Versuche den Welthandel auf multilateraler Ebene „grüner“ zu machen, kommen hingegen nicht voran
Die EU setzt ihre Handelspolitik gezielt ein, um Drittstaaten zu mehr Klima- und Umweltschutz zu zwingen. Doch damit ist sie derzeit weitgehend allein. Die USA und China konzentrieren sich lieber auf ihren Handelskrieg.
Ein Viertel der globalen CO2-Emissionen entsteht bei der Herstellung von Gütern, die anschließend in ein anderes Land exportiert werden. [1] Die größten CO2-Exporteure sind China und Russland und die wichtigsten CO2-Importeure sind die EU und die USA. China exportiert ein Fünftel seiner Emissionen und Russland sogar fast ein Drittel. Umgekehrt importieren Länder wie die USA oder Deutschland gut ein Zehntel ihrer Emissionen. Ein Ausreißer ist hier die Schweiz: Die Schweizerinnen und Schweizer verursachen im Inland 4,8 Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Wenn man jedoch das CO2 dazuzählt, das in importierten Waren steckt, verdoppeln sich die Schweizer Pro-Kopf-Emissionen. [2] Die erheblichen CO2-Mengen, die in die Warenströme „eingebettet“ sind, werfen die Frage auf, wie die Handelspolitik zugunsten des Klimaschutzes genutzt werden kann.
Vorreiter ist hier die EU. „Die konsequente Kombination von Respekt für die Menschen- und Arbeitsrechte sowie für multilaterale Umweltabkommen durch Handelsverträge ist in der Welt einzigartig“, schreibt Ludo Cuyvers von der Universität Antwerpen in einer Analyse. [3 s. S. 4] Entwicklungsländer, die einen erleichterten Zugang zum EU-Markt wollen (GSP+) müssen nicht weniger als 27 internationale Konventionen wie das Paris Abkommen implementiert haben. [3 s. S. 19] Neun Länder profitieren von dieser Regelung, darunter Pakistan und die Philippinen. [4 S. S. 7] Noch anspruchsvoller sind die Vorgaben für Länder, die ein Freihandelsabkommen mit der zweitgrößten Volkswirtschaft anstreben. Diese Verträge beinhalten ein ganzes Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung. Umweltorganisationen beklagen allerdings, dass für dieses Kapitel in der Regel kein Streitschlichtungsverfahren besteht.
Aber auch Länder, die mit der EU auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation WTO Handel treiben, müssen sich bei manchen Produkten an EU-Regeln halten. Brüssel will etwa verhindern, dass illegal gefangene Fische auf europäischen Tellern landen. Daher bewertet die EU die Fischereipolitik von Drittstaaten und vergibt grüne, gelbe und rote Karten. Als Thailand kurz davor stand wegen einer roten Karte keinen Fisch mehr in die EU exportieren zu können, hat das Land seine gesamte Fischereipolitik überholt. [5] Nicht entziehen können sich selbst große Staaten wie die USA zudem dem „Brüssel-Effekt“. Dieser ist schnell erklärt: Weil es für multinationale Konzerne zu teuer oder zu kompliziert ist, Produkte nach unterschiedlichen Standards herzustellen, halten sie sich einfach an den striktesten und das ist meist der EU-Standard. Die Rechtsprofessorin Anu Bradford von der US-Universität Columbia schreibt: „Im Gegensatz zu anderen großen Volkswirtschaften kann die EU unilateral globale Standards setzen.“ [6]
Brüssel erwägt nun einen weiteren Schritt. Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen will Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Außerdem sollen die Emissionen bis zum Jahr 2030 stärker sinken als bislang geplant. Um das zu erreichen muss der Preis für CO2-Emissionen über den aktuellen Wert von 25 Euro pro Tonne weiter steigen. Viele EU-Länder befürchten aber, dass das zur Verlagerung der Produktion von CO2-intensiven Gütern wie Stahl in andere Länder führt – ein Phänomen, das als „Carbon Leakage“ bekannt ist. Um das zu verhindern hat die neue EU-Kommission die Einführung einer CO2-Steuer auf Importe angekündigt. Wie diese aussehen wird, ist aber noch unklar. Derzeit würden noch verschiedene Modelle geprüft, sagte EU-Handelskommissar Phil Hogan: „Ich erwarte, es wird 2021, bevor wir aus diesem Prozess ein Papier mit ersten Schlüssen bekommen.“ [7] Die CO2-Importsteuer muss insbesondere den WTO-Regeln genügen. Sollte sich eine solche CO2-Abgabe finden lassen, könnte das auch die Klimapolitik andere Länder beeinflussen: Diese könnten ebenfalls einen CO2-Preis einführen, um die EU-Abgabe zu vermeiden.
Auf multilateraler Ebene passiert derzeit hingegen wenig. Derzeit liegen etwa die Verhandlungen über das „Environmental Goods Agreement“ (EGA) auf Eis. Dieses Abkommen hatte zum Ziel den Handel mit Umwelttechnologien wie Windrädern oder Solarpaneelen zu erleichtern. Die Verhandlungen begannen im Jahr 2014 und kamen zwei Jahre später zum Stillstand. Damals konnten sich die USA, die EU und China nicht darauf einigen, welche Produkte von zollfreiem Handel unter dem Abkommen profitieren sollten. [8] Kurz darauf wurde Donald Trump US-Präsident und nun herrscht ein Handelskrieg zwischen den USA und China. Nicht viel besser steht es um den WTO-Versuch, Subventionen für illegalen Fischfang zu verbieten. Obwohl es eigentlich erstaunlich ist, dass illegale Aktivitäten überhaupt staatlich gefördert werden, konnte hier trotz jahrelanger Verhandlungen noch immer kein Konsens gefunden werden. [9]
Etwas besser steht es um kleinere Spezialabkommen wie das über den Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten (Cites) oder die drei Konventionen über den Handel mit Giftstoffen (Basel, Rotterdam und Stockholm Konventionen). Diese funktionieren wie geplant. Ein Erfolg ist auch das Montreal Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Dieses verbietet den Verkauf von ozonschädlichen Substanzen an Länder, die dem Abkommen nicht angehören. Dadurch sahen sich Länder gezwungen, dieses zu ratifizieren und das Montreal Protokoll ist der einzige multilaterale Vertrag, bei dem wirklich die ganze Welt dabei ist. mic
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[1] Carbon Trust, 2011: International Carbon Flows (PDF)
[2] Energy Matters, 24.05.2017: Carbon emissions, carbon intensity and the global trade in CO2
[5] wip, 27.05.2015: ‚Gelbe Karte‘ der EU führt zu Revolution in Thailands Fischereipolitik
[6] wip, 01.05.2019: Wie die EU mit dem „Brüssel Effekt“ die Welt reguliert
[7] Euractiv, 20.01.2020: ‘Jury is still out’ on EU’s carbon border tax, Hogan says
[8] Borderlex, 06.12.2016: Environmental Goods Agreement – why talks faltered
[9] wip. 20.12.2015: Exportsubventionen für Agrargüter werden verboten