Klimaschutz ist in der Schweiz populär aber das neue CO2-Gesetz fand dennoch keine Mehrheit
Die Gelbwesten in Frankreich und das Scheitern des Schweizer Klimagesetzes sind Warnsignale. Insbesondere die Interessen der Landbevölkerung müssen beim Klimaschutz berücksichtigt werden, sonst drohen heftige Gegenbewegungen.
In der Schweiz ereignete sich am letzten Sonntag ein klimapolitisches Erdbeben. Die Wählerinnen und Wähler haben das neue CO2-Gesetz abgelehnt. Mit diesem wollte die Schweizer Regierung die Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 halbieren. Dabei sollten drei Viertel der Reduktion im Inland erfolgen und maximal ein Viertel durch Klimaschutzmaßnahmen im Ausland kompensiert werden. Das Gesetz sah die Einführung eines CO2-Preises von maximal 210 Franken pro Tonne CO2 auf Heizöl und Erdgas sowie eine Abgabe auf Flugtickets vor. Zudem hätten die Importeure von Benzin und Diesel einen Teil der Emissionen aus deren Verbrennung kompensieren müssen. Dafür hätten sie einen Zuschlag zum Benzinpreis von maximal 12 Rappen pro Liter verlangen können. [1] Das Gesetz wurde von einer breiten Parteienallianz sowie von Wirtschafts- und Umweltverbänden unterstützt. Letztlich trug es aber die Handschrift der liberalkonservativen Partei FDP, indem es stark auf Marktmechanismen setzte.
Gegen dieses Gesetz hatte die rechtspopulistische Partei SVP zusammen mit der Schweizer Öllobby Avenergy Suisse das Referendum ergriffen, sodass eine Abstimmung erforderlich wurde. Mitglieder von Avenergy sind unter anderem die Firmen Socar aus Aserbaidschan und Tamoil aus Libyen. Im Abstimmungskampf argumentierten die Gegner des Gesetzes immer wieder mit falschen oder zumindest irreführenden Zahlen und Grafiken. Trotzdem wurde das Gesetz mit 51,6 Prozent abgelehnt. [2] Betrachtet man die einzelnen Kantone war die Ablehnung noch deutlicher: Nur Basel, Zürich, Genf, Neuenburg und das Waadtland haben das Gesetz angenommen und die 21 anderen Kantone waren dagegen.
Die Gegner des Gesetzes haben eine sehr emotionale Kampagne geführt mit Slogans wie „Fliegen nur für die Reichen?“ Damit ist es ihnen gelungen die sozialen Folgen in den Vordergrund zu rücken. Dass zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe und mehr als die Hälfte der Einnahmen aus der Abgabe auf Flugtickets nach einem Pro-Kopf-Ansatz an die Bevölkerung zurückerstattet werden sollten, ging dabei in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit unter. Die Gegner des Gesetzes haben es auch geschafft, die Landbevölkerung gegen die Städter zu mobilisieren. Hier dürfte mit ein Grund gewesen sein, dass parallel zwei weitere Abstimmungen stattfanden: Die zur „Trinkwasserinitiative“ und die zur „Pestizidinitiative“. Beide Initiativen hatten zum Ziel den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu reduzieren und wurden vom Bauernverband heftig bekämpft.
Für die Ablehnung des Gesetzes werden verschiedene Gründe genannt: Das Gesetz wurde zwar von vielen Parteien unterstützt, aber mit wenig Begeisterung. Den eher konservativen Parteien ging es zu weit und dem linken und grünen Lager nicht weit genug. Kritisiert wurde auch die Kampagne der Unterstützer. Diese war anfangs davon ausgegangen, das Gesetz sei ein Selbstläufer und wurde vom Erfolg der Gegenkampagne überrascht. Manche Beobachter halten das gescheiterte CO2-Gesetz auch für überfrachtet, weil in einem einzigen Gesetz die Emissionen aus den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, und Verkehr geregelt werden sollten. Auch kritisiert wurde, dass nur ein Teil der Einnahmen aus den Lenkungsabgaben nach einem Pro-Kopf-Ansatz an die Bevölkerung zurückverteilt werden sollte.
Nach der Gelbwestenbewegung in Frankreich ist die Abstimmung in der Schweiz ein weiteres Warnsignal. Auch in Ländern, in denen Klimaschutz eigentlich populär ist, müssen Klimaschutzmaßnahmen als ausgewogen und gerecht wahrgenommen und gut kommuniziert werden. Sowohl in Frankreich wie auch in der Schweiz hatte insbesondere die Landbevölkerung den Eindruck ihre Interessen würden zu wenig berücksichtigt. Deutlich zeigte sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land auch bei der US-Präsidentenwahl letztes Jahr: Joe Biden gewann die Städte mit großem Vorsprung und Donald Trump die eher ländlichen Gebiete. Die nächste Bundesregierung sollte diesen Gegensatz daher im Auge behalten – nicht nur bei der Klimapolitik. mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite
[1] Schweizer Bundeskanzlei, Juni 2021: Abstimmungsbüchlein (PDF)
[2] Schweizer Bundeskanzlei, Stand 17.06.2021: Vorlage Nr. 644 Provisorisches amtliches Ergebnis