürlichen Prozesse, die Wasserstoff produzieren, sind seit der Urzeit aktiv und werden auch in Zukunft noch Millionen von Jahren andauern“. Das Bohrloch in Mali scheint diese These zu bestätigen: Dort strömt nun schon seit über zehn Jahren eine kontinuierliche Menge an Wasserstoff aus der Erde.

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[1] Science, 16.02.2023: Hidden Hydrogen – Does Earth hold vast stores of a renewable, carbon-free fuel?

[2] Geoscientist, 01.03.2022: Natural hydrogen: the new frontier

[3] ScienceDirect, April 2020: The occurrence and geoscience of natural hydrogen: A comprehensive review

[4] Irena, Stand 28.02.2023: Hydrogen overview