„Die Frage nach dem Geberkreis wird sich automatisch stellen“

Jan Kowalzig erklärt im Interview wie sich die Klimafinanzierung in Zukunft entwickeln wird

Das Interview wurde von mic zusammen mit Jörg Staude geführt.

Die Entwicklungsländer wollten einen Fonds, der für klimawandelbedingt Verluste und Schäden aufkommt. Ist das ein neues Thema?

Jan Kowalzig: Das Thema Verluste und Schäden steht seit Jahrzehnten auf der Agenda. Schon in den 1990er Jahren gab es einen Vorschlag zu einem Fonds für Versicherungslösungen für die kleinen Inselstaaten. Mit Glück können die ärmeren Länder nun auf begrenzte Hilfe etwa bei der Planung für den Wiederaufbau nach Unwetterkatastrophen hoffen, nicht aber auf Finanzhilfen für den Wiederaufbau selbst. Dieses Ergebnis ist erbärmlich.

Wenn man die Planung für Wiederaufbaumassnahmen finanziert, stellt sich doch automatisch die Frage, was dann passiert. Haben die Entwicklungsländer damit nicht einen Fuss in der Tür?

Sicher haben die ärmeren Länder einen Fuß in der Tür, weil es einen „Dialog“ zu diesem Thema geben soll. Ich glaube aber, dass die Industrieländer nach den zwei Jahren nicht darüber reden wollen, was sich ändern muss. Sie werden darauf verweisen, dass es dafür kein Mandat gibt.

Die Industriestaaten haben ihr Versprechen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen zu leisten, nicht eingehalten und wollen dies bis 2025 wiedergutmachen. Aber was passiert dann?

Zum Post-2025-Ziel traf der Gipfel in Glasgow nur eine prozedurale Entscheidung: Über das neue Ziel wird in einer Arbeitsgruppe gesprochen – jeweils zwei Wochen pro Jahr. Ergänzend werden Experten angehört und es wird sicher auch Minister-Treffen geben, um die Erarbeitung des Ziels politisch zu begleiten. Das neue Ziel soll dann 2024 beschlossen werden. Ich halte dieses Vorgehen für sinnvoll, weil die Entwicklung des neuen Ziels eine komplexe Aufgabe ist. Ich glaube aber, dass zwei Wochen pro Jahr nicht ausreichen werden.

Der Experte. Jan Kowalzig, 48, ist Spezialist für Klimafinanzierung und -politik bei der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland. (Foto: zVg)

Die Industrieländer wollen für die Zeit nach 2025 den Kreis der Geberländer ausweiten. Wie steht es darum?

Die Frage nach dem Geberkreis wird sich automatisch stellen. Denn im Unterschied zum jetzigen 100-Milliarden-Ziel werden beim künftigen Finanzziel alle Länder Teil des Ziels sein. Im Artikel 9 des Paris Abkommens ist nur festgelegt, dass die Industrieländer auch nach 2025 bei der Klimafinanzierung die „Führung“ haben werden. Man darf daher erwarten, dass sich dann mehr Länder beteiligen etwa die reichen Golfmonarchien.

Wenn sich andere Länder beteiligen – ist das dann noch ein klassischer Finanzstrom von Nord nach Süd?

Es geht nicht darum, einfach Geld in den Globalen Süden zu schaufeln, sondern insgesamt die globalen Finanzströme auf eine klimafreundliche Entwicklung hin umzulenken. Damit sind viele Länder des Südens automatisch mit von der Partie, weil sie ja, um ihre eigenen Klimaziele zu verwirklichen, bei sich selbst Finanzflüsse umlenken. Insofern ist es richtig, dass noch nicht festgelegt wurde, wer ab 2025 wieviel zur Klimafinanzierung beiträgt.

Durch den Gipfel schwirrte die gigantische Zahl von 1,3 Billionen Dollar, die ab 2025 jedes Jahr in die Klimafinanzierung fließen sollten.

Die 1,3 Billionen standen sogar eine Zeit lang in einigen Textentwürfen, flogen aber wieder raus. Das war schon richtig. Man weiß jetzt einfach noch nicht, was die Klimafinanzierung ab 2025 leisten soll und wie das neue Ziel strukturiert wird. Irgendwann wird über die Summen geredet werden, aber erst am Ende.

Ein Teil der Klimafinanzierung könnte über den Handel mit Emissionszertifikaten aufgebracht werden. Ist das in Glasgow diskutiert worden?

Die EU hat bisher darauf geachtet, dass der Handel mit Emissionsreduktionen und die Klimafinanzierung zwei getrennte Dinge sind. Es ist richtig, das nicht zu vermischen. Wenn etwa Industrieländer im Globalen Süden Klimaschutzprojekte finanzieren und sich die CO2-Reduktion dann anrechnen, gibt es ja zuhause weniger Klimaschutz. Insgesamt ist daher eine Verzahnung von Emissionshandel und Klimafinanzierung ein Nullsummenspiel, bringt also kein Mehr an Klimaschutz. Das brauchen wir aber ganz dringend. Mit Klimafinanzierung müssen zusätzliche Einsparungen generiert werden.

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