WTO verabschiedet erstes Abkommen seit neun Jahren

Handelsorganisation verabschiedet Maßnahmen gegen Pandemie, Hunger und Umweltkrise

Trotz der geopolitischen Lage ist es den Mitgliedern der Welthandelsorganisation gelungen, sich auf ein neues Abkommen zu einigen. Damit soll der Zugang zu Coronaimpfstoffen und Nahrungsmittelhilfen erleichtert sowie die Überfischung der Meere eingedämmt werden.

Am Freitagmorgen ist in Genf die 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO zu Ende gegangen. Das Treffen hat zwei Tage länger gedauert als geplant, aber die Minister konnten sich auf mehrere Abkommen einigen, das „Genf Paket“. Nach Abschluss der Konferenz zeigte sich WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala erleichtert: “Das von Ihnen geschnürte Paket von Vereinbarungen wird das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verbessern. Die Ergebnisse zeigen, dass die WTO tatsächlich in der Lage ist, auf die Notlagen unserer Zeit zu reagieren.” [1] Letzteres war lange nicht sicher. Das Genf Paket ist erst das zweite multilaterale Handelsabkommen in der 27-jährigen Geschichte der WTO. Das andere ist ein Abkommen zum Bürokratieabbau aus dem Jahr 2013.

Die größte Aufmerksamkeit galt den Patenten für Impfstoffe und Medikamente gegen Corona. Insbesondere Indien und Südafrika hatten darauf gedrängt, diese selber herstellen und auch exportieren zu dürfen. Die EU hingegen hat dies stets abgelehnt mit der Begründung, dann hätten Hersteller keinen Anreiz mehr bei einer Pandemie schnell die nötigen Mittel zu entwickeln. In Genf hat man sich nun auf einen Kompromiss geeinigt. Für Coronaimpfstoffe ist es in den nächsten fünf Jahren einfacher eine Ausnahme unter dem TRIPS-Abkommen zu bekommen, das den Handel mit patentgeschützten Gütern regelt. Für Coronamedikamente gilt dies hingegen nicht. Der Chef der Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières, Christos Christou, kritisierte den Deal: „Dieser hebt die geistigen Eigentumsrechte nicht für alle erforderlichen medizinischen Mittel in angemessener Weise auf und gilt nicht für alle Länder.“ Außerdem schaffe der Deal „einen schlechten Präzedenzfall für zukünftige Pandemien“. [2]

Auch eine Option. Indonesien sprengt ausländische Fischerboote, die in indonesischen Gewässern illegal fischen. (Foto: EPA / IMANK / UNEP / Flickr)
Auch eine Option. Indonesien sprengt ausländische Fischerboote, die in indonesischen Gewässern illegal fischen. (Foto: EPA / IMANK / UNEP / Flickr)

Für die zweite globale Großkrise, die steigenden Nahrungsmittelpreise und den zunehmenden Hunger in der Welt, konnten sich die Länder ebenfalls auf ein Abkommen einigen. Exportverbote wie das für indische Weizenexporte sollen nicht für das Welternährungsprogramm WFP gelten – allerdings mit einer Ausnahme: Wenn ein WTO-Mitgliedsland die eigene Ernährungssicherheit gefährdet sieht, dann darf es auch WFP verwehren, dort Hilfsgüter zu beschaffen. Durchgesetzt hat diese Ausnahme Indien. Das Land hatte gedroht, andernfalls diesen Teil des Genf Pakets zu blockieren. Der indische Handelsminister Piyush Goyal sagte nach Abschluss der Konferenz denn auch: „Indien ist mit dem Ergebnis der 12. Ministerkonferenz zu 100 Prozent zufrieden.“ [3]

Der größte Erfolg des Genf Pakets ist das Abkommen über Subventionen für illegalen und unregulierten Fischfang. Über deren Verbot wurde 21 Jahre lang verhandelt. Rund ein Drittel der globalen Fischbestände gilt als überfischt. Indem nun zumindest Subventionen für den illegalen Fischfang wegfallen sollen, könnten sich einige Fischbestände in der Zukunft wieder erholen. Der WTO-Mitglieder haben sich zudem darauf geeinigt, den Fischfang auf der Hochsee nicht länger zu subventionieren. Fischfang außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer) dürfte damit in den meisten Fällen sich nicht mehr lohnen. Eine Studie aus dem Jahr 2018 schreibt: „Das aktuelle Ausmaß der Hochseefischerei wird durch hohe Subventionen ermöglicht, ohne die 54 Prozent der Fischgründe in der Hochsee unprofitabel wären.“ [4]

Die Länder einigten sich schließlich auch darauf, sich noch einmal an einer Reform der WTO zu versuchen. Derzeit ist das Schiedsgericht der WTO für Handelsstreitigkeiten nicht entscheidungsfähig, weil die Zahl der Richter das nötige Quorum nicht erfüllt. Der Grund dafür ist die Weigerung der USA neue Richter zu berufen. Die USA werfen dem Gericht vor, seine Befugnisse allzu großzügig zu interpretieren und verlangen daher eine Reform. Diese Blockade soll nun in den kommenden beiden Jahren gelöst werden damit die Länder wieder „ein vollständig und gut funktionierendes Streitbeilegungssystem haben“. [5] Aus Sicht von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis ist dies von zentraler Bedeutung: „Letztlich geht es darum, das regelbasierte multilaterale Handelssystem mit einer reformierten WTO als Kernstück aufrechtzuerhalten.“ [6]

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS

 

[1] WTO, 17.06.2022: WTO members secure unprecedented package of trade outcomes at MC12

[2] MSF, 17.06.2022: Pressemitteilung (Tweet)

[3] MoneyControl, 17.06.2022: Spectacular success for India at WTO ministerial conference: Piyush Goyal

[4] Science Advances, 06.06.2018: The economics of fishing the high seas

[5] WTO, 16.06.2022: MC12 Outcome Document – Draft (PDF)

[6] EU, 17.06.2022: WTO 12th Ministerial Conference secures key outcomes on fisheries subsidies, pandemic response, WTO reform, food security and e-commerce