Staaten haben Hausaufgaben für Glasgow nicht gemacht

Manche haben keine neuen Klimapläne, andere sind zu knickerig

Nächsten Montag beginnt die 26. UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow. Zu verhandeln gibt es nur die Regeln für den Handel mit Emissionsreduktionen. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Konferenz ist aber etwas anderes: die Stringenz der freiwilligen nationalen Klimaziele.

„Wir haben bereits 1,2 Grad erreicht, Tendenz steigend“, sagte UN-Chef António Guterres anlässlich der Vorstellung des ersten Teils des neuen Berichts des Weltklimarats IPCC. [1] Die Welt ist also nicht mehr weit davon entfernt, die Marke von durchschnittlich 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung zu überschreiten. Ein Ansporn war das nicht allen Ländern. Eigentlich hätten alle Staaten ein neues und ehrgeizigeres Klimaziel einreichen müssen. Doch das haben nur 165 von 192 Staaten getan. [2] Es fehlen noch Emissions-Schwergewichte wie China, Indien und Saudi-Arabien. Hinzu kommt, dass Australien, Brasilien, Mexiko und Russland neue Ziele eingereicht haben, die keine Verbesserung oder gar eine Verschlechterung zu den alten Zielen darstellen. Das Resultat: Damit das 1,5-Grad-Ziel erreichbar bleibt, müssten die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 sinken. Mit den vorliegenden Plänen werden die Emissionen aber um 16 Prozent steigen. [2]

Aber auch die Industriestaaten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie haben im Jahr 2009 versprochen ab dem Jahr 2020 ärmere Länder mit 100 Milliarden Dollar beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Doch dieses Ziel wurde wohl verfehlt und gemäß einem neuen Finanzplan wird es wohl erst 2023 erreicht. [3] Das fehlende Geld in den Jahren 2021 und 2022 soll aber in den Jahren 2024 und 2025 aufgeholt werden. Was mit dem Manko im Jahr 2020 passiert, ist hingegen noch unklar. Für Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam ist die Finanzlücke eine Gefahr für den Erfolg der Konferenz: „Dass das Versprechen der reichen Länder nicht gehalten wurde, dürfte eine schwere Hypothek für die kommende UN-Klimakonferenz werden.“

UFO. Hier entscheidet sich, ob es möglich ist, das 1,5-Grad-Ziel “am Leben zu erhalten”. (Foto: SEC)

Dadurch mangelt es den Industriestaaten als Gruppe an Glaubwürdigkeit. Hinzu kommt, dass US-Präsident Joe Biden wahrscheinlich sein zweites Infrastrukturpaket nicht vor Konferenzbeginn in Glasgow durchs US-Parlament bekommt. Das heisst, dass die USA zwar ein relativ anspruchsvolles Klimaziel haben aber nicht die Mittel, um dieses auch umzusetzen. Und auch Grossbritannien hat ein Problem: Das Land hat zwar seine Klimahilfen erhöht, aber gleichzeitig die Ausgaben für die Entwicklungshilfe reduziert. So war das im Jahr 2015 in Paris nicht vereinbart worden. Aus Sicht von Reimund Schwarze vom Helmholtz Institut haben deshalb die USA und Großbritannien ein „Glaubwürdigkeitsproblem“. Alok Sharma, der britische Konferenzpräsident, sagte angesichts dieser Ausgangslage: „Es ist wie wenn man das Ende der Prüfung erreicht, nur noch die schwierigsten Fragen übrig sind, die Zeit davonläuft und man sich fragt: ‚Wie beantworten wir diese Frage?‘“ [4]

Die wichtigste Frage ist für Sharma, wie man das 1,5-Grad-Ziel „am Leben erhält“. Darüber wird allerdings nicht direkt verhandelt, sondern die Länder setzen sich freiwillig immer anspruchsvollere Klimaziele. Wenn diese nicht ausreichen, braucht es einen Mechanismus der dafür sorgt, dass die Länder nachlegen. „Was wir den Ländern sagen werden, ist: Wenn euer Klimaplan nicht gut genug ist, dann müsst ihr (mit einem besseren Plan) wieder zum Verhandlungstisch kommen“, sagt Sharma. [4] Zudem sollen die Länder klarer auf das 1,5-Grad-Ziel verpflichtet werden. Im Paris haben die Länder nur versprochen die Erwärmung bei „deutlich unter zwei Grad“ zu stoppen und „Anstrengungen zu unternehmen“, dass dies schon bei 1,5 Grad gelingt. Wie die Nachbesserung der Klimapläne und die Verpflichtung auf das anspruchsvollere Temperaturziel vereinbart werden können, ist aber noch unklar.

Lücken gibt es aber nicht nur bei den Klimazielen der Länder und bei den Klimahilfen sondern auch in der Bedienungsanleitung für das Paris Abkommen. Dort fehlt noch das Kapitel zum Handel mit Emissionszertifikaten, wie in Artikel 6 des Pariser Abkommens vorgesehen. Einige Länder wie die Schweiz wollen einen Teil ihrer Emissionen kompensieren, indem sie Projekte zur Emissionsreduktion in anderen Ländern unterstützen. Dazu müssen die Länder in formellen Verhandlungen vereinbaren, wie solche Projekte in den zwei beteiligten Ländern jeweils angerechnet werden. Doch diese Verhandlungen sind bereits zwei Mal an Brasilien gescheitert. Der Leiter der brasilianischen Verhandlungsdelegation Leonardo de Athayde deutete aber Kompromissbereitschaft an: „In allen Gesprächen mit anderen Delegationen, haben wir klar signalisiert, dass wir flexibler sind“, sagte de Athayde der brasilianischen Zeitung Valor Economico. [5]

Neben den formellen Verhandlungen über den CO2-Handel und den informellen über Emissionen und Geld, werden viele Akteure die grosse Glasgower Bühne nutzen, um weitere Klimainitiativen zu lancieren. Bundesstaaten und Städte, internationale Organisationen sowie die Wirtschaft werden Ankündigungen insbesondere zu den Themen „coal, cars und trees“ machen. „Kohle, Autos und Bäume“ sind drei der Prioritäten des britischen Premiers Boris Johnson für die Konferenz. Ohne entschiedenes Handeln auf Ebene der Nationalstaaten können diese Akteure das 1,5-Grad-Ziel aber nicht „am Leben erhalten“. Ob Johnson nach zwei Wochen den erhoffte Erfolg vermelden kann, ist daher noch mehr als ungewiss. mic

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[1] UN, 09.08.2021: Guterres: The IPCC Report is a code red for humanity

[2] UNFCCC, 25.10.2021: Revised synthesis report by the secretariat (PDF)

[3] UKCOP26, 25.10.2021: Climate Finance Delivery Plan: Meeting the US$ 100 Billion Goal (PDF)

[4] Guardian, 23.10.2021: Cop26 climate deal will be harder than Paris accord, admits Sharma

[5] Bloomberg, 23.10.2021: Negotiators Edge Closer to Global Carbon Market Deal at COP26

[6] Businessgreen, 11.08.2021: ‘Coal, cars, cash, trees’: Boris Johnson sets out priorities for COP26