In China müssen Kraftwerke nun Emissionsrechte besitzen
Wenn Emissionen einen Preis haben, sind Anbieter im Vorteil, die keine oder geringe Emissionen haben. Das ist die Logik hinter Emissionshandelssystemen. Damit marktbasierter Klimaschutz funktioniert, muss dieser aber in ein Marktumfeld eingebettet sei. Das ist Chinas Stromsektor nicht.
In China hat Ende letzter Woche der Handel mit Emissionsrechten begonnen. Der Start war etwas chaotisch. Erst am Donnerstagabend kurz vor sechs stand definitiv fest, dass am Freitag der Handel tatsächlich anfängt. [1] Für die Eröffnungszeremonie fanden dann erste, zuvor verabredete Deals statt. [2] Während des Handelstages stieg der Preis für eine Tonne CO2-Emissionen von 48 Yuan auf 51,23 Yuan (6,72 Euro). Der Handel war rege: Emissionsrechte für mehr als vier Millionen Tonnen wechselten den Besitzer. [4] Diese Woche lag der Preis dann weiter über 50 Yuan, aber das Volumen ist auf gut 100‘000 Tonnen eingebrochen. [5]
Trading in #China’s national #ETS opens at 48 yuan ($7.42), price now moved past 52. Though these deals have been pre-arranged to coincide with the opening ceremony so shouldn’t be taken too seriously. #CNETS #OCTT
— StianReklevCP (@CpStian) July 16, 2021
Am neuen Handelssystem müssen 2225 Kraftwerke teilnehmen, die zusammen für zwölf Prozent der globalen Emissionen und für 40 Prozent von Chinas Emissionen verantwortlich sind. Damit hat China nun ein größeres Emissionshandelssystem als die EU. Das chinesische funktioniert allerdings anders als das hiesige. Im EU-System gibt es einen fixen Deckel für die Emissionen eines Jahres, der von Jahr zu Jahr sinkt. In China hingegen gilt ein Grenzwert pro Megawattstunde. Für große Kohlekraftwerke liegt dieser bei 877 Kilo CO2. [6] Für jede Megawattstunde, die ein Kraftwerk produziert, bekommt es daher 0,877 CO2-Zertifikate – kostenlos. Kraftwerke, die weniger CO2 emittieren, können so einen Teil der Zertifikate verkaufen. Und Kraftwerke, die mehr CO2 emittieren, müssen Zertifikate kaufen. Der Grenzwert entspricht allerdings den durchschnittlichen Emissionen im Jahr 2019. Praktisch müssen daher nur alte und ineffiziente Kraftwerke Emissionsrechte kaufen.
Ob mit dem Handelssystem die Emissionen im Stromsektor reduziert werden, ist denn auch umstritten. Eine Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) kommt zum Schluss, dass das Handelssystem tatsächlich zu einer Reduktion führt – vorausgesetzt die Grenzwerte werden regelmäßig verschärft. [7] Der Thinktank Transition Zero ist hingegen pessimistischer. Der Markt habe ein Überangebot von 1,56 Milliarden Tonnen. Daher werde „das Handelssystem in seiner jetzigen Form, keinen Impact auf die Emissionen in China haben“. [8 s. S. 6] Oder um es noch klarer auszudrücken: „Ohne Reform ist der faire Wert für Chinas Emissionsrechte gleich null.“
Das Hauptproblem ist, dass auch Chinas Strommarkt anders funktioniert als der europäische. In Europa kann erst das billigste Kraftwerk seinen Strom verkaufen. Wenn das die Nachfrage nicht deckt, kommt das zweitbilligste zum Zug und so weiter (Merit Order). In China hingegen wird administrativ geregelt, welches Kraftwerk wann Strom produziert und welchen Preis es dafür bekommt. Für Chen Zhibin von der Beratungsfirma Sino-Carbon ist das der Schwachpunkt von Chinas Handelssystem: „Es ist, als würde man ein marktbasiertes Instrument in einem Sektor schaffen, der nicht nach den Kräften des Marktes funktioniert“, sagte Chen gegenüber Carbon Brief. [6] Oder anders: Damit das Handelssystem Wirkung entfalten kann, muss erst der Strommarkt dereguliert werden.
Dem Handelssystem mangelt es aber noch an etwas anderem: einer Website. Stian Reklev von Carbon Pulse, einer Branchenpublikation, schreibt: „Man sollte meinen, dass der größte CO2-Markt der Welt eine schicke Website mit allen Informationen hat, die man braucht, oder? Nun, man würde sich täuschen.“ [9] Gehandelt werden die Emissionsrechte an der Shanghai Environment and Energy Exchange. Diese Börse hat eine Website (cneeex.com). Doch diese blockt Zugriffe aus dem Ausland ab. „Chinas CO2-Preis? Handelsvolumen? Das geht Sie nichts an, wenn Sie nicht in China sind“, schreibt Reklev auf Twitter. [10] Gefragt, ob der CO2-Preis in China Staatsgeheimnis ist, meinte er: „Keine schlechte Frage. Ziemlich gut sogar.“ [11] mic
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[1] Stian Reklev, 15.07.2021: Tweet
[2] Stian Reklev, 16.07.2021: Tweet
[4] Stian Reklev, 16.07.2021: Tweet
[5] Stian Reklev, 19.07.2021: Tweet
[7] IEA, April 2021: The Role of China’s ETS in Power Sector Decarbonisation
[8] TransitionZero, 15.04.2021: Turning the Supertanker
[9] Stian Reklev, 20.07.2021: Tweet