Mit öffentlichen Mittel allein ist der Kampf gegen die Klimaerwärmung verloren
In immer mehr Ländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Investitionen in den Klimaschutz um ein Vielfaches gesteigert werden müssen. Das kann nicht mit öffentlichen Mitteln allein finanziert werden. Daher werden nun neue und kreative Finanzierungsmodelle erörtert.
Neben den Emissionen war die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer schon immer eines der zentralen Themen bei UN-Klimakonferenzen. Das Hauptaugenmerk lag dabei in den letzten Jahren auf den 100 Milliarden Dollar, die die Industriestaaten im Jahr 2009 den Entwicklungsländern versprochen hatten. Mit dieser Summe sollte ab 2020 der Klimaschutz und die Anpassung an die Klimaerwärmung in ärmeren Ländern unterstützt werden. Gehalten haben die Industriestaaten dieses Versprechen allerdings nicht. Im Jahr 2020 flossen nur 83 Milliarden Dollar und die versprochene Summe wird voraussichtlich erst nächstes Jahr erreicht. [1] Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass die USA deutlich zu wenig Geld zur Verfügung stellen. [2] Das Erreichen der 100 Milliarden hat mittlerweile allerdings primär symbolische und weniger praktische Bedeutung. Es geht darum, dass die Industriestaaten ihr Versprechen halten. Um die erforderlichen Investitionen in den Klimaschutz und die Anpassung zu finanzieren reicht das Geld allerdings bei weitem nicht aus.
Die International Energieagentur (IEA) schätzt, dass im Jahr 2030 global 2000 Milliarden Dollar zusätzlich in erneuerbare Energien investiert werden müssten, damit die Emissionen auf netto-null gesenkt werden können. [3] Und das UN-Umweltprogramm (Unep) schätzt, dass im gleichen Jahr die Entwicklungsländer zwischen 160 und 340 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel brauchen. [4] Hinzu kommen die Kosten für Verluste und Schäden durch die Klimaerwärmung: Diese werden im Jahr 2030 auf 290 bis 580 Milliarden Dollar geschätzt. [5] Angesichts dieser Zahlen ist klar, dass die versprochenen 100 Milliarden bei weitem nicht ausreichen, um die Klimaerwärmung möglichst bei 1,5 Grad zu stoppen und die Anpassung an diese Erwärmung zu finanzieren. Aus diesem Grund werden an der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP27) neue Wege der Klimafinanzierung diskutiert.
Die bislang konkretesten Vorschläge kommen von der Ministerpräsidentin des karibischen Inselstaats Barbados, Mia Mottley. Sie fordert, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) „Sonderziehungsrechte“ (SDRs) im Wert von 500 Milliarden Dollar schafft. SDRs sind eine Art Währung, die vom IWF ausgegeben wird. Zuletzt wurden im Jahr 2021 SDRs im Wert von 650 Milliarden Dollar geschaffen, um die Länder beim Kampf gegen die Coronapandemie zu unterstützen. Mit den Klima-SDRs hofft Mottley zusätzlich privates Kapital mobilisieren zu können: Sie fordert einen „Klimaschutzfonds, der 5000 Milliarden Dollar an Ersparnissen des Privatsektors frei macht“, indem die 500 Milliarden an Klima-SDRs gezielt als Hebel zur Mobilisierung von Privatkapital genutzt werden. [6] Zusätzlich fordert sie die Abschöpfung von zehn Prozent der Gewinne von Öl- und Gaskonzernen: „Wie können Unternehmen in den letzten drei Monaten 200 Milliarden Dollar Gewinn machen und nicht erwarten, dass sie mindestens zehn Cent von jedem Dollar Gewinn in einen Fonds für Verluste und Schäden einzahlen?“, fragte Mottley bei ihrer Rede an der COP27.
In dieser Rede machte Mottley noch auf ein weiteres Problem des internationalen Finanzsystems aufmerksam: “Diese Welt sieht noch zu sehr so aus wie zu Zeiten imperialer Großreiche. Der globale Norden verschuldet sich für ein bis vier Prozent Zinsen und der globale Süden für 14 Prozent”, beklagte Mottley. Dieser Unterschied bei den Kapitalkosten ist insbesondere ein Problem bei Investitionen in erneuerbare Energien. Diese haben kaum laufende Kosten, da Sonne und Wind kostenlos zur Verfügung stehen, aber für die anfängliche Investition wollen die Geldgeber natürlich eine Rendite sehen, die je nach Land unterschiedlich hoch ist. Mit diesen Ideen ist Mottley an der COP27 nicht allein: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte einen „riesigen Finanzschock“ für den Klimaschutz. Außerdem will er zusammen mit Mottley in den nächsten Monaten Vorschläge erarbeiten, um die Klimafinanzierung durch die multilateralen Entwicklungsbanken wie die Weltbank zu reformieren. [7]
John Kerry, der US-Klimagesandte, hat neben den Entwicklungsbanken noch eine andere Geldquelle im Blick: Firmen, die ihre Emissionen kompensieren wollen. Derzeit entwickeln mehrere Industriestaaten mit Ländern wie Indonesien und Vietnam Pläne, um dort den Kohleausstieg zu beschleunigen. Auch dafür sind sehr große Summen erforderlich. Kerry will daher Firmen ermöglichen ebenfalls in diese Projekte zu investieren, um die eingesparten Emissionen dann mit ihren eigenen Emissionen verrechnen zu können. Die Ausgabe von Zertifikaten für eingesparte Emissionen ist allerdings umstritten und noch ist nicht sicher, ob Kerry von anderen Ländern Unterstützung für diesen Vorschlag bekommt.
Deutschland hat derweil mehr Mittel für die herkömmliche Klimafinanzierung in Aussicht gestellt. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an die Klimahilfen von heute 5,3 Milliarden Euro bis 2025 auf sechs Milliarden Euro zu steigern. Neu fließt davon ein Teil für Verluste und Schäden durch die Klimaerwärmung. Deutschland stellt 170 Millionen Euro zur Verfügung, damit sich Länder gegen Klimakatastrophen versichern können. Damit ist Deutschland mit Abstand der größte Geldgeber für Verluste und Schäden.
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[1] Kanada, 28.10. 2022: Climate Finance Delivery Plan – Meeting the 100 Billion Goal (PDF)
[2] CarbonBrief, 07.11.2022: US falling $32bn short on ‘fair share’ of $100bn climate-finance goal
[4] Unep, 01.11.2022: The Adaptation Gap Reprot 2022 (PDF)
[5] Loss and Damage Collaboration, undatiert: What is Loss and Damage?
[6] Ed King, 07.11.2022: Tweet
[7] Washington Post, 07.11.2022: In a shift, U.S. says companies are pivotal