Der Geologe Dominik Fleitmann erklärt im Interview, wie man Vulkanausbrüche datiert
Wie kommt man einem Vulkanausbruch vor vielen hundert Jahren auf die Spur, der nirgends dokumentiert ist?
Vulkane schleudern Asche und Gase in die Atmosphäre, die sich um die ganze Welt verteilen und einen Teil des Sonnenlichts wieder ins All reflektieren. Deshalb ist es im Jahr nach einer grossen Eruption kühler. Die Asche fällt aber nach zwölf bis 18 Monaten wieder zur Erde und lagert sich unter anderem am Südpol und in Grönland auf dem Schnee ab. Wenn man Eisbohrkerne von dort untersucht kann man die Asche oder Schwefelpartikel in den Kernen nachweisen.
Wie kann man die Ascheablagerung an der Stelle 157,3 Meter eines Eisbohrkerns einem bestimmten Jahr zuordnen?
Es schneit ja meist in einer bestimmten Jahreszeit viel. Daher kann man an den Bohrkernen Jahresschichten erkennen und zählen. An einigen Bohrkernen aus Grönland kann man so bis zu 40.000 Jahre in die Vergangenheit blicken. Aber es gibt natürlich Zählfehler, die sich aufsummieren, je weiter man im der Zeit zurückgeht.
Welche anderen Methoden gibt es zur Datierung von Vulkanausbrüchen?
Wenn man Sedimente aus Seen oder dem Meer analysiert, kann man ebenfalls Ascheablagerungen erkennen, insbesondere wenn der Ausbruch in der Nähe stattgefunden hat. Und auch in Tropfsteinen kann man Schwefel-, Arsen oder Bromablagerungen nachweisen. Hier haben wir „Klimaarchive“, die bis zu fünf Millionen Jahre zurückreichen.
Wie genau ist die Datierung?
Kein Archiv ist perfekt, aber durch die Kombination von historischen Dokumenten, Bohrkernen, Sedimenten, Tropfsteinen und Baumringen kann man viel erfahren: Wir können mittlerweile oft auf den Monat genau sagen, wann eine Eruption stattfand. Wir wissen oft auch, wo etwa der Vulkan gewesen sein muss. Zum Teil kann man auch erkennen, wie die Winde zu dieser Zeit waren. Das hat auch eine Auswirkung darauf, wie stark sich eine Eruption auswirkt.
Wie kann man die Folgen des Ausbruchs auf die Temperatur und die Niederschläge ermitteln?
An Baumringen, Seesedimenten und Tropfsteinen kann man sehr gut erkennen, wie viel es in einem bestimmten Jahr geregnet hat. Ausserdem kann man die Temperatur abschätzen.
Und dann kommen die Historiker ins Spiel.
Genau. Wir müssen weg davon zu sagen: Da gab es einen Vulkanausbruch und dann ist in China eine Dynastie kollabiert. Man muss ja zeigen, welchen Einfluss das auf die Ernten hatte, wie das Reich vorbereitet war, wie der Kaiser reagiert hat. Dann beginnt man die komplexen Wechselwirkungen von Klima und Gesellschaften zu verstehen und kann erklären, wie es etwa zum Zusammenbruch eines Reiches gekommen ist. Eine Vulkaneruption kann auch noch Jahrzehnte nachwirken. Das ist wie ein Stein der etwas ins Rollen bringt. Das müssen wir, noch viel besser herausarbeiten.
Professor Dominik Fleitmann, 52, ist Geologe und Paläoklimatologe an der Universität Basel sowie Mitglied des „Basel Climate Science and Ancient History Lab“.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS