Länder verhandeln über die Regeln für internationale Kohlenstoffmärkte
Eine Tonne ist eine Tonne, es sei denn man zählt sie doppelt. Letzteres muss verhindert werden, wenn Länder die Möglichkeit haben, mit Kohlenstoffzertifikaten zu handeln. Ein Land, Brasilien, sieht das allerdings anders.
Gestern haben wieder Millionen Menschen auf der ganzen Welt für mehr Klimaschutz demonstriert. Bei der UN-Klimakonferenz in Madrid geht es darum aber nur indirekt. Die Länder wollen dort das letzte, noch ausstehende Kapitel der Bedienungsanleitung für das Paris Abkommen aushandeln: die Regeln zum Handel mit Kohlenstoffzertifikaten. Nur wenn diese Regeln klar sind, können die Länder dann nächstes Jahr ehrgeizigere Klimaziele ausarbeiten und im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Glasgow bei der UNO einreichen.
Dass eine Einigung gelingt, ist allerdings nicht sicher. Der Vorsitzende der entscheidenden Verhandlungsgruppe schreibt an seine Kollegen: „Wenn wir so weiter machen wie bisher, würde das zum Scheitern in Madrid führen.“ [1 s. Art. 75] Das Kernproblem ist ein Gegensatz: Einerseits haben die Länder sehr unterschiedliche Klimapläne je nach Entwicklungsstand. Industriestaaten haben Emissionsziele, die für die ganze Wirtschaft gelten, aber kleine Entwicklungsländer haben oft nur Ziele für einzelne Sektoren. Andererseits sollen nun einheitliche Marktregeln geschaffen werden, die es allen Ländern ermöglichen als Käufer oder Verkäufer an den internationalen Kohlenstoffmärkten zu agieren.
Manche Länder wie die Schweiz oder Südkorea und die Fluggesellschaften wollen einen Teil ihrer Emissionen kompensieren, indem sie Klimaschutzprojekte durch den Kauf von „Offset-Zertifikaten“ finanzieren. Damit das dem Klima tatsächlich etwas bringt, muss allerdings sichergestellt sein, dass die Emissionsminderungen nicht doppelt angerechnet werden. Doch aus Sicht von Brasilien besagt das Paris Abkommen nicht, dass eine doppelte Anrechnung verboten ist. Ob das Land diese Position aufrechterhalten kann, ist allerdings unklar. „Brasilien ist hier isoliert“, sagt Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation.
Ein weiteres Problem sind alte Zertifikate, die für Emissionsminderungen vor dem Jahr 2020 vom UN-Klimasekretariat ausgestellt wurden. Manche Länder wie Brasilien und Indien besitzen große Mengen dieser „CDM-Zertifikate“ und wollen diese in den neuen Markt unter dem Paris Abkommen hinüberretten. Doch auch dadurch würde der Markt kompromittiert, denn diese Zertifikate repräsentieren keine Emissionsminderungen, die zusätzlich zu den Klimazielen der Länder erarbeitet wurden. Kelly Levin von der Umweltorganisation WIR sagt daher: „Die Regeln für den Zertifikatehandel entscheiden über den Erfolg oder das Scheitern des Paris Abkommens.”
Abgesehen von den Märkten soll in Madrid auch geklärt werden, wie mit Verlusten und Schäden in Folge der Klimaüberhitzung umgegangen werden soll. Insbesondere in kleinen Entwicklungsländern können diese erheblich sein: Als der Zyklon Winston im Jahr 2016 den Inselstaat Fidschi verwüstete, entstanden Schäden in Höhe von 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland entspräche das einem Schaden in Höhe von 900 Milliarden Euro (Schweiz 180 Milliarden Franken). Noch gibt es aber keinen Mechanismus, um Ländern in solchen Fällen zu helfen. Hier werden sich insbesondere die USA dafür einsetzen, dass dies so bleibt. Sie wollen unbedingt verhindern, irgendwann wegen der US-Emissionen in der Vergangenheit zu Schadensersatz verpflichtet zu werden. mic
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