Ist der Benzinpreis ein Fall fürs Kartellamt?

Die Gewinnmarge der Raffinerien ist sprunghaft gestiegen

Hohe Gewinnmargen können ein Hinweis auf Marktmanipulation sein, müssen es aber nicht. Europa importiert einen Teil des Dieselbedarfs aus Russland. Zudem sind die Lagerbestände an Benzin und Diesel zuletzt stark gesunken. Die Energiekonzerne sagen daher, derzeit seien diese Produkte knapp.

Die Gewinnmarge der Raffinerien ist in der dritten Woche nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine sprunghaft gestiegen. Kurz zuvor war der Ölpreis auf ein Sieben-Jahre-Hoch gestiegen. Ende letzten Jahres kostete ein Fass (159 Liter) noch 78 Dollar. Am 8. März lag er dann bei 132 Dollar, ein Anstieg um zwei Drittel in gut zwei Monaten. In der Folge haben die Raffinerien die Benzin- und Dieselpreise deutlich angehoben. Der Preisanstieg lässt sich allerdings nicht allein mit dem gestiegenen Ölpreis erklären. Im Vergleich zum Ende letzten Jahres war Diesel nun 76 Cent teurer. Angemessen wäre allerdings nur ein Anstieg um 46 Cent gewesen, wie Zahlen des Preisvergleichsportals benzinpreis.de zeigen. Die zusätzlichen 30 Cent lassen sich weder durch den Ölpreis noch durch höhere Steuern und auch nicht durch einen höheren Dollarkurs erklären.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat denn auch das Kartellamt gebeten, sich die Preise für Benzin und Diesel genauer anzuschauen. „Die Oligopolsituation am deutschen Kraftstoffmarkt ist seit Langem ein strukturelles Problem“, sagte Habeck gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. [1] Genau diese „Oligopolsituation“ hat das Kartellamt bereits vor zehn Jahren untersucht. Damals standen die Konzerne BP (Aral), Esso, Jet, Shell und Total im Verdacht untereinander die Preise zu koordinieren. Nachweisen konnte man das aber nicht. In einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger sagte der damalige wie heutige Chef des Kartellamts Andreas Mundt: „Es gibt hier eine unglückliche Anbieterstruktur. Fünf große Mineralölkonzerne beherrschen zwei Drittel des Marktes. Diese fünf Anbieter haben ein System entwickelt, wie sie ihre Preise ganz legal angleichen können. Einer prescht mit einer Preiserhöhung vor und kann sich darauf verlassen, dass die anderen nachziehen.“ Illegal war das aber nicht, weil sich die Anbieter nicht nachweislich absprechen. „Das läuft wie in einer langjährigen Ehe, da können Sie sich auch ohne große Worte darauf verlassen, wer am nächsten Morgen das Frühstück zubereitet“, sagte Mundt damals. [2]

Gefühlsbaromter. Bei wenigen Produkten sind die Deutschen so preissensitiv wie bei Benzin und Diesel. (Foto: Adam Lederer / Flickr)
Gefühlsbaromter. Bei wenigen Produkten sind die Deutschen so preissensitiv wie bei Benzin und Diesel. (Foto: Adam Lederer / Flickr)

Aus Sicht des Branchenverbands „Fuels und Energie“ sind die hohem Preise allerdings eine Folge von Angebot und Nachfrage: „Wir registrieren zurzeit eine deutlich höhere Nachfrage nach Diesel aus osteuropäischen Ländern, die teilweise auch von Deutschland aus bedient wird. Gleichzeitig ist das Produktangebot zurückgegangen, weil die Unternehmen auf eigene Initiative den Import von Diesel und auch Rohöl aus Russland reduzieren.“ [3] Und das habe natürlich Folgen: „Dadurch haben sich die Produktmärkte für Benzin und Diesel vom Rohölmarkt derzeit weitgehend abgekoppelt. Wie in anderen Rohstoff- und Produktmärkten auch, sind die Preise somit ein Indikator für eine Produktknappheit, die in diesem Fall europa- und weltweit gilt.“ Ob das stimmt, weiß das Kartellamt allerdings nicht und kann es auch nicht nachprüfen. „Eine gesetzliche Verpflichtung der Marktteilnehmer, auch Mengendaten an die Markttransparenzstelle zu liefern, würde die Aussagekraft unserer Daten deutlich verbessern“ sagte Mundt letzte Woche. [4]

Bekannt ist hingegen, dass die Vorräte an Benzin und Diesel so niedrig sind zuletzt 2008, ein Jahr mit rekordhohen Öl- und Lebensmittelpreisen. Im Vergleich zu letztem Jahr sind in Europa, den USA und Singapur 110 Millionen Fass weniger in den Lagetanks, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. [5] Hinzu kommt, dass 58 Prozent des nach Europa importierten Diesels aus Russland kommt. [6] Das führt zu Verwerfungen am Markt: Vorletzte Woche wurde bekannt, dass die beiden Energiekonzerne BP und Shell kein Diesel mehr auf dem deutschen Spotmarkt anbieten und der österreichische Konzern OMV rationiert an seinen Tankstellen in Ungarn den Verkauf von Benzin und Diesel. [6] [7] Da die Vorräte nicht beliebig weiter sinken können, müssen die Raffinerien früher oder später die Produktion erhöhen. Das bedeutet allerdings, dass die Ölnachfrage steigt und damit wohl auch der Ölpreis. Der aktuell wieder auf 112 Dollar pro Fass zurückgegangene Preis könnte daher nur eine Verschnaufpause sein.

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[1] Spiegel, 16.03.2022: Habeck drängt Kartellwächter zur Prüfung hoher Spritpreise

[2] Bundeskartellamt, 20.03.2012: “Ein ausgeklügeltes System des Abguckens und Nachmachens”

[3] en2x, 16.03.2022: Hohe Kraftstoffpreise Europa- und weltweit

[4] Bundeskartellamt, 16.03.2022: Bundeskartellamt zu der aktuellen Entwicklung der Kraftstoffpreise

[5] Reuters, 14.03.2022: Global diesel shortage raises risk of oil price spike

[6] Reuters, 11.03.2022: Shell, BP halt spot German diesel sales on scarcity fears

[7] Reuters, 11.03.2022: Austria’s OMV restricts Hungary fuel sales as supply fears grip Europe