Illegaler Handel mit Klimakillern in der EU

Ungenügendes Kontrollsystem ermöglicht Schmuggel von Kühlmitteln

Die EU will den Verbrauch bestimmter Kühlmittel reduzieren, weil diese für das Klima tausendmal schädlicher sind als CO2. Durch diese Reduktion ist deren Preis gestiegen und jetzt lohnt sich der Kältemittelschmuggel.

Lasche Kontrollen, geringe Strafen aber hohe Gewinne. So stellt sich die Situation in der EU in den Augen eines Schmugglers von Kühlmitteln dar. Die EU hat sich dazu verpflichtet die Verwendung von FKWs (Fluorkohlenwasserstoffen) schrittweise zurückzufahren. Diese Stoffe kommen in Klimaanlagen oder Kühlschränken zum Einsatz. Sie ersetzen FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe), die wegen ihres Chloratoms die Ozonschicht schädigen und deshalb mit dem Hilfe des Montreal Protokolls zum Schutz der Ozonschicht weltweit abgeschafft werden. Doch manche Ersatzstoffe sind extrem klimaschädlich. Die verschiedenen FKWs haben eine Klimawirkung die zwischen Faktor 675 und Faktor 3922 grösser ist als die von CO2. Daher wurde das Montreal Protokoll geändert (Kigali Änderung), um auch den Einsatz von FKWs zu reduzieren.

Die EU regelt in der „F-Gas Verordnung“ wieviel FKW pro Jahr noch verbraucht werden darf. Die erste nennenswerte Reduktion kam letztes Jahr. Die Quote für 2018 lag um 37 Prozent unter dem Referenzwert. Daher begannen FKW-Verbraucher schon im Jahr 2017 die Gase zu hamstern und trieben damit die Preise nach oben. Anfang 2018 kostete etwa FKW-404A elfmal so viel wie noch vier Jahre zuvor und damit deutlich mehr als in Russland, der Türkei oder China. Ähnlich sah es bei anderen Gasen aus. Damit wurde FKW-Schmuggel zu einem potentiell lohnenswerten Geschäft. Eine Untersuchung der britischen Umweltorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) zeigt nun, dass die EU letztes Jahr tatsächlich mehr FKWs importiert hat, als eigentlich zulässig wäre. [1] Allein eine Analyse der Daten der EU-Zollbehörden lässt vermuten, dass FKWs im Gegenwert von 16 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich zur Quote von 101 Millionen Tonnen importiert wurden.

Old school. Diese Methode des Zigarettenschmuggels ist nicht sonderlich effizient, aber weist den Täter als Kenner der französischen Literatur aus. (Foto: Hauptzollamt München / Wikipedia)
Old school. Diese Methode des Zigarettenschmuggels ist nicht sonderlich effizient, aber weist den Täter als Kenner der französischen Literatur aus. (Foto: Hauptzollamt München / Wikipedia)

Um dem illegalen Gashandel auf die Spur zu kommen, hat die EIA mehrere Quellen genutzt: Angaben der EU-Zollbehörde zu Importen und Exporten, Informationen von Chinas Zollbehörde zu Exporten, das EU-Register für FKWs sowie eine Umfrage in der Branche. Dabei sind diverse Auffälligkeiten zu Tage getreten. So waren in elf EU-Länder die Importe im Jahr 2018 mehr als doppelt so hoch wie 2016. Spitzenreiter ist hier Österreich, das seine Importe um 888 Prozent gesteigert hat. Bei sechs Ländern waren Chinas FKW-Exporte im Jahr 2017 mehr als doppelt so hoch als deren Importe aus China. Hier führt Lettland: Es importierte offiziell 16 Tonnen FKWs aus China, aber die chinesischen Daten zeigen Exporte von 245 Tonnen. Auch das EU-FKW-Register ist interessant. Wer eine FKW-Importquote haben will, muss sich dort registrieren. Im Jahr 2017 waren 1699 Firmen registriert – ein Drittel mehr als ein Jahr zuvor. Das klarste Bild zeichnet aber die Umfrage in der Branche: 83 Prozent der angefragten Firmen und Verbände gaben an, sie wüssten oder hätten zumindest den Verdacht, dass illegale FKWs im Umlauf sind.

Das ist nicht die Schuld der Zollbeamten an den EU-Aussengrenzen. Diese können nur überprüfen, ob ein Importeur beim FKW-Register gemeldet ist und somit eine Importquote hat. Ob er diese schon ausgeschöpft hat, sehen die Beamten aber nicht. Hinzu kommen unterschiedliche Masseinheiten. Die Quoten sind in CO2-Äquivalenten angegeben, während auf den Zollformularen die Menge an FKWs steht. Bei 82 verschiedenen FKWs mit jeweils unterschiedlichen Umrechnungsfaktoren, müssten die Grenzer über nennenswerte naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügen, um die Berechnung vor Ort zu machen. EIA empfiehlt daher, dass Importlizenzen nicht pauschal sondern für jede Lieferung einzeln erteilt werden, und dass das FKW-Register kontinuierlich aktualisiert wird. Dieses Verfahren wird bereits bei ozonschädigenden Substanzen wie FCKWs eingesetzt und hat sich bewährt.

Schnäppchen. Auf ebay kann man FKWs von Händlern in der Ukraine kaufen. Die eigentlich illegale Wegwerfdose gibt's oben drauf und der Versand ist graaatis. (Screenshot: mic)
Schnäppchen. Auf ebay kann man FKWs von Händlern in der Ukraine kaufen. Die eigentlich illegale Wegwerfdose gibt’s oben drauf und der Versand ist graaatis. (Screenshot: mic)

Hinzu kommt der klassische Schmuggel, wo Kühlmittel versteckt über die Grenze gebracht werden. Aber wer kauft illegale Kühlmittel? Insbesondere Autogaragen und Gebrauchtwarenhändler. Dazu ist auch nicht allzu viel kriminelle Energie erforderlich. Insbesondere auf der Internetplattform ebay finden sich Kühlmittel problemlos. Dort sind auch Kältemittel in den eigentlich verbotenen Einwegdosen erhältlich. Der Autor hat dazu einen Selbstversuch gemacht. Bei einer Suche nach „R-134A“, dem Namen eines dieser Mittel, war der erste Treffer eine 650 Milliliter Einwegdose von einem Händler in der Ukraine. Die Dose wird für 29, 39 Euro angeboten, dafür ist der Versand kostenlos (siehe Bild). Welche Mengen versteckt oder per Post aus dem Ausland kommen, ist naturgemäss unbekannt. Klar ist hingegen, wer vom Schmuggel verliert: die ehrlichen Importeure, der Staat wegen entgangener Zölle und Steuern und das Klima. mic

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[1] EIA, 09.04.2019: Doors wide open – Europe’s flourishing illegal trade in hydrofluorocarbons (HFCs)