Neuer Finanzmechanismus soll Laufzeit von bestehenden Kohlemeilern deutlich reduzieren
Wie bringt man Stromkonzerne dazu relativ neue Kraftwerke stillzulegen? Indem man sie ihnen abkauft und das selber tut, lautet die kurze Antwort. Damit sich das auch noch für private Investoren rechnet, bedarf es allerdings eines kreativen Finanzvehikels.
Letztes Jahr ist die Zahl der Kohlemeiler in Planung in vielen Ländern Asiens kollabiert, wie eine Studie des Global Energy Monitor zeigt. [1] Trotzdem dürfte Kohle noch lange die Stromerzeugung dominieren, denn die Länder Asiens haben einen großen und relativ jungen Kraftwerkspark. Mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens lässt sich das allerdings nicht vereinbaren. Der Weltklimarat (IPCC) hat ausgerechnet, dass der Anteil von Kohlestrom von heute 38 Prozent weltweit in nur zehn Jahren auf weniger als ein Viertel sinken muss. Das lässt sich nur erreichen, wenn in Asien relativ neue Kraftwerke stillgelegt werden. Und genau das ist das Ziel von Finanzmarktakteuren rund um die Asiatische Entwicklungsbank ADB. “Wenn wir ein Kohlekraftwerk kaufen, das noch 50 Jahre in Betrieb ist, und es innerhalb von 15 Jahren abschalten, können wir bis zu 35 Jahre Kohlenstoffemissionen einsparen”, erklärt ADB-Vizepräsident Ahmed Saeed. [2]
Um das in großem Stil zu machen, ist allerdings sehr viel Geld erforderlich. Um die Hälfte aller Kohlemeiler stillzulegen würden für Indonesien 16 bis 29 Milliarden Dollar, für Vietnam 9 bis 17 Milliarden und für die Philippinen fünf bis neun Milliarden benötigt. [3] Das kann auch die ADB nicht stemmen. “Um dies für mehr als ein oder zwei Anlagen zu ermöglichen, müssen private Investoren gewonnen werden”, sagt Michael Paulus von der US-Bank Citi. Doch diese wollten eine Rendite sehen und nicht nur sinkende Emissionen, so Paulus. [3] “Es gibt einige, die interessiert sind, aber sie werden es nicht umsonst machen. Sie brauchen vielleicht keine normale Rendite von zehn bis zwölf Prozent, sie können es auch für weniger tun. Aber ein oder zwei Prozent werden sie nicht akzeptieren. Wir versuchen, einen Weg zu finden, damit das funktioniert.”
Einen solchen Weg hat Donald Kanak von der britischen Versicherung Prudential entwickelt: einen Energiewendemechanismus (ETM). [4] In einem ETM wird öffentliches Kapital etwa von der ADB und privates Kapital gepoolt. Der ETM kauft dann die Kohlekraftwerke ihren jetzigen Besitzern ab und legt diese nach einer bestimmten Anzahl Jahren still. Gleichzeitig baut der ursprüngliche Betreiber mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Kohlemeilers die Erneuerbaren aus. Damit der ETM trotz der vorzeitigen Stilllegung noch eine Rendite erzielt, muss in der verbleibenden Betriebszeit die Marge zwischen Kosten und Einnahmen aus dem Stromverkauf höher sein als zuvor. Das soll erreicht werden, indem der ETM deutlich geringere Finanzierungskosten hat, als der ursprüngliche Betreiber. Damit die ETM-Teilhaber diese geringere Rendite akzeptieren, muss allerdings auch das Risiko entsprechen niedriger sein. Und hier kommt der öffentliche Geldgeber ins Spiel: Dieser akzeptiert, dass er im Fall eines Verlusts als erster sein Geld verliert. Damit haben alle anderen ETM-Teilhaber ein geringeres Risiko.
Dieser Mechanismus soll bereits nächstes Jahr in Indonesien, Vietnam oder den Philippinen getestet werden. „Wir würden gerne im Jahr 2022 das erste Kohlekraftwerk kaufen“ sagt Saeed. [3] Anschließend könne der Ansatz dann auf andere Länder in Asien oder auch andere Weltregionen ausgeweitet werden. Wie beim deutschen Kohleausstieg wird eine Schwierigkeit darin liegen, zu verhindern, dass man mit den ETMs die Laufzeit der Kraftwerke nicht unabsichtlich verlängert. Das könnte passieren, wenn ein Betreiber ein eigentlich unrentables Kraftwerk weiterlaufen lässt, in der Hoffnung dieses dann an den ETM verkaufen zu können. Nick Robins von der London School of Economics warnt: „Wir müssen absolut sicher sein, dass wir nicht den Verursacher von Emissionen bezahlen, sondern für einen beschleunigten Übergang.” [3] mic
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[1] wip, 06.07.2021: Energiewende süßsauer
[2] BBC, 05.08.2021: Finance firms plan to close coal plants in Asia
[3] Reuters, 03.08.2021: ADB, Citi, HSBC, Prudential hatch plan for Asian coal-fired closures
[4] Donald Kanak, 25.01.2021: How to accelerate the energy transition in developing economies