Ohne CO2-Preis rechnet sich CCS nicht

Der Atmosphäre muss CO2 entzogen werden um eine Klimakatastrophe abzuwenden

Das Einlagern von CO2 im Untergrund ist de facto unerlässlich, wenn die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. So lange die CO2-Entsorgung in der Atmosphäre aber kostenlos ist, rechnet sich das nicht.

Bei einem klimapolitischen Thema herrscht Einigkeit in der grossen Koalition: bei CCS (von englisch Carbon Capture and Storage). Das Kürzel steht für die Abscheidung von CO2 aus Rauchgas und der anschliessenden Speicherung im Untergrund. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte letzte Woche: Falls es im Jahr 2050 in Deutschland noch CO2 Emissionen gibt, müsse man “alternative Mechanismen finden, wie man das CO2 speichern oder kompensieren kann”. [1] Unterstützung für CCS kommt auch von Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Diese Debatte muss sein“, sagte die SPD-Politikerin. „Gegen die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid gab es lange Widerstand, weil sie die längere Verstromung von Kohle ermöglichen sollte. Mit dem Kohleausstieg aber hat sich dieser Einwand erledigt.“ [2] Hubert Weiger, der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, ist dennoch nicht von CCS zu überzeugen: „Wir warnen ausdrücklich davor, gefährliche, teure und unerprobte Technologien wie die Speicherung von CO2 unter der Erde als Klimaschutz zu betrachten.“ [3]

Der Hintergrund dieser Debatte ist der Bericht des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Um das Ziel erreichen zu können, müssen die globalen Emissionen in den nächsten elf Jahren halbiert und dann bis zum Jahr 2050 auf Netto-Null gesenkt werden. Doch das reicht noch nicht: Zusätzlich muss der Atmosphäre CO2 entzogen werden. Dies kann durch Aufforsten und die Wiedervernässung von früheren Feuchtgebieten erfolgen oder eben durch CCS. Von den vier 1,5-Grad-Szenarien im IPCC-Bericht kommt allerdings nur eines ohne CCS aus. Die drei anderen beinhalten alle zwei Arten von CCS: das „klassische CCS“ und BECCS. Beim „klassischen CCS“ werden Emissionen etwa aus der Stahl- und Zementherstellung vermieden, indem das CO2 im Boden gespeichert wird. Bei BECCS wird der Atmosphäre sogar CO2 entzogen. Das wird erreicht, indem Bioenergie (BE) wie Holz oder Biogas verbrannt wird und das CO2 mittels CCS entsorgt wird. Damit ist das CO2, das die Pflanzen während ihres Wachstums aufgenommen haben, im Boden gebunden.

Auch CCS. Mehr als 95 Prozent der Moore in Deutschland sind entwässert – eine Fläche so gross wie Sachsen. Deren Wiedervernässung wäre ein massgeblicher Beitrag zum Klimaschutz. [7] (Foto: Max Pixel)
„Unerprobt“ ist CCS mittlerweile nicht mehr. Derzeit gibt es weltweit 18 grosse CCS-Anlagen, die der Atmosphäre 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ersparen. Die meisten dienen der Ölförderung. Dabei wird mit Hilfe von CO2 Öl aus dem Gestein gepresst. Die älteste solche Anlage wurde im Jahr 1972 in Texas eröffnet. [4] „Gefährlich“ ist CCS nach Ansicht von Wissenschaftlern ebenfalls nicht. Eine Studie schreibt: „Das Aussickern von CO2 kann ein Problem sein, aber das wird gemeinhin nicht als grosse Hürde für die sichere und permanente Einlagerung wahrgenommen. Ausserdem besteht signifikante Forschung zur Entdeckung von Lecks und deren Beseitigung.“ [5] Mittelfristig besteht auch kein Mangel an geeigneten Gesteinformationen für die Einlagerung von CO2. Die Schätzungen gehen hier sehr weit auseinander, aber allein in leergepumpten Öl- und Gasfeldern könnten weltweit zwischen 460 und 920 Milliarden Tonnen CO2 gespeichert werden. [5] Das würde für die globalen CO2-Emissionen von 12 respektive 24 Jahren reichen. Frühere Öl- und Gasfelder haben den Vorteil, dass deren Geologie sehr gut untersucht ist, was die Sicherheit als CO2-Speicher verbessert.

Die grösste Hürde für CCS sind die Kosten und im Fall von BECCS im grosssen Stil zusätzlich der Land- und Wasserbedarf für den Anbau von Energiepflanzen. Die Kosten von CCS bestehen grob aus zwei Blöcken: den Kosten für die CO2-Abscheidung und den Kosten für dessen Transport zu einem geeigneten Lagerort. Auch hier gehen die Schätzungen weit auseinander und hängen stark von den lokalen Gegebenheiten ab. Ein Beispiel: Der Hafen von Rotterdam plant derzeit ein CCS-Projekt, um Emissionen von Raffinerien und Chemiefabriken in einem alten Erdgasfeld unter der Nordsee zu entsorgen. Die Bedingungen dafür sind sehr günstig, denn nur 25 Kilometer von Rotterdam steht ein solches Feld zur Verfügung. Dennoch schätzt Rotterdams Hafen, dass der Investitionsaufwand für die erforderliche CO2-Pipeline und die anderen Anlagen bei 400 bis 500 Millionen Euro liegt. Dem stehen fünf Millionen Tonnen CO2 gegenüber, die im Endausbau jährlich eingelagert werden sollen. Aus Sicht des Hafens ist das ein gutes Geschäft: Dies sei ein Projekt „in dem CO2 Emissionen zu relativ geringen Kosten im Vergleich zu anderen Massnahmen reduziert werden können“. [6] Alleine will der Hafen das Projekt dennoch nicht stemmen und hat um finanzielle Unterstützung von der niederländischen Regierung ersucht.

Das Problem ist wie fast immer, das Fehlen eines wirksamen CO2-Preises, denn derzeit ist die Entsorgung von CO2 in der Atmosphäre für die meisten Akteure kostenlos. In Deutschland wird dies voraussichtlich auch noch eine Weile so bleiben. Denn trotz des CDU-SPD Konsenses hinsichtlich CCS herrscht weiter Streit über die Einführung eines CO2-Preises. Damit bleibt bis auf weiters sichergestellt, dass sich CCS nicht rechnet. mic

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[1] klimareporter.de, 14.05.2019: Vages Bekenntnis zur Netto-Null

[2] Handelsblatt, 18.05.2019: Umweltministerin Schulze für unterirdische CO2-Speicherung

[3] BUND, 14.05.2019: BUND begrüßt Merkels Bekenntnis zu mehr Klimaschutz, kritisiert aber ihr Plädoyer für Speicherung von CO2

[4] Global CCS Institute, Stand 23.05.2018: The Global Status of CCS 2018

[5] Sabine Fuss et al. in Environmental Research Letters, 22.05.2018: Negative emissions—Part 2: Costs, potentials and side effects

[6] RotterdamCCUS, 04.04.2019: Companies register interest for Porthos CO2 Storage Project

[7] Spiegel Online, 21.05.2019: Deutschlands unbekannte Klimaschützer