Rohstoffpreise auf der Achterbahn

Manche Preise sind stark gestiegen, andere gefallen – aus ganz unterschiedlichen Gründen

Selten war der Markt für Rohstoffe von so vielen unterschiedlichen Faktoren geprägt: Die Pandemie, der Krieg und eine mögliche Rezession führen zurzeit zu starken Kursausschlägen in beiden Richtungen.

Auf manchen Grafiken von Rohstoffpreisen lässt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine deutlich sehen. Der Preis für Weizen etwa lag zeitweise 46 Prozent über dem Preis am 23. Februar, dem Tag vor der Invasion. [1] Mittlerweile ist Weizen aber sogar etwas billiger als vor dem Krieg. Das ist nicht zuletzt dem Abkommen zwischen der Türkei, Russland und der Ukraine zu verdanken, das den Export von ukrainischen Agrargütern über das Schwarze Meer ermöglicht. Etwas weniger ausgeprägt sieht man die gleiche Entwicklung beim Preis für Öl. Dieser stieg in den ersten Tagen des Konflikts um ein Drittel und liegt jetzt wieder auf dem Vorkriegsniveau. Der Grund ist hier aber ein anderer: Viele Anleger befürchten eine Rezession und damit eine geringere Ölnachfrage.

Das zeigt auch der Kupferpreis, der als Frühindikator für die Konjunktur gilt und wegen seiner Prognosetalents „Dr. Copper“ genannt wird. Kupfer hat seit Anfang Juni die Hälfte des Werts verloren. Auf wirtschaftliche Schwierigkeiten in China deutet derweil der Preis für Eisenerz hin. Wegen des Kollapses vieler Immobilienentwickler wie Evergrande geht dort die Nachfrage nach Baustahl zurück. Das hat dem spektakulären Anstieg des Preises für Eisenerz ein Ende gesetzt. Dieser war ab dem Beginn der Coronapandemie nach oben geschnellt, wohl nicht zuletzt in der Hoffnung auf einen Bauboom in China wegen der Stimulusmaßnahmen. [2] Zwischen Anfang 2020 bis Mitte 2021 hat sich der Preis für Eisenerz mehr als verdoppelt. Doch mittlerweile ist er wieder genau dort, wo er Anfang 2020 gestartet war.

Kollateralschaden. Auch die Hilfswerke sind von den hohen Preisen betroffen, da sie mit den bestehenden Mitteln weniger Nahrungsmittel kaufen können. (Foto: UNAMID / Flickr)
Kollateralschaden. Auch die Hilfswerke sind von den hohen Preisen betroffen, da sie mit den bestehenden Mitteln weniger Nahrungsmittel kaufen können. (Foto: UNAMID / Flickr)

An den Rohstoffmärkten ist aber trotz der genannten Beispiele noch lange nicht Normalität eingekehrt. Die Preise für Kohle und Erdgas liegen beide auf historischen Höchstwerten. Der Preisanstieg begann Mitte 2021 und hat sich dann mit Beginn des Kriegs in der Ukraine noch deutlich beschleunigt. Heute ist Kohle viermal so teuer und Gas knapp sechsmal so teuer wie vor einem Jahr. Da Russland seine Gasexporte Richtung EU stark eingeschränkt hat, kaufen EU-Länder nun jede Ladung Flüssiggas (LNG), derer sie habhaft werden können. Das Gleiche gilt für Kohle. Vor gut einer Woche ist das EU-Importembargo für Kohle aus Russland in Kraft getreten und die EU-Länder versuchen nun ihren Bedarf mit Lieferungen aus Südafrika, Indonesien und Kolumbien zu decken.

Das ist ein Problem für die Länder, die zuvor Kohle aus diesen Ländern oder LNG aus Australien und Katar gekauft haben. So ist Pakistan im Juli zum vierten Mal daran gescheitert, LNG zu kaufen. Das Land hat kein einziges Angebot bekommen. [3] Die Folge sind Stromausfälle und das in einer Hitzewelle. Für viele andere Länder ist es die Kombination aus der wirtschaftlichen Schwächung infolge der Coronapandemie und den Energie- und Lebensmittelpreisen. Letztere sind zuletzt gesunken, aber liegen immer noch deutlich über den Preisen von 1974, der Zeit der Ölkrise wie der Index der UN-Ernährungsorganisation FAO zeigt. [4] Das ist teuer: Auf dem aktuellen Preisniveau müssen die 20 größten Importländer von Lebensmitteln rund 70 Milliarden Dollar bezahlen als vor zwei Jahren, wie Daten von Gro Intelligence, einem US-Marktforschungsinstitut, zeigen. [5]

Dass die Preise für Lebensmittel demnächst deutlich sinken werden, ist zudem nicht zu erwarten. Zum einen werden die Ernten immer stärker durch Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen dezimiert, die mit der eskalierenden Klimakrise weiter zunehmen werden. Und zum anderen ist Dünger derzeit sehr teuer. Insbesondere für die Herstellung von Stickstoffdünger wird viel Erdgas benötigt, sodass dessen Preis derzeit dem Gaspreis folgt. Aktuell ist Dünger (Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung) doppelt so teuer wie vor einem Jahr und fast fünfmal so teuer wie vor zwei Jahren. [6] Der Internationale Düngemittelverband IFA schätzt daher, dass der Einsatz von Düngemitteln in diesem Jahr um sieben Prozent zurückgeht. IFA-Chefin Alzbeta Klein warnt vor den Folgen: “Der geringere Düngerverbrauch in diesem Jahr erhöht das Risiko deutlich geringerer Ernteerträge bei der nächsten Ernte, was eine geringere Nahrungsmittelproduktion und letztlich mehr Menschen bedeutet, die von Hunger bedroht sind.” [7]

Wie sich die Preise in den nächsten Monaten entwickeln werden, ist kaum abzuschätzen. Aus Sicht von Jefferey Currie von der US-Investmentbank Goldman Sachs ist das aktuelle Verhalten der Märkte paradox: „Heute scheinen die Rohstoffmärkte irrationale Erwartungen zu hegen, da Preise und Lagerbestände gleichzeitig fallen, die Nachfrage die Erwartungen übertrifft und das Angebot enttäuscht.“ [8] Sicher ist da nur eins: Die Rohstoffpreise sind noch immer auf der Achterbahn.

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[1] Alle Rohstoffpreise sind von: TradingEconomics, Stand 17.08.2022: Commodities

[2] Mining, 10.12.2021: Iron ore price rally built on China hope, not fundamentals

[3] The Diplomat, 22.07.2022: Finding the Right Way Forward in Pakistan’s Energy Crisis

[4] FAO, 05.08.2022: FAO Food Price Index

[5] GroIntelligence, 12.08.2022: Macro Factors Driving Agricultural Commodity Prices (For Now)

[6] TradingEconomics, Stand 17.08.2022: Urea Ammonium Nitrate

[7] IFA, 27.07.2022: Global Fertilizer Use to Decline Before Partial Recovery, With Food Secutity Implications

[8] MarketWatch, 12.08.2022: ‘Irrational expectations’ are keeping commodity prices unsustainably low, warns Goldman