Schon die weniger kontroversen Themen sorgen rhetorisches Feuerwerk
Saudi Arabien wirft sich für den Weltklimarat in die Bresche. Die USA wollen beim Paris Abkommen weiter mitreden. Australien verlangt Klimapläne und erfüllt seinen eigenen mit einem Trick. Am Tag Eins nach dem offiziellen Abschluss der Klimakonferenz ist die Lage unübersichtlicher denn je.
Bei der Klimakonferenz in Madrid wurde erwartungsgemäß die ganze Nacht durchverhandelt. Dabei gab es zwei Verhandlungsstränge: die Kohlenstoffmärkte (Artikel 6 im Konferenzsprech) und der ganze Rest. Letzterer gilt als weniger kontrovers. Daher kamen dazu auch zuerst die neuen Entwürfe für die Abschlusstexte heraus. Samstagmorgen um neun berief die chilenische Umweltministerin und Präsidentin der Klimakonferenz Carolina Schmidt dann eine Plenarversammlung ein. Dort erklärte sie kurz das weitere Vorgehen. Dann gab sie Ländern die Möglichkeit Fragen zu stellen – in der Hoffnung, dass es keine gibt.
Das hätte vielleicht geklappt, wenn nicht Brasilien, ums Wort gebeten hätte: „Wir fühlen uns unwohl mit dem neuen Text“, stellte deren Sprecher klar. Der Grund des Unwohlseins sei einer der beiden neuen Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC). Dieser hat vor wenigen Wochen einen Bericht zu den Ozeanen und einen zur Landnutzung vorgestellt. Die Erwähnung von letzterem sei aber ein „No Go, eine rote Linie“. Damit war der Ton für die folgende, einstündige Diskussion gesetzt: Kompromisslos und hart.
Anschließend sprach die EU: Es sei „unmöglich, die Konferenz zu verlassen ohne ein starkes Signal für mehr Klimaschutz“. Das Problem: Über Nacht seien alle Verweise auf größere Anstrengungen beim Klimaschutz aus dem Text verschwunden. Dort müsse insbesondere erwähnt werden, dass die Länder nächstes Jahr ehrgeizigere Klimapläne einreichen müssen.
Kurz darauf kam Saudi Arabien, der vielleicht notorischste Bremser an Klimakonferenzen, zu Wort. Doch Überraschung: Den IPCC-Bericht zu Land wegzulassen, wie Brasilien fordert, sei „unakzeptabel“. „Wir verstehen nicht, wie manche Länder damit ein Problem haben können.“ Für Saudi Arabien ist diese Wortmeldung geradezu infam, denn kein anderes Land hat bei der Klimakonferenz letztes Jahr so vehement gegen die Erwähnung des IPCC-Berichts zum 1,5-Grad-Ziel gekämpft wie Saudi Arabien. Außerdem erstaunte, dass das Wüstenkönigreich Brasilien derart aggressiv angeht. Unterstützung erhielt Saudi Arabien dann von Russland, das auch besonderes Interesse am IPCC-Landbericht bekundete.
Chinas Wortmeldung folgte dann der bekannten Argumentation: China will, dass ein zweijähriges Arbeitsprogramm aufgesetzt wird, wo die Klimaschutzmaßnahmen der Industriestaaten vor dem Jahr 2020 analysiert werden. Damit soll die Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer um zwei weitere Jahre verlängert werden. Außerdem sollen die Industriestaaten mehr Geld zur Verfügung stellen, ohne das die Entwicklungsländer „bedauerlicherweise“ keine größeren Anstrengungen beim Klimaschutz unternehmen könnten. Ähnlich äußerten sich später Indien und Malaysia.
Daraufhin musste irgendein Land mal wieder daran erinnern, worum es an einer Klimakonferenz eigentlich geht, nämlich um Klimaschutz im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Diese Aufgabe übernahm Kolumbien und merkte an, der Titel des einen Entwurfs sei „ironisch“. Dort steht „Time for Action“, also „Zeit zu handeln“. Kolumbien stellte dann auch klar, dass es auch bereit ist, die Konferenz scheitern zu lassen: „Eine Einigung um einer Einigung willen ist nicht genug.“
Für ein besonderes Highlight sorgten dann die USA, das einzige Land, das aus dem Paris Abkommen aussteigen will. Zum Paris Abkommen gibt es einen separaten Entscheidungstext. Dessen Paragraph 11 besagt, dass ein Bericht zum Fortschritt der Länder zur Anpassung an den Klimawandel erstellt werden soll. Dieser Bericht scheint für die Supermacht aber eine besondere Bedrohung darzustellen und die US-Vertreterin forderte den Paragraphen „zu streichen“. Das gab später einem kleinen Inselstaat eine Steilvorlage für eine viel beklatschte Wortmeldung. Tuvalu stellte fest: „Nur Länder, die durch das Paris Abkommen gebunden sind, sollten sich dazu äußern.“
Einem weiteren Inselstaat, Belize, kam es dann zu, auf einen besonderen Trick Australiens hinzuweisen. Das Land hat sein Klimaziel aus dem Kyoto-Protokoll übererfüllt, weil das Ziel besonders anspruchslos war. Damit verfügt Australien noch über eine große Menge an Kyoto-Verschmutzungsrechten, sogenannten AAUs. Diese will es nun nutzen, um rund 60 Prozent seines Klimaziels unter dem Paris Abkommen zu erfüllen. Australien ist das einzige Land, das sich mit diesem Trick aus seiner Verpflichtung zum Klimaschutz herauszuwinden versucht. Das hinderte den australischen Vertreter dann aber nicht, ausdrücklich die Erwähnung der Klimapläne in der Madrider Abschlusserklärung zu verlangen. Da tun sonst nur Länder, die mehr Klimaschutz anstreben.
Das letzte Wort hatten schließlich die Marschallinseln. Diese sprechen für die „Koalition für ehrgeizigen Klimaschutz“ kurz HAC zu der auch die EU und Deutschland gehören. Die Marschallinseln versicherten der chilenischen Konferenzpräsidentin, dass sich „die HAC einem Erfolg der Konferenz verpflichtet fühlt“ allerdings „nicht um jeden Preis“.
Schmidt hatte damit genug gehört und stellte fest, dass es nun an der Zeit sei, wieder an die Arbeit zu gehen. Außerdem seien soeben die neuen Texte zu den Märkten erschienen – das wirklich kontroverse Thema in Madrid. Nach der Aussprache über die weniger kontroversen Themen kann es daher nur noch besser werden. mic
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