Ein Weltmodell aus den 70er Jahren erweist sich als erstaunlich präzise
Der Club of Rome und das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ gelten als Untergangspropheten, deren Prognosen aber nicht eintreffen. Noch liegt der prognostizierte Kollaps allerdings in der Zukunft und die Beobachtungen der letzten Jahrzehnte decken sich erstaunlich gut mit dem Club of Rome Modell.
Es war ein Bestseller in den 70er Jahren: 30 Millionen Mal wurde das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ verkauft – ein Buch über ein Computermodell. Der Club of Rome hatte Forscher von der US-Universität MIT beauftragt das erste dynamische Modell der Erde und der Gesellschaft zu entwickeln. Und die Resultate waren erschreckend: Im „Weiter so Szenario“ (BAU) kam es um das Jahr 2050 zu einem Kollaps der Zivilisation. Die Produktion von Gütern und Nahrungsmittel brach massiv ein und die Weltbevölkerung ging um mehr als ein Drittel zurück. Die Autoren brauchten nicht lange auf Kritik zu warten. Das Computermodell, World3, unterschätze den technischen Fortschritt und komme wegen des fehlenden Preismechanismus‘ zu unrealistischen Ergebnissen.
Seither sind fast 50 Jahre vergangen. „Mittlerweile haben wir mehrere Jahrzehnte mit empirischen Daten, was einen Vergleich mit (dem ursprünglichen Modell) sinnvoll macht“, sagt Gaya Herrington. [1] Doch das letzte Mal, dass ein solcher Abgleich erfolgte, liegt schon wieder mehrere Jahre zurück. Und so entschied Herrington, einen Nachhaltigkeitsanalystin bei der Beratungsfirma KPMG, einen neuen Anlauf zu nehmen und publizierte schließlich ein Studie im Wissenschaftsmagazin Yale Journal of Industrial Ecology. [2] Dabei zeigte sich, dass das ursprüngliche Modell tatsächlich zu pessimistisch war: Auf der Erde gibt es deutlich mehr Rohstoffe als im „Weiter-so-Szenario“ (BAU) angenommen wird. In diesem Szenario führte ein Mangel an Rohstoffen zum Kollaps. Herrington fand heraus, dass die tatsächliche Entwicklung am ehesten einem Szenario mit doppelt so vielen Rohstoffen (BAU2) und einem Szenario mit „sehr optimistischen Annahmen“ bezüglich technischem Fortschritt (CT) gleicht. [2]
Szenario | Beschreibung | Grund |
---|---|---|
Weiter-so (BAU) | Basisszenario | Kollaps wegen Rohstoffmangel |
Rohstoffreich (BAU2) | Gleich wie BAU, aber mit der doppelten Menge an Rohstoffen | Kollaps wegen zu grosser Umweltschäden |
Tech-Szenario (CT) | Gleich wie BAU2, aber mit viel schnellerem technischen Fortschritt | Rückgang der Industrieproduktion aber kein Kollaps |
Stabile-Welt (SW) | Gleich wie CT, aber mit fundamentalem Wertewandel | Stabilisierung auf hohem Niveau |
Das Menu. Das Weiter-so-Szenario kommt wohl nicht. Aber einfach zur rohstoffreicheren Variante zu wechseln ist auch kein Gewinn.
Ein Grund zur Entwarnung ist das allerdings nicht, denn auch im rohstoffreichen Szenario (BAU2) kommt es um das Jahr 2040 zum Kollaps (siehe Grafik). Doch der Grund dafür ist ein anderer: Er „verschiebt sich von Rohstoffmangel zu einer Verschmutzungskrise“. [2] Die Kurve für die Verschmutzung, gemessen an CO2 in der Atmosphäre und Plastik in der Umwelt, steigt denn auch exponentiell an. Etwas besser sieht es im Tech-Szenario (CT) aus. Auch dort geht die Industrieproduktion deutlich zurück, aber die Agrarproduktion und die Weltbevölkerung stabilisieren sich. Wachstum gibt es aber auch in dieser Welt nicht mehr. „Beide Szenarien zeigen, dass kontinuierliches Wachstum nicht möglich ist.“ [2] Die Welt stünde somit kurz vor dem Höhepunkt ihrer Wirtschaftsleistung. In Anlehnung am den Begriff „Peak Oil“, könnte man daher von „Peak BIP“ sprechen.
Jetzt einfach auf technischen Fortschritt zu setzen, sei allerdings kurzsichtig meint Herrington. Zum einen seien die Annahmen des Tech-Szenarios (CT) wohl „unrealistisch“ und zum anderen sei eine andere Frage entscheidend: „Wollen wir überhaupt das Tech-Szenario (CT) verfolgen? Warum sollten wir unsere Innovationskraft nutzen, um Bestäubungsroboter zu erfinden, die die Bienen ersetzen, wenn wir auch die Möglichkeit haben, landwirtschaftliche Verfahren zu erfinden, die ohne die Nebenwirkung von Insektiziden auskommen?“ [3]
Das erstrebenswerteste Szenario ist denn auch ein viertes, das „Stabile-Welt-Szenario“ (SW). Hier sind die Industrie- und die Agrarproduktion am höchsten und die Weltbevölkerung am größten. Das Szenario beruht auf der Annahme, dass sich die Prioritäten der Weltgemeinschaft fundamental verändern. Statt immer mehr materiellen Wohlstand anzuhäufen, müsste die Menschheit ernsthaft das Ziel der UN-Biodiversitätskonvention anstreben: ein Leben „In Harmonie mit der Natur“. Da das „SW-Szenario die geringsten Rückgänge aufweist, sollten wir nicht nur auf die technologischen sondern auch auf die ‚sozialen Kipppunkte‘ setzen“, meint Herrington. [2] Noch sind wir allerdings nicht auf dem Pfad des SW-Szenarios: Von allen vier deckt sich dieses am wenigsten mit den Beobachtungsdaten der letzten 50 Jahre.
Die Menschheit hat also noch die Wahl. In allen vier Szenarien erreichen wir in wenigen Jahren die Grenzen des Wachstums, „Peak BIP“. Wie es anschließend weitergeht ist allerdings offen: Von Kollaps bis Stabilisierung nahe dem Höhepunkt ist Alles drin. „Noch ist ein bewusster Kurswechsel möglich, zu einem anderen Ziel als dem des Wachstums. Aber dieses Möglichkeitsfenster schließt sich schnell.“ [2] mic
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[1] KPMG, undatiert: Limits to Growth
[3] Club of Rome, 26.07.2021: Data check on the world model that forecast global collapse