Indonesien steigt aus der Kohle aus

G7-Länder mobilisieren dafür 20 Milliarden Dollar

Wie legt man relativ neue Kohlemeiler still, ohne deren Betreiber in den Konkurs zu treiben? Das war die Frage in Indonesien. Nun wurde dafür eine Lösung gefunden: Reiche Industriestaaten mit geringen Finanzierungskosten nutzen ihre Bonität, um private Mittel zu mobilisieren, die Meiler aufzukaufen und vorzeitig zu schließen.

Am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali wurde ein Programm angekündigt, um den Kohleausstieg in Indonesien zu beschleunigen. Die USA und Japan haben dazu mit Indonesien eine Partnerschaft ausgehandelt, für welche einige Industriestaaten wie Deutschland 20 Milliarden Dollar mobilisieren. Dies sei “wahrscheinlich die größte Transaktion im Bereich der Klimafinanzierung, die es je gegeben hat”, sagte ein Sprecher des US-Finanzministeriums. [1] Das Geld wird je zur Hälfte von Staaten und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) einerseits und privaten Investoren, meist Banken, andererseits zur Verfügung gestellt. Dank dieser Investition können bis zum Jahr 2060 insgesamt zwei Milliarden Tonnen CO2-Emissionen verhindert werden. Die Emissionen des indonesischen Stromsektors werden bereits im Jahr 2030 statt im Jahr 2037 ihren Höhepunkt erreichen und bis zum Jahr 2050 statt 2060 auf null fallen. Bei der 27. UN-Klimakonferenz (COP27) in Scharm el-Sheikh sagte der US-Sondergesandte John Kerry zu der neuen Partnerschaft: Diese könne „Indonesiens Energiesektor wirklich von Kohle auf erneuerbare Energien umstellen und das Wirtschaftswachstum fördern”. [1]

Die Herausforderung beim Kohleausstieg Indonesiens ist, dass die Kohlekraftwerke des Landes oft noch relativ neu sind und die Betreiber noch nicht die genug Zeit hatten, um ihre Investitionen zu amortisieren. Um die Kraftwerke dennoch abschalten zu können, ist daher ein wenig Finanzmagie erforderlich- ein Instrument namens “Energiewendemechanismus” (Energy Transition Mechanism, ETM). [2] In einem ETM wird öffentliches Kapital und privates Kapital gepoolt. Der ETM kauft dann die Kohlekraftwerke ihren jetzigen Besitzern ab und legt sie nach einer bestimmten Anzahl von Jahren still. Gleichzeitig baut der ursprüngliche Betreiber mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Kohlemeilers die erneuerbaren Energien aus. Damit der ETM trotz der vorzeitigen Stilllegung noch eine Rendite erzielt, muss in der verbleibenden Betriebszeit die Marge zwischen Kosten und Einnahmen aus dem Stromverkauf höher sein als zuvor. Das kann erreicht werden, indem der ETM deutlich geringere Finanzierungskosten hat als der ursprüngliche Betreiber. Damit die ETM-Teilhaber diese geringere Rendite akzeptieren, muss allerdings auch das Risiko entsprechend niedriger sein. Und hier kommen die öffentlichen Geldgeber ins Spiel: Sie akzeptieren, dass sie im Fall eines Verlusts als Erste ihr Geld verlieren. Damit haben alle anderen ETM-Teilhaber ein geringeres Risiko.

Drinnen. Wegen der Menschenrechtslage in Ägypten liess die UNO erstaunlich viele Proteste auf dem COP-Gelände zu. (Foto IISD)
Drinnen. Wegen der Menschenrechtslage in Ägypten liess die UNO erstaunlich viele Proteste auf dem COP-Gelände zu. (Foto IISD)

Die Partnerländer Indonesiens wollen nicht sagen, wie viel Geld die verschiedenen Länder beisteuern. Aufgrund einer ähnlichen Partnerschaft zwischen Ländern wie den USA oder Deutschland und Südafrika und der Funktionsweise von ETMs lässt sich aber relativ genau sagen, wie die Finanzierung aussieht. In Südafrika besteht der größte Teil des 8,5-Milliarden-Dollar-Programms aus Darlehen. Nur 230 Millionen oder 2,7 Prozent müssen nicht zurückgezahlt werden. [3] Deutschland beteiligt sich an Südafrikas Programm mit einer Milliarde Dollar oder knapp zwölf Prozent. Beim Programm Indonesiens ist der deutsche Anteil wohl in etwa ähnlich und dürfte bei rund 1,2 Milliarden liegen – zum Großteil in Form von Krediten. Wenn Alles gut geht, bekommt Deutschland in einigen Jahren also sein Geld zurück und hat in der Zwischenzeit den Kohleausstieg Indonesiens ermöglicht. Jennifer Morgan, Staatsekretärin im Außenministerium, sagt daher: „Wir unterstützen Indonesien dabei, das Energiesystem zu transformieren, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und einen Weg in eine grünere und nachhaltigere Zukunft einzuschlagen.“

Trotz des Deals wird sich Indonesien aber nicht über Nacht in ein grünes Musterland verwandeln. Die Hälfte aller Emissionen des Landes stammt aus der Rodung von Wäldern und der Trockenlegung von Feuchtgebieten. [4] Diese Emissionen bleiben durch das Programm unangetastet. Indonesien ist zudem mit großem Abstand der größte Exporteur von Kohle weltweit. Letztes Jahr hat das Land 434 Millionen Tonne des Klimakillers exportiert, mehr als doppelt so viel wie der zweitgrößte Exporteur, Australien. [5] Auch diese Exporte bleiben durch das neue Programm unangetastet. Dennoch gelten Partnerschaften wie mit Indonesien oder Südafrika als vielversprechend. Derzeit handeln verschiedene Industriestaaten mit Indien, Vietnam und Senegal ähnliche Programme aus. Das mit Vietnam steht offensichtlich kurz vor dem Abschluss. Gemäß der deutschen Delegation an der COP27 dürften die Verhandlungen noch dieses Jahr abgeschlossen werden.

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[1] Reuters, 15.11.2022: U.S., Japan and partners mobilise $20 billion to move Indonesia away from coal

[2] WEF, 25.01.2021: How to accelerate the energy transition in developing economies

[3] Climate Home, 22.10.2022: Who is contributing what to South Africa’s clean energy shift

[4] CAT, Stand 15.11.2022: Indonesia

[5] IEA, Juli 2022: Coal Market Update July 2022