Der blinde Fleck bei den Klimaverhandlungen

Die Förderung von Kohle, Öl und Gas wird nirgends thematisiert

Atomwaffen und fossile Energien haben etwas gemeinsam: Wenn sie in großem Stil zum Einsatz kommen, zerstören sie letztlich die menschliche Zivilisation. Daher wäre es sinnvoll sie zu verbieten und genau das hofft eine neue Initiative für Kohle, Öl und Gas zu erreichen.

Die Klimaabkommen und Entscheidungen der UN-Klimakonferenzen (COPs) haben eine kuriose Lücke: Die Ursache für die Klimaerwärmung, das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas, wird nie erwähnt. Daher war es eine kleine Sensation, dass letztes Jahr in Glasgow zum ersten Mal das Wort „Kohle“ in einer COP-Entscheidung auftauchte. Darin versprachen die Länder die Nutzung dieses Energieträgers „zurückzufahren“. Die ursprünglich vorgesehen Formulierung, die Kohlenutzung komplett „auslaufen zu lassen“, wurde in letzter Minute von China und Indien verhindert.

Eine zwei Jahre alte Initiative will nun diese kuriose Lücke der bisherigen Klimaabkommen schließen: Sie fordert als Ergänzung zum Paris Abkommen ein Abkommen über die Nichtverbreitung von fossilen Energien. [1] Damit lehnt sich die Initiative an das Abkommen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (auch Atomwaffensperrvertrag) aus dem Jahr 1968 an. Das Ziel ist eine geordnete Reduktion der Produktion von allen fossilen Energieträgern. Während das Paris Abkommen primär auf die Nachfrage nach diesen Energien abzielt, würde das neue Abkommen primär das Angebot an Kohle, Öl und Gas regeln.

Maskottchen. Saudi Arabien argumentiert nicht die fossilen Energien seien das Problem, sondern die Emissionen. (Foto: IISD)
Maskottchen. Saudi Arabien argumentiert nicht die fossilen Energien seien das Problem, sondern die Emissionen. (Foto: IISD)

Das neue Abkommen hat mittlerweile eine prominente Liste an Unterstützern, angefangen bei Nobelpreisträgern und dem Dalai Lama, über die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Städte wie Bonn und Bundesstaaten wie Hawaii, bis zum Europarlament und einigen Staaten. Das erste Land, das die Initiative unterstützte war der pazifische Inselstaat Vanuatu. Im Juli 2022 folgte dann der Vatikanstaat. „Der Planet ist bereits 1,2 Grad heißer und trotzdem beschleunigen neue Fossilprojekte unser Rennen in den Abgrund“, sagte damals Kardinal Michael Czerny, der „Umweltminister“ des Vatikans. „Genug ist genug“. [2]

An der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP27) schloss sich schließlich auch der Inselstaat Tuvalu der Initiative an. „Das wärmer werdende Meer schluckt unser Land – Zentimeter für Zentimeter“, sagte Premierminister Kausea Natano in Scharm el-Sheikh. „Wir rufen daher die Führer der Welt dazu auf, sich dem Nichtverbreitungsabkommen anzuschließen und einen gerechten Übergang, weg von den fossilen Energien, zu organisieren.“ Dass sich weitere Länder hinter die Idee der Initiative stellen ist durchaus möglich – selbst Länder, die fossile Energien fördern. An der COP26 in Glasgow wurde eine Länderallianz gegründet, die ebenfalls aus der Förderung fossiler Energien aussteigen will, die Beyond Oil and Gas Alliance. [3] Dieser gehören mittlerweile Länder wie Dänemark, Frankreich, Irland, Schweden und Costa Rica an – potentielle Kandidaten für das Abkommen über die Nichtverbreitung von fossilen Energien.

Ein weiterer Erfolg der Initiative ist die Schaffung eines Registers der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen der Welt. Dieses Register wird derzeit von dem britischen Thinktank Carbon Tracker aufgebaut, der für das Konzept der „CO2-Blase“ bekannt ist. Dieses besagt, dass die Energiekonzerne an der Börse überbewertet sind, denn ihre Reserven können nicht gefördert werden, wenn die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Aus diesem Grund könnten selbst die Produzenten von Fossilenergien schließlich einen Nutzen im Nichtverbreitungsvertrag für ihre Produkte sehen, schließlich würde eine geordneter Übergang zu einer Welt ohne Kohle, Öl und Gas verhindern, dass sie zu viel Geld in diese Energien investieren und relativ moderne Förderanlagen schließlich wertlos werden. Obwohl die die Idee, die Förderung von fossilen Energien zu verbieten, zunächst kaum realisierbar scheint, sollte sie daher nicht a priori ausgeschlossen werden oder, um es mit Nelson Mandela zu sagen: „Es erscheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.“

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[1] FossilFuelTreaty, Stand 09.11.2022: Homepage

[2] National Observer, 22.07.2022: “The planet already is 1.2 C hotter, yet new fossil fuel projects every day accelerate our race towards the precipice. Enough is enough.”

[3] BOGA, Stand 09.11.2022: Homepage